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Was passiert, wenn alle Intensivbetten mit Covid-19-Patienten ausgelastet sind? Dafür haben Berliner Krankenhäuser mehrere Notfallszenarien.

© Anne-Christine Poujoulat / AFP

Plätze für Covid-19-Patienten: Berlin zählt freie Intensivbetten anders als die Bundesregierung

Der Berliner Senat kalkuliert mit höheren Zahlen, als das Intensivregister. Warum das so ist und wie die Krankenhäuser vor Überlastung geschützt werden.

Die Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens in der Corona-Pandemie haben vor allem einen Grund: die Furcht davor, dass das Gesundheitswesen in Deutschland zusammenbrechen könnte, wenn zu viele schwer kranke Patienten mit Covid-19 behandelt werden müssen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Auslastung der Intensivstationen. Da die freien Kapazitäten auf verschiedene Arten gemessen werden, entsteht in der Öffentlichkeit immer wieder Verwirrung über die tatsächliche Lage. Deshalb lohnt ein genauer Blick auf die Zahlen, zum Beispiel für den 3. November, wo die Diskrepanz der Daten besonders groß war.

Am Dienstag meldete die Corona-Ampel doppelt so viele freie Intensivbetten für Berlin wie das Intensivregister

Laut dem Intensivregister, an das alle Krankenhäuser in Deutschland ihre Intensivkapazitäten melden müssen und auf das auch die Bundesregierung für ihre Corona-Lageberichte zurückgreift, standen in Berlin am 3. November 132 freie Intensivbetten zur Verfügung. Das sind 10,8 Prozent der Gesamtzahl sogenannter betreibbarer Intensivbetten in den Krankenhäusern der Stadt.

Für den gleichen Tag meldet der Senat für die Corona-Ampel jedoch einen Anteil von 22 Prozent freier Intensivbetten, also doppelt so viele. Wie ist das möglich?

Der Hintergrund für diese unterschiedlichen Zählweisen ist der Umgang mit der Notfallreserve von 459 Intensivbetten in der Stadt, die die Krankenhäuser laut Intensivregister zusätzlich zu den am vergangenen Dienstag „aktuell betreibbaren“ 1224 Intensivbetten binnen sieben Tagen für schwer kranke Covid-19-Patienten aktivieren können.

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Der Senat greift nämlich nicht auf das Intensivregister zurück, sondern auf ein eigenes System, an das die Berliner Krankenhäuser ihre Auslastungsdaten ebenfalls melden. Dieses Ivena („Interdisziplinärer Versorgungsnachweis“) genannte System bietet die Möglichkeit, auch Reservebetten auszuweisen, die es zwar noch nicht gibt, die die Kliniken aber innerhalb von 24 Stunden betriebsbereit machen können. Deshalb werden diese den verfügbaren Kapazitäten zugerechnet, teilte die Senatsgesundheitsverwaltung auf Anfrage mit.

Der Senat zählt noch nicht vorhandene, aber kurzfristig aktivierbare Betten mit

Laut Ivena haben die Notfallkrankenhäuser in Berlin insgesamt 1280 Intensivbetten und könnten weitere 230 innerhalb von 24 Stunden betriebsbereit machen. Mit dieser Grundgesamtheit kommt der Senat für die Corona-Ampel auf jene 22 Prozent freie Intensivbetten.

In absoluten Zahlen aber ist der Fall auch in Berlin klar: Mit dem starken Anstieg der Infektionen mit Corona wächst seit einigen Wochen auch die Zahl der in den Krankenhäusern behandelten Covid-19-Patienten immer schneller – auf 629 am 5. November. Hinzu kommen 234 schwer Kranke auf den Intensivstationen. Das sind schon jetzt mehr als noch während der ersten Pandemiewelle. Der damalige Höchststand war am 25. April erreicht worden. An diesem Tag lagen 153 Patienten mit Covid-19 in den Intensivbetten.

Das Kleeblatt-Modell ermöglicht Verlegung der Patienten über die Grenzen der Bundesländer hinweg

Sollten die Patientenzahlen weiter ansteigen und die Intensivkapazitäten in den Kliniken – inklusive der in wenigen Tagen aktivierbaren Notfallreserve – ausgeschöpft sein, können Patienten auch über die Bundesländer hinweg in andere Krankenhäuser verlegt werden. Dazu haben sich die Landesregierungen auf ein sogenanntes „Kleeblatt“-Modell verständigt, das Deutschland in fünf Regionen unterteilt, innerhalb derer die Covid-19-Patienten schnell in andere Kliniken mit freien Kapazitäten verlegt werden können. „Berlin bildet einen Verbund mit Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie Thüringen“, teilte die Senatsverwaltung für Gesundheit mit.

Die letzte Rückfalllinie ist die Reserveklinik auf dem Messegelände

Sollte auch das nicht mehr ausreichend sein, kommt als letzte Rückfalllinie die Reserveklinik auf dem Berliner Messegelände ins Spiel, die im Frühjahr während der ersten Pandemiewelle eingerichtet worden war. Das „Corona-Behandlungszentrum Jafféstraße“ soll nach Aktivierung binnen weniger Tage insgesamt 488 Betten für Covid-19-Patienten bieten, die stationär behandelt werden müssen, davon 111 für schwer erkrankte Patienten. Es würden dort jedoch keine Covid-19-Patienten versorgt, die in eine Intensivstation eines Krankenhauses gehören, teilt die Gesundheitsverwaltung mit, „sondern vorrangig Patienten mit leichteren Covid-19-Verläufen.

Für den Vollbetrieb der Reserveklinik wären nach Senatsangaben rund 1000 Ärzte, Pflegekräfte und anderes Personal notwendig. Über 300 Personen seien bereits durch den Betreiber der Reserveklinik, dem landeseigenen Klinikkonzern Vivantes, geschult worden, heißt es aus der Behörde.

Diese sollen als Kernteams den Betrieb durchführen können, die personell ergänzt würden. Im Ernstfall werde unter anderem auf Personal zurückgegriffen, das sich derzeit entweder bereits unter Vertrag in Bereitschaft befinde oder erst bei tatsächlichem Bedarf unter Vertrag genommen werde. Dabei handele es sich um Mediziner und Pflegekräfte, die zum Teil aus dem Ruhestand reaktiviert wurden oder entsprechend ausgebildet, aber derzeit in einer anderen Tätigkeit beschäftigt seien.

Hinweis: In einer früheren Version des Textes hieß es, dass die Intensivpatienten Teil der insgesamt 608 Klinikpatienten seien. Der Senat zählt diese aber getrennt. Das heißt, zu der Zahl der Krankenhauspatienten müssen die Patienten auf den Intensivstationen hinzu gezählt werden.

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