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Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD).

© Britta Pedersen

Plötzlich fehlen 16.000 Schulplätze weniger: Bildungssenatorin korrigiert Zahlen nach unten

Statt 26.000 Schulplätzen fehlen in Berlin für 2021/22 nun doch nur knapp 9.500 Plätze. Warum sich Bildungssenatorin Sandra Scheeres trotzdem entschuldigte.

Jetzt sind es angeblich nur noch 9.500 Schulplätze, die bis zum übernächsten Schuljahr fehlen: Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) präsentierte am Dienstag neue Zahlen zum Schulplatzbedarf bis zum Schuljahr 2021/22. Und diese Zahlen unterscheiden sich erheblich von denen, die in der vergangenen Woche die Öffentlichkeit aufgeschreckt hatten. Von bis zu 26.000 fehlenden Plätzen bis 2021 war da die Rede, und diese Zahl ging aus einem über 800 Seiten starken Bericht hervor, der von der Taskforce Schulbau der Senatsbildungsverwaltung selbst erst im Mai dieses Jahres erstellt worden war.

Wie kann es sein, dass auf einmal und in so kurzer Zeit so viele Plätze fehlen, fragten sich Eltern, Abgeordnete und Gewerkschaften. An diesem Dienstag musste sich Scheeres dazu im Senat erklären. Bei der anschließenden Pressekonferenz begann sie mit einer Entschuldigung: „Es tut mir sehr leid, dass diese Unruhe entstanden ist.“ Natürlich seien Eltern zu Recht besorgt, wenn sie eine solche Nachricht hören. Sie versicherte aber, dass Bezirke und Senat alles dafür täten, dass jedes Kind einen Schulplatz hat.

Die Zahl von 24.000 oder 26.000 fehlenden Plätzen sei eine Maximalprognose, die, wie man nun feststellen müsse, nicht gut geeignet sei, den tatsächlichen Bedarf und die tatsächliche Entwicklung der Schülerzahlen abzubilden, erklärte Scheeres und gab Fehler zu: „Wir haben es versäumt, dies in dem Bericht deutlich zu machen und die Zahlen zu erläutern.“

Die Maximalprognose beruhe auf der Datenbank Wofis (Wohnbauflächen-Informationssystem) der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, in die stadtweit Wohnungsbaupotenziale und mögliche Wohnungsbelegungen einfließen.

Andere Statistik zeigt anderen Bedarf

Es habe sich jetzt aber gezeigt, dass eine andere Statistik zu Schülerzahlen besser geeignet sei, und zwar die Modellrechnung, die das Referat für Statistik der Senatsbildungsverwaltung jährlich erstelle. Nach dieser Rechnung werden bis zum Schuljahr 2021/22 rund 14.000 Schüler mehr als in diesem Schuljahr erwartet, und es ergibt sich ein bis jetzt noch nicht gedeckter Bedarf von 9.505 Schulplätzen. Die meisten Plätze fehlen demnach an Grundschulen, nämlich rund 5.900, an Sekundarschulen sind es knapp 3.000, an Gymnasien knapp 700.

Etwas mehr Licht ins Dunkel, was es mit dieser Modellrechnung im Gegensatz zur Wofis-Prognose auf sich habe, bringen die Erläuterungen von Bernd Gabbei, der das Statistikreferat in der Senatsbildungsverwaltung leitet. Seine Modellrechnung werde vor allem auf der Datenbasis der Vorjahre erstellt, also retrospektiv. Einbezogen werde unter anderem, wie viele Schüler zu- und weggezogen sind und wie sich Schüler beim Übergang in höhere Klassen verhalten, beispielsweise wie viele Kinder nach der vierten Klasse aufs Gymnasium wechseln. In den vergangenen Jahren hätten sich die Modellrechnungen auf dieser Datengrundlage mit nur sehr geringen Abweichungen als zutreffend erwiesen. In künftigen Controllingberichten zur Schulbauoffensive soll deshalb diese Modellrechnung plus ein „Faktor X“ für Wohnungsbauzuwächse als Basis genommen werden.

Es sei eben ein „lernendes System“, und schließlich gebe es die Schulbauoffensive auch erst seit zwei Jahren, sagte Scheeres auf die Frage, warum denn dann in dem Bericht vom Mai überhaupt die Wofis-Prognose zugrunde gelegt wurde.

Kritik aus der Opposition

Die Opposition zumindest überzeugen die neuen Zahlen und Erklärungen nicht. Der neue bildungspolitische Sprecher der CDU, Dirk Stettner, sagte: „Erst will Bildungssenatorin Scheeres die fehlenden Schulplätze nicht gesehen haben, jetzt rechnet sie sich die Zahlen schön. Beides ist vollkommen inakzeptabel.“ FDP-Bildungspolitiker Paul Fresdorf forderte, dass Scheeres am Donnerstag im Abgeordnetenhaus „mit voller Transparenz ihre Strategie aufzeigen und die Zahlen umfänglich offenlegen“ müsse.

Und woher sollen nun die fehlenden Plätze kommen? 18 000 zusätzliche Plätze sind bis 2021 bereits im Rahmen der Schulbauoffensive geplant. Scheeres setzt darüber hinaus auf weitere Mobilbauten, wie beispielsweise das „fliegende Klassenzimmer“. Das sind modulare Holzbauten, die jetzt schon im Bezirk Tempelhof-Schöneberg eingesetzt werden. Die Taskforce Schulbau entwickle ein Konzept, wie die „fliegenden Klassenzimmer“ berlinweit eingesetzt werden. Auch Container sollen stärker genutzt werden. An manchen Schulen gebe es noch Potenzial wie leer stehende Hausmeisterwohnungen oder Dachgeschosse. Scheeres will zudem, dass bürokratische Hindernisse bei Bau und Planung weiter abgebaut werden. Außerdem sollen bestimmte Bauvorhaben im Grundschulbereich früher als bisher geplant durchgeführt werden und weitere Holzbauschulen möglichst schnell errichtet werden.

Einen höheren Lehrerbedarf als bisher bekannt gebe es im Übrigen nicht, sagte Scheeres. Dieser Bedarf sei schon immer nach der Modellrechnung der Senatsbildungsverwaltung ermittelt worden. Und eine Nachricht dürfte Eltern beruhigen: Die Klassenfrequenzen sollen nicht verändert werden, sagte Scheeres.

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