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Einfach zugreifen. Am Hardenbergplatz können Passanten ihre Flaschen in speziellen Behältern ablegen, damit Sammler wie dieser 50-Jährige nicht in Papierkörben wühlen müssen. Das Bild entstand im Sommer 2014.

© dpa

Pilotprojekt für Flaschensammler in Berlin: Die Box für Pfandflaschen

In Mülleimer greifen, wegen des Pfandes? Ist das entwürdigend? Am Bahnhof Zoo stehen nun Sammelboxen, in denen Flaschen gesammelt werden. Bei ähnlichen Projekten gab es oft Probleme.

Flaschensammeln kann schmerzhaft sein. Am Charlottenburger Hardenbergplatz zeigt der Mann, der sich als 50-jähriger Arbeitsloser namens Thomas vorstellt, Narben an seinen Fingern. Die Schnitte habe er sich im Laufe von fünf Jahren beim Hineingreifen in Papierkörbe der Berliner Stadtreinigung zugezogen, sagt er. Nun steht er vor einer speziellen Pfandkiste, die Menschen wie ihm die Tätigkeit erleichtern soll. Am Mittwoch wurde sie an einen Pfosten neben dem Zoo-Eingang am Hardenbergplatz montiert, rund um den Bahnhof Zoo gibt es drei weitere.

Thomas ist kein Mann großer Worte, nach kurzem Zögern nennt er die Sammelbehälter „cool“. Er nimmt eine Plastik-Einwegflasche und eine Dose heraus; dafür erstatten ihm Läden je 25 Cent für das Pfand, das jemand anderes gezahlt hatte.

Wie gut dieses Modell funktioniert, wollen der Bezirk, die BSR und der gemeinnützige Träger Trias in einem sechsmonatigen Pilotprojekt in der City West herausfinden. Noch ist nicht absehbar, wie viele Touristen und Zoobesucher ihre Flaschen in den Sammelboxen ablegen werden. Die ersten Flaschen stammten noch von BSR-Vertretern.

Getränkekästen in Parks wurden beschädigt – jemand wollte sie wohl klauen

Aber der Bezirk erprobt das Prinzip mit Trias schon seit September 2013 im Volkspark Wilmersdorf und im Lietzenseepark. Die Stadtreinigung ist dort nicht beteiligt, die Initiative stammte von den Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung; ein einstimmiger BVV-Beschluss ebnete den Weg.

Wer öfters in den Grünanlagen unterwegs ist, sieht die dort angeschraubten Kisten meist leer. Deutet dies auf Desinteresse hin oder darauf, dass abgelegte Flaschen rasch Abnehmer finden? Trias-Geschäftsführer Silvio Schelinski sagt, man könne und wolle die Behälter natürlich nicht überwachen, in Befragungen hätten Flaschensammler und Passanten aber geantwortet, dass die Methode „gut angenommen wird“.

Allerdings erwiesen sich normale Getränkekästen nicht als ideal, es gab Vandalismusschäden. Schelinski glaubt nicht an mutwillige Zerstörung – vielmehr nimmt er an, dass es jemand auf das Kistenpfand abgesehen hatte. Diese Versuchung wird nun ausgeschlossen: Für den Hardenbergplatz haben Zuwendungsempfänger, die von Trias und dem Jobcenter betreut werden, regalähnliche Stahlgitterbehälter konstruiert. Auch in den zwei Parks will man die Kästen durch diese Modelle ersetzen.

Darüber hinaus startet in Spandau in drei Wochen das nächste Modellprojekt: Dort werden Pfandboxen zwischen der Altstadt und dem S-Bahnhof installiert.

Flaschen-Massen bei der Fußball-WM 2006 lösten den Trend mit aus

In Charlottenburg-Wilmersdorf spricht Sozialstadtrat Carsten Engelmann (CDU) von humanitärer Hilfe, man wolle das Flaschensammeln „menschenwürdiger gestalten“. Es handele sich dabei um „ein sichtbares Bild der neuen Armut in unserem Land, die Schere zwischen Arm und Reich wird größer“. Sebastian J. Moser, Soziologe und Autor eines Sachbuchs zum Thema, sieht übrigens die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 als Mitursache dafür, dass Flaschensammler heute zum alltäglichen Stadtbild gehören: Während der WM habe erstmals „die Masse an Pfandflaschen die Leute begreifen lassen, dass damit Geld zu machen ist“. Es gibt auch andere Initiativen für die Sammler.

Es gibt auch einen Abholdienst

Seit Jahren werden beispielsweise in Friedrichshain-Kreuzberg und Pankow häufig Getränkekästen in der Mitte zersägt und mit Kabelbindern an Laternen befestigt. Diese Konstruktionen stammen von Unterstützern der bundesweiten Initiative „Pfand gehört daneben“, die ihre Wurzeln in Berlin hat. Außerdem besteht seit Mitte des Jahres 2011 ein Gratis-Abholservice: Wer keine Lust oder Zeit hat, leere Flaschen aus dem Haus zu bringen, findet auf dem Internetportal www.pfandgeben.de die Telefonnummern vieler Flaschensammler, die ihre Dienste unter Pseudonymen wie „Pfandkönig“ oder „Flaschenretter“ anbieten.

Dieses Portal betreibt ehrenamtlich der Berliner Grafikdesigner Jonas Kakoschke. Deutschlandweit stünden rund 2000 Sammler im Verzeichnis, sagt er, davon rund 550 in Berlin. Dabei gehe es gar nicht nur ums Pfandgeld, sondern auch um menschliche Kontakte.

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