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Ermittler konnten am Donnerstag einen Kokain-Lieferservice in Berlin stoppen.

© Daniel Reinhardt/dpa

Update

Bekämpfung von Clankriminalität: Kokain-Lieferservice in Berlin gestoppt – neun Haftbefehle

Berliner Ermittler haben donnerstagfrüh einen Kokain-Lieferdienst gestoppt. Er soll etwa 850 feste Kunden in Berlin mit Drogen beliefert haben.

Diskret, direkt und zuverlässig: Ein Berliner Kokain-Lieferservice soll hunderte Kunden in der gesamten Hauptstadt über Monate mit dem illegalen Stoff versorgt haben. Doch damit scheint nun Schluss zu sein. Am Donnerstag schlugen Ermittler nach langer Observierung mit einer großangelegten Razzia zu.

Die Bilanz: Es wurden 36 Wohnungen, Geschäfte und Fahrzeuge durchsucht, neun Haftbefehle vollstreckt, elf Autos und Bargeld in vierstelliger Höhe beschlagnahmt. Das teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Rund 850 Kunden aus dem gesamten Stadtgebiet sollen regelmäßig bei dem Lieferservice bestellt haben.

Für die Ermittler gehörten die Durchsuchungen zur Bekämpfung der Clankriminalität, wie aus der Mitteilung hervorgeht. Einige der Verdächtigen im Alter von 16 bis 36 Jahren seien miteinander verwandt, hieß es. Die meisten hätten die deutsche Staatsbürgerschaft und einen Migrationshintergrund.

Ihnen wird bandenmäßiger Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgeworfen. „Für uns ist es ein Erfolg, das ist einer der bislang größten Fälle“, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Mona Lorenz. Der gezielten Aktion seien monatelange verdeckte Ermittlungen vorausgegangen.

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Berlin hat den Lieferservice von Drogen verstärkt in den Blick genommen. Seit Mai 2019 führt die Polizei eine extra Statistik zu „Btm-Lieferservice“ bei illegalem Handel mit Kokain. (Btm steht für Betäubungsmittel.) Allein bis zum 1. Oktober des Vorjahres wurden laut Polizei 35 Ermittlungsverfahren zum Kokain-Lieferservice eingeleitet.

Komplexe kriminelle Strukturen

Nach Einschätzung des SPD-Innenexperten Tom Schreiber suchen Kriminelle nach immer neuen Wegen, ihren Stoff abzusetzen. Allerdings seien Dealer und Fahrer, die das Kokain zu den Konsumenten bringen, nur das Ende einer Kette, zu der komplexe kriminelle Strukturen gehörten. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) zeigte sich am Donnerstag entschlossen: „Das Zeichen, das vom heutigen Einsatz ausgeht, ist eindeutig: Der Kampf gegen Clankriminalität geht auch 2020 unvermindert weiter.“

Es ist nicht der erste Drogen-Service, der aufflog. Im November des Vorjahres gingen Ermittler in Berlin und Brandenburg gegen einen solchen Lieferdienst vor; gegen drei mutmaßlichen Organisatoren wurden Haftbefehle erlassen. Nach Bestellung per Mobiltelefon seien die Drogen zu den Kunden gefahren worden.

In einem Strafprozess am Landgericht der Hauptstadt wiederum gab kürzlich ein Angeklagter zu, einen solchen Bringedienst per Auto übernommen zu haben - wegen Geldsorgen. Bei Stammkunden habe er für „eine Konsumeinheit“ 30 bis 35 Euro genommen, bei Neukunden bis zu 50 Euro.

„Eine Kokainschwemme ungeahnten Maßes“

Für das Berliner Landeskriminalamt hatte dessen Abteilungsleiter für den Bereich Organisierte Kriminalität (OK), Sebastian Laudan, erst vor wenigen Wochen eingeschätzt, dass Kokain neben Cannabis als Party- und Businessdroge eine große Rolle spiele. „Wir erleben gerade bundesweit, europaweit kann man sagen, eine Kokainschwemme ungeahnten Ausmaßes“, konstatierte der Ermittler besorgt.

Es gehe um beschlagnahmte Koksmengen, „die man vor Jahren noch nicht hat glauben können“. Berlin sei dabei sowohl Umschlagplatz als auch Zielort von Drogenschmuggel und -handel. (dpa)

Jutta Schütz

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