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Viele Schulen haben selbst Fragen zum richtigen Verhalten in der Coronakrise. Je klarer die Vorgaben der Verwaltung, desto einfacher ist es für sie.

© Felix Kästle/dpa

Politik unterschätzt die Gefahr: Die Schulen brauchen sehr viel schärfere Corona-Regeln

Die Coronafestigkeit hängt oft an den Schulleitungen. Sind die gut, klappt alles. Und wenn nicht? Für die Fälle muss die Politik Vorgaben liefern. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Wie es aussehen kann, wenn die Schulleitung sich für die Coronaplanung zuständig fühlt, zeigt Quentin Lee, Chef der Childersburg High School im US-Bundesstaat Alabama. Er hat ein Video gedreht hat, in dem er zu dem McHammer-Hit „U can’t touch this“ (Du sollst das hier nicht anfassen) rappend und tanzend erklärt, wie Schüler sich verhalten sollen, wenn es Mitte August in seiner Schule wieder losgeht.

Das Video hat es in die internationalen Nachrichten geschafft, und man kann sich gut vorstellen, wie beschwingt Lees Schule ins nächste Jahr startet.

Auch hierzulande hängt die Coronatauglichkeit der Schulen vom Engagement des Lehrpersonals und vor allem der Schulleitungen ab. Je tatkräftiger die in den vergangenen Wochen Lösungen für die beispiellos komplizierte Situation gesucht haben, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass das neue Schuljahr unter besseren Vorzeichen startet, als das alte endete.

Das ist gut für die Schulen, die gut geführt sind, und schlecht für alle anderen. Doch was von außen lakonisch festgestellt werden kann, darf der Politik natürlich nicht reichen. Schulen, deren Leitungen einen pandemiefesten Lehrbetrieb allein nicht hinbekommen, müssen gestützt werden. Je besser die Rahmenbedingungen sind, desto weniger gravierend werden die Unterschiede im Coronabetrieb ausfallen.

Hängt alles an den Lehrern?

Die Lehrergewerkschaft GEW hat nun die Schulöffnungspläne von Berlins Schulsenatorin Sandra Scheeres als „lediglich ein Entwurf“ abgekanzelt. Zum Beispiel sei nicht klar, was passiere, wenn ein Kind seine Maske verliere. Nun ist man einerseits versucht, den Lehrern zuzurufen, sie mögen dafür doch bitte selbständig eine Lösung finden.

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Andererseits könnte ja auch einmal die Politik die Anstrengung unternehmen, sich wirklich in den komplizierten Corona-Alltag der Schulen einzudenken und sie mit detaillierten Vorgaben zu entlasten: mit handfesten Rahmenbedingungen, die möglichst viele Fragen klären – vom Einsatz von vorerkrankten Lehrkräften über Onlineunterrichtsvorgaben bis runter zum Maskenersatz. Schließlich sind die Bedingungen in Berlin oft hart genug.

Ärztevertreter sprechen angesichts steigender Neuinfektionen von einer „Kombination aus Verdrängung und Normalitätssehnsucht“. Die scheint auch im Bildungswesen zu existieren. So ist wohl am besten zu erklären, dass am Ende der Sommerferien keine verbindlichen Konzepte fürs Lernen unter Pandemiebedingungen vorliegen, sondern Schulen nach kleinteiligen Vorgaben rufen, während die Verwaltung sich zurückhält.

Regelbetrieb? Den wird es so schnell nicht wieder geben

Auch dass an offiziellen Stellen weiter vom „Regelbetrieb“ gesprochen wird, passt zur ärztlichen Gesamtdiagnose. Denn ist nicht längst viel wahrscheinlicher, dass es den Regelbetrieb, wie man ihn bisher kannte, vorerst nicht mehr geben wird?

Das Fehlen eines überzeugenden Krisenplans steht im krassen Gegensatz zu dem Druck, der auf der anderen Seite besteht: bei den Kindern, die wieder in die Schule wollen, wo sie ihre Freunde und Klassenkameraden sehen, und deren Eltern, die vom Homeschooling ausgepowert sind.

So schafft schon allein der Anschein von Diskrepanz im Problembewusstsein diesseits und jenseits der Schulpforten Ärger und Frust. Aber Schule ist nicht nur eine Lernanstalt. Sie ist auch ein Pfeiler der Gesellschaft, die sie mittragen muss. Auch, wenn ihre Leiter nicht rappen können.

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