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Die Einsatzkräfte bearbeiteten den Köpi-Zaun an mehreren Stellen gleichzeitig mit unterschiedlichen Gerätschaften, unter anderem wie hier mit einem Räumfahrzeug.

© Fabian Sommer/dpa

Update

Polizei im Großeinsatz: Berliner „Köpi“-Wagenplatz geräumt – Ausschreitungen bei „Tag X“-Demo am Abend

Mit schwerem Gerät durchbricht die Polizei am Freitag die Barrikaden, 2000 Beamte sind im Einsatz. Innensenator Geisel verurteilt die Gewalt in der Nacht.

Die Polizei kam am Freitagmorgen mit einem beträchtlichen Fuhrpark technischer Geräte zum „Köpi“-Wagenplatz in Berlin-Mitte. Mit Räumpanzern, Gerüsten, Motorsägen und auch Äxten begannen die Einsatzkräfte der technischen Einheit um 10.24 Uhr, den Zaun rund um das linksalternative Wagendorf aufzubrechen. Sie leisteten damit der Gerichtsvollzieherin Amtshilfe, die einen gerichtlichen Räumungsbescheid umsetzen ließ.

Die Bewohner:innen hatten den Zaun in den vergangenen Wochen mit Stahlplatten und Stacheldraht verstärkt, auch von innen war der Platz verbarrikadiert. Zudem verkündeten sie bereits vor Beginn der Räumung über einen Lautsprecher, dass sich einzelne Personen von hinten an die Barrikaden gekettet hätten. [Die Ereignisse rund um die „Köpi“-Räumung können Sie hier in unserem Newsblog nachlesen.]

„Wenn ihr die Barrikade stürmt, nehmt ihr in Kauf, dass Leute sterben“, schallte es über die Köpenicker Straße. Dazwischen immer wieder laute Musik, sowohl aus der „Köpi“ – dem neben dem Wagenplatz gelegenen legalen linksalternativen Hausprojekt – als auch von mehreren Kundgebungen am Rande der polizeilichen Sperrzone. Dort hatten sich ein paar wenige Hundert Unterstützer:innen gesammelt, um gegen die Räumung zu protestieren.

Die Barrikaden hielten allerdings nur kurze Zeit Stand. Die Einsatzkräfte bearbeiteten den Zaun an mehreren Stellen gleichzeitig mit unterschiedlichen Gerätschaften. Dabei wurden sie immer wieder mit Flaschen und Steinen aus dem Inneren des Geländes beworfen und offenbar auch mit einem Feuerlöscher besprüht.

Zum Teil rammten die Einsatzkräfte den Zaun mit dem Räumpanzer. Direkt dahinter befanden sich allerdings, von außen klar erkennbar, Personen in den Bäumen.

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Nach knapp 20 Minuten hatten die Einsatzkräfte ein Loch in den Zaun geschnitten, die ersten Beamt:innen betraten das Gelände. Dabei wurden sie laut Angaben von Polizeisprecherin Anja Dierschke, die ebenfalls vor Ort war, erneut attackiert.

Kurze Zeit später riss die Polizei auch ein großes Loch in den Zaun auf Höhe der Grundstücksgrenze. Nach und nach begannen die Einsatzkräfte, das Gelände zu räumen.

Am Nachmittag führte die Polizei die letzte Person vom Gelände

Die überwiegende Zahl der rund 40 Personen, die auf dem Platz waren, verließen ihn ohne Widerstand. Zwei Personen wurden von Polizeikräften rausgetragen. Als die Gerichtsvollzieherin um 13.17 Uhr das Gelände betrat, waren allerdings noch einige Menschen auf den Bäumen über ihr. Sie hatten sich festgekettet und brüllten Parolen wie „Hass, Hass, Hass wie noch nie“ und beleidigten die Einsatzkräfte.

Polizeibeamte führen bei der Räumung einen Bewohner ab. Die überwiegende Zahl der rund 40 Personen, die auf dem Platz waren, verließen ihn ohne Widerstand.
Polizeibeamte führen bei der Räumung einen Bewohner ab. Die überwiegende Zahl der rund 40 Personen, die auf dem Platz waren, verließen ihn ohne Widerstand.

© Philipp Znidar/dpa

Erst gegen 15.25 Uhr gelang es der Polizei, die letzte verbliebene Person vom Gelände zu führen. Die Identitäten der rund 40 Menschen wurden festgestellt, dann durften sie wieder gehen. Sollten sich einzelnen von ihnen Straftaten, etwa Flaschenwürfe auf Beamt:innen, zuordnen lassen, würden Anzeigen gegen sie erstellt. Das sagte Polizeisprecherin Dierschke.

Räumung verlief laut Polizei nach Plan

Insgesamt verlief die Räumung ihrer Aussage nach Plan. Rund um das Gelände blieb es verhältnismäßig friedlich. Bei den Kundgebungen am Rande kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstrant:innen und Polizei, dabei wurden mindestens 50 Menschen vorübergehend festgenommen, weil sie etwa Widerstand gegen Einsatzkräfte geleistet haben sollen.

Insgesamt waren laut einer Sprecherin rund 2000 Polizist:innen rund um die Räumung im Einsatz, die Polizei hatte dabei auch Unterstützung aus anderen Bundesländern.

Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Rande der Räumung der Bauwagensiedlung.
Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Rande der Räumung der Bauwagensiedlung.

