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Pfingsten in Berlin: Lasst den Geist fliegen

Auf der Suche nach dem Pfingstwunder: Vier Orte zum Fest in Mitte, Friedrichshain und Potsdam.

Pfingsten, das sind die Tage der frühlingshaften Wunder, denen auch Atheisten etwas abgewinnen können. Die Natur erwacht, der Himmel öffnet sich, ergießt seinen Segen. Ob Sonne oder – wie für heute angekündigt – Regen: Beides spendet Leben. Abseits des rummeligen Karnevalstrubels haben wir einige Pfingst-Orte gefunden, die sich für pfingstliche Offenbarungen und zur spirituellen Einkehr besonders empfehlen.

FLATTERHAFTES IM DOM

Die Pfingst-Taube in der Kuppel des Berliner Doms.
Die Pfingst-Taube in der Kuppel des Berliner Doms.

© Maren Glockner/Berliner Dom

Zwei sehr verschiedene Pfingst-Tauben flattern durch den Dom. Die erste, ein Prachtvieh im Sonnenkranz, sieht jeder, der zur Kuppel in die Höhe blickt. Die andere schwebt schemenhaft in der Trauungs- und Taufkapelle auf dem Gemälde „Ausgießung des Heiligen Geistes“ über 13 Männern und einer Frau. Der weiße Vogel symbolisiert für christliche Künstler jenen göttlichen Lebensstrom, der 50 Tage nach Ostern (50 = pentekoste = Pfingsten) aus ratlosen Jüngern Jesu Glaubensboten machte. Das ist das Thema des Festes; gefeiert wird auch die inspirierte Gemeinschaft von Menschen aus allen Kulturen, die daraus entstanden ist.

Der Name des Doms lautet eigentlich „Von der Heiligen Dreifaltigkeit“ – sogar diese kirchliche Lehre vom Heiligen Geist als einer göttlichen Person steckt im Power-Paket der Pfingst-Theologie. Doch auf dem Bild in der Kapelle ist von Power-Missionaren oder von Flammenzungen, wie sie in der biblischen Pfingst-Story geschildert werden, nichts zu sehen. 1820 hat Carl Begas seine Interpretation der Szene, in der die Mutter Jesu betend mit den Aposteln versammelt war, für den Vorgängerbau des heutigen Doms geschaffen. Hinten öffnet sich eine helle Tür zum Dunkel des Mysteriums. Auf moderne Betrachter wirken die Beter davor mit ihren rollenden oder geschlossenen Augen, mit gefalteten oder ringenden Händen, eher seltsam. Ein verkrümmter Außenseiter mitten in dieser ergriffenen Gruppe klagt sich selbst an, wird von der meditativen Explosion fast zerrissen: Begas malt, wie es vielleicht Judas, dem Verräter, in diesem Kreis ergangen wäre.

Berliner Dom, täglich 9 bis 20 Uhr.

EIN ALTES STÜCK BERLIN

Die Heilig-Geist-Kapelle an der Spandauer Straße.
Die Heilig-Geist-Kapelle an der Spandauer Straße.

© Stefan Müller

Das wunderbare gotische Sternrippengewölbe der Heilig-Geist-Kapelle an der Spandauer Straße wird getragen von zwölf figürlichen Terrakotta-Konsolen. Eine der Figuren zeigt den Schmerzensmann Christus, was zur Funktion des Kirchenraumes gepasst haben mag, der um 1300 für Kranke und Pfleger des Heilig-Geist-Spitals nebenan errichtet worden war. Eine andere Figur zeigt Gottvater mit Papstkrone und Weltkugel, eine weitere den Patron des Hauses, den Heiligen Geist als Taube – und zwar mit Heiligenschein. Ihm, dem man als „Lebendigmacher“ und Spender aller Geistesgaben besonders den Ansporn zur Nächstenliebe und den damit verbundenen Werken der Barmherzigkeit zutraute, wurden im Mittelalter häufig Spitäler, Siechenhäuser und Hospize geweiht. Viele Weltuntergänge hat diese Kapelle als eines der ältesten Gebäude Berlins ziemlich unversehrt überstanden; der Dachstuhl stammt von 1476, das Sternrippengewölbe ist von 1520. Den bereits geplanten Abbruch der damals viertletzten mittelalterlichen Kirche Berlins hatte um 1904 eine empörte Fachöffentlichkeit verhindern können. Angesichts seiner Lage drei Minuten vom Alexanderplatz ist das säkularisierte Gotteshaus seit einer aufwändigen, im Jahr 2005 abgeschlossenen Restaurierung immer noch weitgehend unbekannt. Es dient der Humboldt-Universität als Festsaal.

