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Patti Smith gibt zusammen mit Tony Shanahan ein Akustik-Konzert in der ausverkauften Gethsemanekirche in Prenzlauer Berg.

© Thilo Rückeis

Patti Smith in Berlin: Die „Godmother of Punk“ findet zurück zur Kirche

Sie liest, spielt, singt: Unter dem Titel „Mauern sollen einstürzen“ trat Punk-Legende Patti Smith in der Gethsemanekirche in Prenzlauer Berg auf.

Dass Menschen in langen Schlangen irgendwo anstehen, ist in Berlin ja nichts Ungewöhnliches. Dass sie vor einer Kirche anstehen, schon eher. Und so bot sich am Dienstagabend ein ungewöhnliches Bild, als an die Hundert Menschen vor der Gethsemanekirche in Prenzlauer Berg standen und – in vielen Fällen wohl vergeblich – darauf hofften, doch noch eine Karte für das Konzert von Patti Smith und Tony Shanahan zu bekommen. Ein Radiosender hatte fälschlicherweise behauptet, es gebe noch Restkarten für den seit Wochen ausverkauften Gig.

Die beiden Musiker hatten am Abend zuvor schon ein Konzert im Pierre Boulez Saal gespielt, ebenfalls restlos ausverkauft. Der Abend stand unter dem Motto „Erinnerung“ und Smith erinnerte sich vor allem an ihren verstorbenen Wegbegleiter und ehemaligen Geliebten Robert Mapplethorp.

Der Konzertabend in der Gethsemanekirche – im Rahmen der Festwoche zum Mauerfalljubiläum – ist mit „Mauern sollen einstürzen“ betitelt und hatte ein völlig eigenes, extra auf den Anlass zusammengestelltes Akustik-Programm versprochen – was nur teilweise stimmt, es gibt zumindest beim Programm doch größere Überschneidungen der beiden Konzertabende.

Patti liest, spielt Gitarre, singt. Auch, nicht nur zur Freude des Publikums, sonders augenscheinlich zu ihrer eigenen, ihre großen Hits wie „Dancing Barefoot“ und „Because the Night“. Dazu gibt es Erinnerungen an verstorbene Freunde und Cover von Lou Reed und Neil Young.

Das Besondere am Mauerfall-Abend ist der Ort. Vielmehr: das Zusammenspiel von Künstlerin und Ort. Patti Smith, die Musikerin, die selten ohne religiöse Zuschreibungen wie „Godmother of Punk“ oder „Ikone“ daherkommt. Die sich als Teenagerin, aufgewachsen in einem sehr religiösen Umfeld, von der christlichen Kirche abwandte und die ihre erste Platte mit den Worten „Jesus died for someone’s sins, but not mine“ („Jesus ist nicht für meine Sünden gestorben“) beginnen ließ.

Gethsemanekirche: Sinnbild für Opposition und Subkulturen in der DDR

Und die Gethsemanekirche, ein wichtiger Ort in der Geschichte der Friedlichen Revolution, Sinnbild für Opposition und jugendliche Subkulturen in der DDR: Hier trafen sich Ende der 80er Jahre Oppositionelle und Punks, auch ganz ohne religiösen Hintergrund, um sich dem unterdrückenden Regime zu widersetzen.

Der Konzertabend in der Gethsemanekirche ist mit „Mauern sollen einstürzen“ betitelt.
Der Konzertabend in der Gethsemanekirche ist mit „Mauern sollen einstürzen“ betitelt.

© Thilo Rückeis

Tatsächlich steht Patti Smith wie kaum eine andere Künstlerin für Freiheit, dafür, Grenzen einzureißen, egal ob künstlerisch oder gesellschaftlich. Patti Smiths Kunst kennt keine Rassen, keine Genres, keine Geschlechter. 

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Und sie ist für ihr politisches und auch mit Berlin verknüpftes Engagement bekannt. 2015 protestierte sie zum Beispiel zusammen mit dem damaligen designierten Volksbühnen-Intendanten Chris Dercon für die Freilassung des chinesischen Künstlers Ai-Weiwei und des saudi-arabischen Bloggers Raif Badawi.

Mitte der Nuller Jahre begleitete Smith mit ihrer Polaroid-Kamera ihren engen Freund Christoph Schlingensief bei den Dreharbeiten zu seinem Film „African Twin Towers“ und engagierte sich auch für das in den Folgejahren entstandene Projekt Operndorf Afrika in Burkina Faso.

Auch Klaus Lederer, der Schirmherr der Feierlichkeiten zum Mauerfalljubiläum, begründet die Einladung von Patti Smith gegenüber dem Tagesspiegel mit diesem Engagement und ihrer Bedeutung für den Punk: „Dass es eine aktive Punkszene in der DDR gab, ist ja bekannt“, teilt er mit. „Die Punks suchten in ihrer Subkultur ihr persönliches Stück Freiheit, waren ein wichtiger Teil der Jugendopposition. Wir haben die legendäre Sängerin eingeladen als Punk-Pionierin, die sie war und bis heute ist. Und als Zeitzeugin, Aktivistin, Musikerin und preisgekrönte Dichterin, die auch heute Haltung zeigt und Mut macht.“

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