© Fabian Sommer/dpa

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Für den Freitagabend hatte die linke und linksradikale Szene zu einer sogenannten „Tag X“-Demo aufgerufen. Autonome kündigten Ausschreitungen an, um den Köpiplatz „zu rächen“ – und so kam es auch. Mehrere Tausend Menschen demonstrierten in Kreuzberg. Dabei kam es zu Ausschreitungen und Sachbeschädigungen. Die Polizei verlor zeitweise die Kontrolle.

Eine Sprecherin sprach am Abend von einer Teilnehmerzahl im höheren viertstelligen Bereich; damit seien es "sehr viel mehr Teilnehmer als angemeldet".

Es seien Flaschen und Steine auf Einsatzkräfte geworfen worden, auch Angriffe mit Stangen und teils gravierende Sachbeschädigungen an Autos habe es gegeben, hieß es in einem Tweet der Polizei. Einige der Beamten wurden verletzt.

Ausschreitungen bei „Tag X“-Demonstration

Die Demo startete gegen 21 Uhr am Kreuzberger Hohenstaufenplatz, der auch als Zickenplatz bekannt ist. Von Beginn an war die Stimmung aggressiv und wütend. Demonstrant:innen riefen Sprechchöre wie "Ganz Berlin hasst die Polizei" oder "Wir bleiben unregierbar". Von Dächern und in Seitenstraßen zündeten Sympathisant:innen immer wieder Feuerwerk.

Nachdem der Zug das Kottbusser Tor passiert hatte, kam es in der Reichenberger Straße zu ersten Ausschreitungen. Demonstrant:innen warfen Bauzäune um und schlugen Autoschreiben ein. Polizeikräfte stürmten in die Demo, könnten die Gewaltausbrüche aber nicht stoppen. Kurz darauf brannten einige Autos am Erkelenzdamm.

Polizeibeamte begleiten am Kottbusser Tor den Protest gegen die Räumung. Bei der Demo kam es am Freitagabend zu Ausschreitungen.
Polizeibeamte begleiten am Kottbusser Tor den Protest gegen die Räumung. Bei der Demo kam es am Freitagabend zu Ausschreitungen.

© Paul Zinken/dpa

Die Menge zog weiter durch die Oranienstraße. Vermummte zertrümmerten einige Scheiben des Oranien-Hotels. In der Adalbertstraße wurde ein Polizeiwagen angegriffen. Die Polizei brauchte fast eine halbe Stunde, um die Ausschreitungen zu unterbinden.

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Danach zog die Demo weiter bis zur abgesperrten Köpenicker Straße. Vor der Köpi hatte die Polizei eine Sperre und einen Wasserwerfer aufgestellt. Der Demozug zog durch die Adalbertstraße. An der Ecke Oranienstraße löste der Versammlungsleiter die Demo offiziell auf. Ein Teil der Demonstrant:innen ging nach Hause. Doch noch kurz vor Mitternacht Beschäftigte eine große Gruppe von etwa 300 Menschen in der Oranienstraße die Polizeikräfte.

Am Samstagmorgen war dann wieder Ruhe eingekehrt. Nach der Demonstration sei die Nacht in der Hauptstadt sehr ruhig verlaufen, teilte die Polizei am Samstagmorgen mit.

Bereits in den Vortagen der Räumung hatte es Demonstrationen und Brandanschläge gegeben. In der Nacht zu Freitag zogen Autonome durch die Ritterstraße in Kreuzberg und demolierten mehrere Autos. Zuvor waren unter anderem Barrikaden in Brand gesetzt worden, zudem hatten Autonome mehrere Scheinbesetzungen verkündet.

Geisel: "Blinde Zerstörungswut"

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) teilte am Sonnabend zu den Ausschreitungen nach der Köpi-Räumung auf Twitter mit: "Ich verurteile die Gewalt der letzten Nacht. Was wir gestern erlebt haben, ist keine politische Haltung, sondern blinde Zerstörungswut. Es ist destruktiv und löst kein einziges Problem."

Der Staat werde Gewaltandrohungen nicht weichen. "Rechtstaatlichkeit ist ein hohes Gut und muss sich immer durchsetzen. Berlin braucht Freiräume für alternative Projekte und Wohnformen. Das gehört zu unserer Stadt. Aber diese Freiräume dürfen keine rechtsfreien Räume sein", sagte Geisel. Gestern sei das Eigentum unbeteiligter Menschen zerstört und Polizisten angegriffen worden. "Das ist mit nichts zu rechtfertigen", schrieb Geisel und danke den Einsatzkräften.

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Die Berliner SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey nannte die gestrige Situation im RBB-Inforadio "unsäglich". "Das was da passiert in der Stadt, wenn es um rechtmäßige Räumung von Orten geht, dass Menschen der Meinung sind, mit massiver Gewalt gegen Polizeikräfte ihren Willen durchzusetzen, das ist nicht in Ordnung", sagte Giffey. "Ich finde es wichtig, dass wir an dieser Stelle der Polizei und allen Einsatzkräften den Rücken stärken, deshalb auch ein klares Bekenntnis zum Ausbau des Personals, zur Unterstützung derer, die hier dafür sorgen, dass der Rechtsstaat auch durchgesetzt wird."

Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Paul Fresdorf, teilte mit: Die Ausschreitungen hätten gezeigt, dass die Linksautonomenszene in Berlin "ein ernstzunehmendes Problem" sei. "Brennende Autos, Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten sowie Vandalismus kann und darf in der Stadt nicht toleriert werden" Rechtsfreie Räume und der Hass auf unseren Rechtsstaat müssen mit aller Härte des Gesetzes bekämpft werden." Dafür müsse die neue Landesregierung die Grundlage schaffen.

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