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Auch beim ersten Schulneubau der Offensive zeichnet sich ab, dass der Verkehr im Umfeld ein Problem wird.

© Simulation: NKBAK, B+G Ingenieure, Ecotec, Franz Reschke

Platzmangel in Berlin: Wie sich Schulbau und Verkehr in die Quere kommen

Berlin wächst und das könnte Folgen für die Schulbauoffensive haben. In Mahlsdorf gibt es heute immerhin die erste Grundsteinlegung im Rahmen des Programms.

Können Kinder mehrmals täglich eine Straßenbahnstrecke überqueren, wenn sie von einem Schulgebäude zum anderen wechseln müssen? Auf diese Frage konzentriert sich der Konflikt um die Erweiterung der Grundschule am Schleipfuhl in Hellersdorf. Ja, sagen der Bezirk und die Senatsverkehrsverwaltung, wenn die Tramtrasse eine Ampel bekommt. „Kaum organisierbar“, entgegnet die Senatsbildungsverwaltung und lehnt den lange geplanten Modularen Ergänzungsbau (MEB) unter diesen Umständen strikt ab. Der Streit könnte auch Folgen für die gesamte Schulbauoffensive in Berlin haben – und ihren ersten Neubau, der an diesem Montag in Mahlsdorf in Angriff genommen werden soll: eine Integrierte Sekundarschule in Holzbauweise.

Beispielhaft zeigen sich an dem Hellersdorfer Fall die Probleme der wachsenden Stadt. Mit mehr Einwohnern steigt nicht nur der Bedarf an Grundstücken für Wohnungen und Gewerbe. Um die wenigen verfügbaren Flächen konkurrieren auch Schulbau und Verkehrsprojekte. Standards geraten unter Druck. Planungen stehen zur Disposition, wo drängende Probleme schnelle Lösungen erfordern. Alles wird überlagert von dem schwierigen Verhältnis zwischen Senat und Bezirken.

Hellersdorfer Neubaupläne wurden gestoppt

Wie berichtet, stoppte die Bildungsverwaltung im Frühjahr die Errichtung des MEB für die Hellersdorfer Brennpunktschule, als sie nach zwei Jahren Vorbereitung von der Tramtrasse zwischen altem und neuem Gebäude erfuhr. Die Straßenbahn existiert noch gar nicht, sie ist nur als „Langfristmaßnahme“ vorgesehen. „Keine Straßenbahn in 10 das oder 20 Jahren kann wichtiger sein als eine gute schulische Ausbildung gerade für unsere Kinder in Armutsgebieten“, schrieben die linke Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle und ihr sozialdemokratischer Schulstadtrat Gordon Lemm deshalb an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller und Schulsenatorin Sandra Scheeres (beide SPD).

Die CDU möchte die Tramplanung beerdigen. Sie sei nur zu DDR-Zeiten sinnvoll gewesen, um die „Arbeiterschließfächer“ in Hellersdorf mit den Industriebetrieben in Oberschöneweide zu verbinden. „Der konkrete Bedarf für diese Trasse konnte nie richtig nachgewiesen werden“, sagt der Verkehrsstadtrat Johannes Martin. Die Grünen warnen davor, in der Verkehrspolitik denselben Fehler zu begehen wie vor Jahren im Schulbau: Flächen aufzugeben, die später noch benötigt werden. Auch die Linke hält am Lückenschluss zwischen den Straßenbahnen 6 und 62 fest – als „Union-Linie“ für Fußballfans zur Alten Försterei in Köpenick. Bürgermeisterin Pohle beklagt: Es sei „unsäglich“, dass die Bildungsverwaltung die Entscheidung des Bezirks zugunsten der Schule einfach übergehe. „Und schwupps ist der MEB weg.“

Schulsenatoren will Verkehr auf Distanz halten

An Neubauten legt Schulsenatorin Scheeres strenge Maßstäbe an. Sie will nicht nur Filialschulen vermeiden, sondern auch den Verkehr auf Distanz halten. Demnach dürfen „bei der Neueinrichtung oder Erweiterung von Schulstandorten im Umkreis von wenigstens 100 Metern keine Straßenbahnen oder mit höherer Belastung versehene Straßen vorhanden sein“, referiert Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) mit einigem Unverständnis in einem Schreiben an den Bezirk. Was genau eine Straße mit höherer Belastung ist, konnte bisher niemand definieren. In der Verkehrsverwaltung ist das kein gebräuchlicher Begriff, aus der Schulverwaltung gab es darauf keine Antwort.

Keine drei Kilometer südlich der Hellersdorfer Grundschule lässt sich solch eine Straße vielleicht bald besichtigen. Nach den Sommerferien 2019 sollen 550 Schüler die neue Sekundarschule in Mahlsdorf besuchen. Neben Scheeres und Pohle werden an diesem Montag um 11 Uhr auch Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) und Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) zur Grundsteinlegung erwartet. Das Gelände liegt an einer ruhigen Straße mit dem Namen „An der Schule“. Das soll nicht so bleiben. Die Verkehrsverwaltung will seit langem die Hönower Straße entlasten und täglich 16 000 Autos an der Schule vorbeifahren lassen. Der Alternativvorschlag des Bezirks passt auch nicht zu den Maßstäben der Bildungsverwaltung: die Straßenbahn von der Hönower Straße vor die Schule zu verlegen. „Die Abstandsfrage“, gesteht Sprecherin Beate Stoffers, „werden wir nochmals kritisch überprüfen.“

Im Streit um die Schleipfuhl-Schule deutet sie indes eine Lösung an. Staatssekretär Mark Rackles will sich mit Verkehrsverwaltung und Bezirk treffen. Es gebe eventuell „Möglichkeiten auf dem Schulgrundstück selbst.“ Vorläufig empfehle ihre Verwaltung Container – „als Zwischenlösung während einer Sanierung und Erweiterung des bestehenden Schulgebäudes“. Im Bezirk rätselt man, was damit gemeint ist. Ein Anbau auf dem alten Grundstück? Stadtrat Lemm kann sich kaum vorstellen, dass der Schulhof groß genug ist.

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