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Die U-Bahn am Hermannplatz in Neukölln - bisher nicht sehr einladend.

© Mike Wolff

Platz da!: Wie der Hermannplatz befriedet wurde

Junkies, Drogendealer, Gewalt: Noch vor kurzer Zeit war der Hermannplatz für viele Berliner ein Ort der Angst. Doch inzwischen hat sich hier manches zum Guten gewendet.

Der Boden vibriert im Minutentakt. Unterm Pflaster des Hermannplatzes fahren die U-Bahnen. Vier durchtrainierte Polizisten in kugelsicheren Westen marschieren vorbei an Marktständen, an denen Fenchel- und Eukalyptusbonbons verkauft werden, Melonen, Gürtel, Schaffelle, karierte Herrenshorts und großgeblümte Damenblusen. Es ist Mittag. Menschen sitzen auf den Betonumrandungen der erhöhten, oft leeren Beete. Sie essen Pommes oder Falafel.

Rainer Perske, seit fünf Jahren Betreiber des Marktes, steht in der Mitte des Platzes und sieht sich zufrieden um: „Keine Junkies und Drogendealer zu sehen.“ Dann zeigt er auf ein älteres, bürgerlich wirkendes Ehepaar, das sich auf der einzigen Bank des Platzes niedergelassen hat. „Dass ältere Leute sich hier ohne Angst längere Zeit aufhalten, das ist neu.“

Perske findet, dass sich seit Kurzem auf dem Hermannplatz vieles zum Guten gewendet hat – und zwar aus einer denkbar schlechten Situation heraus: „2010 habe ich 50 000 Euro für den Ordnungsdienst gezahlt. Die Stammkundschaft blieb weg. Die Händler hatten große Umsatzeinbußen. Ich war kurz davor, den Markt zuzumachen. Alles wegen der Massenansammlungen von Junkies und Alkoholikern mit aggressiven Hunden. Bis zu 50 Leute. Der Platz war kein Eingangstor nach Neukölln, sondern ein gefährlicher Ort, wo man nicht gern hinging.“

Neben Rainer Perske steht Gülaynur Uzun, 46, die sich als Stadtteilmutter um Neuköllner Familien kümmert und als Stadtführerin im Projekt „Route 44“ Neugierigen ihren Kiez zeigt. Der Hermannplatz gehört zu ihrem Alltag – eigentlich. Wenn ihre Töchter zur Nachhilfe, zum Selbstverteidigungskurs oder zum Kinderarzt wollen, müssen sie den Platz überqueren. „Letztes und vorletztes Jahr war es wirklich schlimm“, sagt sie. „Da hatte ich Bedenken, mit meinen Kindern hier langzugehen, nachdem wir mehrere Prügeleien mit ansehen mussten. Aber jetzt ist es hier wieder ganz angenehm.“

Auch der Neuköllner Baustadtrat Thomas Blesing (SPD) sagt, die Probleme mit den Junkies seien dank der massiven Polizeipräsenz kleiner geworden. „Man kriegt nicht mehr auf jedem Quadratmeter Cannabis angeboten.“ Marktbetreiber Perske sagt, im vergangenen Sommer, habe immer ein Mannschaftswagen mit mindestens sechs Polizisten am Platz gestanden. Jetzt sei der Mannschaftswagen nicht mehr da – und die Junkiegruppen seien trotzdem nicht wiedergekommen. „Die Polizei hat den Platz für sie unmöglich gemacht. Das war die Vorarbeit. Den Rest machen wir“, sagt Rainer Perske.

"Das Publikum auf dem Hermannplatz hat sich sehr verändert"

Er hat sich in Absprache mit Polizei und Ordnungsamt Rat von einer Expertin für städtebauliche Kriminalprävention geholt. Auf ihre Empfehlung hin stehen die Stände seit Januar nicht mehr in engen Reihen in der Mitte des Platzes, sondern ringsherum mit der Rückwand zur Straße. So hat man auf Anhieb den ganzen Platz im Blick. „Das gibt ein Gefühl der Sicherheit“, sagt Perske. „Es war nicht leicht, die Händler zu überzeugen, aber jetzt gehen ihre Umsätze wieder in die Höhe.“ Außerdem hat der Marktbetreiber die maroden Bänke vorerst entfernt. An fünf bis sechs Tagen die Woche ist jetzt Markt – anstatt an vier. In dieser Zeit gilt die Marktordnung: Kein Alkohol und keine Fahrradfahrer.

Jens Lange setzt die Regeln durch. Der 31-Jährige, ein schmaler, ruhiger Läufertyp, patroulliert an jedem Markttag über den Platz – in Jeans, eleganten Lederschuhen und offenem Hemd überm T-Shirt. „Eine andere Art Sicherheitsdienst, nicht so aufgepumpt, kein Schrank in schwarzer Uniform, der Aggressionen provoziert“, erklärt Perske. Lange bittet Radfahrer höflich abzusteigen. Und studentische Touristen fragt er nett auf Englisch, ob sie bitte ihre Bierflasche entsorgen könnten.

Neue Ideen für den Hermannplatz

„Das Publikum auf dem Hermannplatz hat sich sehr verändert“, sagt Jens Lange, der in Neukölln aufgewachsen ist. „Seit Kurzem kommt öfter eine Frau her, die mit Tai-Chi-Vorführungen Werbung für ihre Kurse in der Nähe macht. Und Studenten breiten Picknickdecken aus.“ Rainer Perske will sich noch um einen Café-Stand kümmern, so dass man neben der Skulptur des Tanzenden Paares Cappuccino trinken kann. „Aber alles nur als Zwischennutzung“, sagt er. „Schließlich will der Bezirk den Platz komplett umbauen.“

Schon 2009 kündigte Baustadtrat Thomas Blesing (SPD) den Umbau des Hermannplatzes an – für 2012. Der Fußgängerbereich soll auf die südöstliche Seite verschoben, alle Fahrspuren auf die nordwestliche Seite vor die Karstadt-Filiale verlegt werden. Zehn Millionen werde das kosten, hatte der Baustadtrat 2009 geschätzt. Ein wichtiges Vorhaben. „Die Verkehrsknotenpunkte an den beiden Enden des Platzes sind die Unfallschwerpunkte im Bezirk Neukölln“, sagt Blesing. Das soll sich durch den Umbau ändern.

Doch jetzt, im Jahr 2012, ist weit und breit nichts davon zu sehen. Fragt man Blesing, warum nicht, hört man eine lange Erklärung über die „notwendige Verschiebung nach hinten.“ Er spricht über die Finanznöte des Bezirks, schwierige Absprachen mit der Senatsverwaltung, Lärm- und Umweltgutachten, Investitionspläne und die ebenfalls schwierige Kooperation mit dem Nachbarbezirk Kreuzberg, der ja immerhin unmittelbar an den Hermannplatz grenze und für die Einmündungen des Kottbusser Damms und der Urbanstraße zuständig sei. Immerhin sei die Sache furchtbar teuer. Allein der Umbau der Ampeln koste eine Million. „Schwierig, schwierig, schwierig“ sei das alles. Immerhin: Im nächsten, noch nicht vom Abgeordnetenhaus abgesegneten Haushaltsplan des Bezirks sei der Baubeginn für 2015 vorgesehen.

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