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Symbol des Wiederstands: Eine weiße Rose liegt vor dem Denkmal der im Holocaust ermordeten Sinti und Roma.

© dpa

„Platz der Weißen Rose“: Einstige Pilgerstätte für Neo-Nazis bekommt neuen Namen

Wo einst Rudolf Heß den Tod fand, marschierten zuletzt jährlich tausende Neonazis. Ihr Treffpunkt trägt ab sofort den Namen „Platz der Weißen Rose“.

Es ist kein besonders schöner Ort an der Spandauer Wilhelmstraße in unmittelbarer Nähe eines Einkaufsmarktes, und dennoch zog er zuletzt einmal im Jahr tausende Menschen an. Immer um den 17. August herum, den Todestag des 1987 durch Suizid verstorbenen Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß, versammelten sich Rechtsextremisten und deren Gegner in Spandau – um zu demonstrieren.

Die einen gedachten ihrer nationalsozialistischen Vorbilder und betrieben Geschichtsklitterung zu Ehren des vermeintlichen „Friedensfliegers“ Heß, die anderen versuchten genau das zu verhindern. Hintergrund für die Wahl der Kulisse: In unmittelbarer Nachbarschaft befand sich bis kurz nach dem Tod von Heß das Kriegsverbrechergefängnis Spandau.

In seinen Zellen verbüßten die Verurteilten der Nürnberger Prozesse gegen die Hauptkriegsverbrecher des Zweiten Weltkriegs ihre Haftstrafen. Nach dem Tod von Heß wurde das Gefängnis abgerissen, sein Standort entwickelte sich zur Pilgerstätte für Neo-Nazis aus Berlin und dem gesamten Bundesgebiet.

Damit ist jetzt Schluss: Nachdem der ursprünglich für Spandau angemeldete Rudolf-Hess-Gedenkmarsch der rechten Szene bereits 2018 spontan und zur Überraschung vieler Gegendemonstranten nach Lichtenberg und Friedrichshain verlegt worden war, fiel er 2019 gleich ganz aus.

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Und auch in diesem Jahr gibt es wenige Tage vor dem für die rechte Szene seit Beginn der 90er-Jahre fest im Veranstaltungskalender verankerten Datum keinerlei Anzeichen für eine größere Mobilisierung. Die Experten der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin erklären, eine Anmeldung liege nicht vor, auf den bekannten Kanälen herrsche Ruhe.

Zwar seien kleinere Aktionen nicht ausgeschlossen. Einen Aufmarsch wie noch vor wenigen Jahren, als die zum Trauerzug verklärte Demo vierstellige Teilnehmerzahlen aufweisen konnte, wird es ganz sicher nicht geben.

Treffpunkt wird künftig den Namen "Platz der Weißen Rose" tragen

Und noch etwas wird anders sein am kommenden Dienstag: Statt wie bisher namenloses Flurstück am Rande der Wilhelmstraße, wird der einstige Treffpunkt der Rechten den Namen „Platz der Weißen Rose“ tragen. Eine 2017 von Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank angestoßene Initiative wird damit Wirklichkeit.

Nicht nur praktisch durch ein in den vergangenen Jahren präventiv an deren Treffpunkt angemeldetes „Picknick für die Demokratie“, sondern auch symbolisch durch die Umbenennung des Platzes wird den Rechtsextremen ein Stück öffentlicher Raum genommen. Von einem „sehr starken Zeichen gegen Nazis“ spricht Kleebank angesichts dessen und lobt unter anderem Baustadtrat Frank Bewig (CDU) für dessen schnelles Handeln.

Mitte Juni hatte die Bezirksverordnetenversammlung das Bezirksamt zur Umbenennung des Platzes aufgefordert. Keine zwei Monate später wird das Straßenschild am Samstagvormittag enthüllt – rekordverdächtig.

Saleh: "Belegen den Platz mit einem Symbol für den Widerstand"

Einer, der das Projekt von Anfang an begleitet und den am Ende auserwählten Namensvorschlag für den Platz eingespeist hat, ist Raed Saleh. Der in Spandau gewählte SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus und designierte Landeschef der Berliner Sozialdemokraten wird am Samstag genau wie Kleebank und weitere Vertreter des Bezirksamtes der Enthüllung des Straßenschildes beiwohnen und misst dem Akt vor allem symbolische Bedeutung zu.

[Und so ging die Geschichte weiter: Große Verwunderung über Raed Saleh. Wieso macht er an so einem Tag Wahlkampf? Stammt der Antrag nicht von vier Parteien? Die Linke fordert eine Richtigstellung der SPD. Die ganze Geschichte lesen Sie im Spandau-Newsletter vom Tagesspiegel:leute.tagesspiegel.de]

„Wir belegen den zu einer Pilgerstätte verkommenen Platz mit einem Symbol für den Widerstand gegen die Nationalsozialisten“, erklärte Saleh. Er wies daraufhin, dass Rechtsextreme aktuell immer mehr Zulauf hätten und damit Raum einnehmen würden. Die Umbenennung eines für sie bedeutsamen Ortes könne eine erfolgreiche Gegenstrategie sein, sagte Saleh.

Er wies daraufhin, dass Rechtsextreme aktuell immer mehr Zulauf hätten und damit Raum einnehmen würden. Dass sich Rechtsextreme künftig ausgerechnet am „Platz der Weißen Rose“ versammeln wollen, hält er für unwahrscheinlich.

Mit der Umbenennung nicht genug, schwebt Saleh genau wie Kleebank eine pädagogische Nutzung des historisch aufgeladenen Ortes vor. Schulklassen könnten dort über Diktatur und Totalitarismus sprechen, die Schrecken der Vergangenheit für die Lehre in Gegenwart und Zukunft genutzt werden. Versammlungen soll es also weiterhin geben am „Platz der Weißen Rose“. Nur diejenigen, die die Mörder seiner Namensgeber verehren, sollen fernbleiben.

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