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Ich bin ein Berliner. Der gebürtige US-Amerikaner Dan Reynolds mit der Büste von John F. Kennedy im Museum der Dinge.

© Thilo Rückeis

Patenschaftsmodell in Kreuzberger Museum: Das ist echt ein Ding

Im „Museum der Dinge“ kann man Patenschaften für viele Exponate übernehmen – und auch selbst Objekte spenden.

Genau 32 Zentimeter hoch und 20 Zentimeter breit ist der bronzefarben schimmernde Kennedy-Kopf aus lackiertem Gips, der eine der Vitrinen im „Werkbundarchiv – Museum der Dinge“ in Kreuzberg ziert. Pate für die Büste des ehemaligen amerikanischen Präsidenten ist dessen Landsmann Dan Reynolds, den die Liebe 2009 aus den USA nach Deutschland verschlagen hat. Als ein Geburtstagsgeschenk seiner Freunde begann damals die Pflegschaft, die er seitdem jährlich verlängert hat. „Als Amerikaner wird man in Berlin ständig mit dem berühmten Zitat von Kennedy konfrontiert. Meine Freunde wollten mir damit wohl sagen, dass auch ich jetzt ein Berliner bin“, sagt er. Pate zu werden für ein Ding im Museum der Dinge, das ist echt ein Ding.

„Einige Menschen übernehmen Patenschaften für unsere Ausstellungsstücke, weil sie ein Stück ihrer Kindheitsgeschichte ausmachen, andere einfach um das Museum ehrenamtlich zu unterstützen“, sagt Renate Flagmeier, die leitende Kuratorin.

Für rund 200 Alltagsgegenstände aus der Produkt- und Warenkultur des 20. und 21. Jahrhunderts, die das Kernthema der Ausstellungsräume bilden, können derzeit Pflegeurkunden erworben werden. Familie, Einzelperson oder Firmen können solche Patenschaften übernehmen.

Daneben dienen Dingpflegschaften nicht selten als Präsent zum Geburtstag oder zu anderen Anlässen. „Bevor man etwas verschenkt, das in der Vitrine im eigenen Wohnzimmer verstaubt, ist die Dingpatenschaft eine schöne Alternative geworden“, erzählt Flagmeier. Selbst den Putzlappen schwingen müsse man als Pate nämlich nicht.

40 bis 500 Euro pro Jahr für Säuberungen und Restaurationen

Die Patenschaft beinhaltet die Zahlung eines Jahresbeitrages zwischen 40 und 500 Euro, der von den Mitarbeitern des Museums jeweils individuell eingeschätzt wird. Mit dem Geld werden die professionelle Reinigung sowie eventuell anfallende Restaurationen bezahlt. Der Pate selbst kann sein Objekt jederzeit mit freiem Eintritt besuchen oder sich die weißen Kuratorenhandschuhe überstreifen und es für ein Foto auch mal aus der Vitrine holen. Einige davon werden auch auf der Internetseite des Museums veröffentlicht.

Neben John F. Kennedys Büste hat das Museum bereits für weitere 120 Gegenstände Paten gefunden. Seit nunmehr elf Jahren können hier Dingpflegschaften übernommen werden. Die Beweggründe der Interessenten sind dabei ganz unterschiedlich. Während es für Dan Reynolds ein Stück Heimatgeschichte ist und er regelmäßig das Museum besucht, hat Susanne Hempel eine eher professionelle Beziehung zu ihrem Ding. Ihre Spende kommt der Pflege einer Kunststoffhand aus den 1970er Jahren zugute, die zu einer Schaufensterpuppe gehört. Und über solche Puppen forscht Hempel auch beruflich.

Einmal im Jahr treffen sich die Unterstützer

Ein Höhepunkt ist der jährliche Erfahrungsaustausch mit anderen Paten in der Weihnachtszeit. Um die persönliche Beziehung zu den Unterstützern des Museums zu pflegen, gibt es Gespräche bei Kaffee und Kuchen und gemeinsame Rundgänge. „An diesem Tag erweitert sich auch regelmäßig das Repertoire der Dingpflegschaften, weil sich Interessenten aus dem gesamten Ausstellungsbereich Gegenstände aussuchen können, für die sie die Fürsorge übernehmen möchten“, sagt Flagmeier.

Dabei geht es vor allem um Produkte rund um den Deutschen Werkbund. Diese Reformbewegung, die sich 1907 in München gegründet hatte, wollte eine Verbindung zwischen Industrie, Kunst und Politik schaffen. „Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts waren in Deutschland produzierte Produkte als billig und schlecht in Verruf geraten. Die Mitglieder der Interessengruppe wurden zu einer Art Kritiker, die die Aufmachung und Qualität der Produkte in gut und schlecht kategorisiert haben. Ziel war es, die Menschen mehr für geschmackvolle Gestaltung zu sensibilisieren“, erzählt Flagmeier.

Das Museum der Dinge versteht sich als Lern- und Arbeitsplattform, die über den Charakter der Gegenstände sowie die Art ihrer Präsentation und Vermittlung vor allem Schülern, Studenten und anderen Auszubildenden einen besonderen Zugang zur Produktkultur des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart vermitteln will.

Der Aufbau der Vitrinen wirkt deshalb wie eine Designstudie. Schlichte Gestaltung von Alltagsgegenständen trifft auf Kitsch, Markenprodukte sind unmittelbar neben Fälschungen platziert und mittendrin steht die Vitrine mit den Gegenständen der bereits existierenden Dingpatenschaften – an denen die Namen der Spender veröffentlicht sind. Da sind also alle guter Dinge.

Das Museum der Dinge, Oranienstraße 25 in Kreuzberg, hat donnerstags bis montags von 12 Uhr bis 19 Uhr geöffnet. Wer Dingpate werden möchte, kann dort die Mitarbeiter ansprechen oder eine E-Mail an Stefan Barth senden: barth@museumderdinge.de.
Um Gegenstände abzugeben, kann man in die „Dingsprechstunde“ gehen. Dabei begutachtet und bewertet die Expertin Heide Rezepa-Zabel potenzielle Exponate (nach Anmeldung per E-Mail an info@design20.eu). Die nächste Sprechstunde findet am 8. September statt, weitere Termine folgen am 10. November und 8. Dezember (jeweils um 13 Uhr).

Julia Sergon

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