Heilig-Geist-Kapelle, Spandauer Straße 1, Mitte, Besichtigung nach Anmeldung bei Barbara Wöß, Telefon 2093-5674, E-Mail woess@wiwi.hu-berlin.de

PFINGSTROSEN UND PUNKS

Steinerne Pfingstrosen neben Engelsfiguren an der Pfingstkirche in Friedrichshain.
Steinerne Pfingstrosen neben Engelsfiguren an der Pfingstkirche in Friedrichshain.

© Angela M. Arnold

Die Pfingstkirche in Friedrichshain ist an ihren Namen irgendwie gekommen. Wer vom Petersburger Platz auf das neugotische Backstein-Netzwerk der in die Häuserzeile eingerückten Fassade blickt, kann architektonische Verbindungen zu der Benennung schwer entdecken, höchstens steinerne Pfingstrosen neben den Engeln an den Portalsäulen. Gegründet wurde die Pfarrei 1906, als die Arbeiterviertel expandierten, aufgrund einer Teilung der benachbarten Auferstehungs-Gemeinde: Ostern und Pfingsten, das passt – mehr steckte nicht dahinter. Der 70-Meter-Turm ist heute eingerüstet wegen Sanierungsbedarf: Was als Hinweis auf das Wirken des Heiligen Geistes zu verstehen wäre, der seine Kirche immer wieder erneuert. Hundertjährige Fresken, die Apostel Peter und Paul, sind im Innenraum links und rechts des Altars zu erkennen, über dem ein riesiges Holzkreuz hängt. Der letzte Weltkrieg hat den Kirchenraum verkürzt: Seitdem fehlt die einstige Apsis. Links im Seitenschiff lädt ein Plakat „Einheimische und Flüchtende“ ins monatliche Begegnungscafé. Hinter Stellwänden liegen auf Regalen Kleiderspenden für die Flüchtlingsquartiere im Kiez.

Mit der Pfingstbotschaft, in der das Überwinden von Sprachbarrieren und Scheuklappen eine Rolle spielt, hatte vielleicht auch eine frühere Gemeindephase in DDR-Jahren zu tun: als zwischen 1979 und 1983 offene Jugendarbeit für Punks in den Pfarreiräumen stattfinden durfte.

Pfingstkirche, Petersburger Platz 5, Friedrichshain, Gottesdienst mit Taufe am Sonntag um 10 Uhr, anschließend Café.

MAJESTÄTISCHE AUSSICHT

Belvedere auf dem Pfingstberg bei Potsdam
Belvedere auf dem Pfingstberg bei Potsdam

© Katja Hube/SPSG

Der Pfingstberg bei Potsdam hat einst Eichberg geheißen. Wegen des Jüdischen Friedhofs am Südhang nannte man ihn ab 1743 Judenberg. Als Friedrich Wilhelm III. das Grundstück mit Schinkel-Pavillon 1817 kaufte, bekam die waldige Erhebung den heutigen Namen. Angeblich war hier Königin Luise Pfingsten 1804 bei dem Vorbesitzer zum Essen eingekehrt, weshalb sie (oder später ihr Witwer oder dessen Visite zu Pfingsten 1817) den Umbenennungs-Ausschlag gab. Der Hügel, auf dem dann Friedrich Wilhelm IV. ab 1847 eine zweitürmige Aussichtsanlage im Stil einer Renaissance-Villa errichten ließ, ist einfach ein schöner Ausflugsort.

Wer derzeit zwischen Flieder, Kastanienkerzen und Vogelkonzert zum Belvedere hochstapft, ahnt, warum Goethes blasse Formulierung „Pfingsten, das liebliche Fest“ zum geflügelten Wort werden konnte. Im efeuumsäumten Hof glänzt ein grüner Teich. An der ersten Balustrade posieren bronzene Flügelpferde. Über Wendeltreppen gelangt man aufs Turmplateau, zur lieblichen Klarsicht ins Saftige und Weite. Es grüßen: Funkturm, Grunewaldturm, Steglitzer Kreisel, Windräder, Nikolaikirche, Flatowturm. Hinterm Baumkronenteppich locken der Jungfern-, der Heilige, der Fahrländer See. Falls die Lieblichkeit wetterbedingt flachfällt, heißt der Berg trotzdem weiter so – zumal er den Pfingst-Psalm „Das Angesicht der Erde wird neu“ illustriert: ein Paradies-Panorama von der Erschaffung der Welt.

Pfingstberg bei Potsdam, Belvedere geöffnet täglich 10 bis 18 Uhr

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