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Woher, wohin? Eine einfache Idee, den Pendlern das Leben zu erleichtern, schmetterte R2G gerade ab.

© dpa

Pendlerverkehr in Berlin: Im S-Bahn-Bremserhäuschen sitzt R2G

Andere Tarifzonen für die S-Bahn wären extrem hilfreich, um die Situation der Pendler zu verbessern. Das koste aber Geld, blockt der Senat ab. Als wäre das dort nicht gut investiert! Ein Kommentar

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

An jedem Werktag pendeln 270 000 Menschen zwischen Berlin und Brandenburg, zwischen Wohnort und Arbeitsplatz. Wenn man bedenkt, dass bis zum 9. November 1989 die Pendlerfrequenz praktisch bei null lag, gewinnt man eine Vorstellung von der Dimension der Herausforderung an die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Nahverkehrs. Neue Bahnlinien wurden in den seit dem Mauerfall vergangenen 28 Jahren nicht gebaut, nur die durch die Sperranlagen blockierten Strecken wieder durchgängig gemacht. Dass das vorhandene Schienennetz vorne und hinten nicht reicht, spürt jeder, der die S-Bahn zu Hauptverkehrszeiten nutzt. Und dann gibt es noch dieses vorsintflutliche, sich an den Landesgrenzen zwischen Berlin und Brandenburg orientierende Tarifsystem, das den Eindruck erweckt, das Diesseits und das Jenseits seien getrennte Welten.

Dass man sich in Berlin im Tarifbereich AB bewegt, beim Überfahren der Landesgrenzen aber ein Ticket ABC braucht, hat geradezu abenteuerliche Folgen. Am häufigsten werden damit Touristen konfrontiert, die aus Berlin zum Flughafen Schönefeld mit der S-Bahn fahren und gar nicht auf die Idee kommen, dass ein Berliner Flughafen mit jährlich mehreren Millionen Passagieren nicht in der städtischen Tarifzone liegt – für Fahrkartenkontrolleure sind diese armen Unwissenden das gefundene Fressen.

Auf anderen S-Bahn-Linien ist die Konsequenz, dass die Pendler aus Brandenburg mit dem Auto bis zum ersten Berliner S-Bahnhof fahren, weil die Fahrt von dort eben billiger ist. Wannsee, Lichterfelde-Süd, Lichtenrade, Grünau, Wilhelmshagen, Buch, Frohnau, Hermsdorf, Heiligensee – das sind einige Berliner Kieze, deren Einwohner bei der Betrachtung Brandenburger Autokennzeichen wenig nachbarschaftliche Gefühle bekommen. Die kann man ihnen so wenig verdenken wie Umlandbewohnern den Versuch, Fahrtkosten zu sparen.

Die Berliner CDU hatte jetzt im Verkehrsausschuss des Abgeordnetenhauses den Versuch gewagt, eine Problemlösung vorzuschlagen: Man solle doch die Tarifzone so nach Brandenburg ausweiten, dass die Pendler dort auf Park-and-Ride-Parkplätzen ihre Autos abstellen, wo deutlich mehr Platz als in Berlins Vororten ist. Bislang nämlich lohnt sich für die Gemeinden im Speckgürtel der Bau zusätzlicher Parkplätze an den S-Bahnhöfen schon deshalb nicht, weil dadurch der höhere Fahrpreis ja nicht verschwindet.

Die Pläne von R2G für die Umlandanbindung sind höchst wolkig

Den CDU-Vorschlag lehnten nicht nur die R2G-Abgeordneten, sondern auch alle anderen Oppositionsvertreter ab: Man würde das Problem so nur verschieben. Die Senatsverkehrsverwaltung steuerte dann noch die Information bei, es käme für die S-Bahn zu Einnahmeverlusten zwischen zwölf und 25 Millionen Euro im Jahr, die entweder über höhere Tarife oder höhere Zuschüsse ausgeglichen werden müssten.

Dem Reinickendorfer CDU-Bundestagsabgeordneten Frank Steffel war die Blockade des Unions-Vorstoßes im Verkehrsausschuss Anlass, dem Senat wieder einmal vorzuwerfen, er lasse die Menschen in den Außenbezirken im Stich. Tatsächlich spielt das Thema ÖPNV im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag eine deutlich geringere Rolle als zum Beispiel der Radverkehr. Der Neubau von S-Bahn-Linien, nicht nur ins Umland, bleibt ein eher wolkiges Projekt. Der Bau eines zweiten Gleises zwischen Schönholz und Tegel wird vermutlich gegen 2035 fertig sein. Wann so etwas zwischen Heiligensee und Hennigsdorf oder zwischen Frohnau und Oranienburg geschieht, liegt außerhalb dieses Zeithorizonts. Von der Wiedererweckung der Heidekrautbahn zwischen Wilhelmsruh und Mühlenbeck, Schildow und Blankenfelde reden wir da noch gar nicht, und auch die Wiederinbetriebnahme der S-Bahn von Spandau ins Havelland oder der Stammbahn von Potsdam über Kleinmachnow und Zehlendorf ins Zentrum steht noch auf der Wunschliste von Bürgerinnen und Bürgern, die nichts als den nachvollziehbaren Wunsch haben, der Senat solle nicht so viel Sprüche machen, sondern endlich handeln.

Dass man von der Bahn nicht verlangen kann, kostenträchtige Wünsche zu erfüllen, ohne dass dem erwartbare Einnahmen oder höhere Zuschüsse der Träger des Verkehrsverbundes gegenüberstehen, ist klar. Wenn also die Vergrößerung der Tarifzone B tatsächlich jährlich zwischen zwölf und 25 Millionen Euro kostet – wären die hier angesichts der komfortablen Haushaltslage des Landes Berlin nicht gut im Interesse der Berlinerinnen und Berliner in den Randbezirken investiert?

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