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Jünger als es aussieht - rekonstruierte Schloss-Fassaden des Humboldtforums.

© Kitty Heinrich

Patchwork für 677 Millionen Euro: Das Humboldt-Forum ist eröffnet – was das Schloss Berlin bringt

Das Humboldt-Forum wurde übergeben und öffnet wegen Corona nur digital. Dem Bauherr ist's recht, nicht alles ist fertig.

Corona ist schuld – aber richtig böse darüber werden Bauherr, Politiker und Intendanten wohl nicht sein, dass das Schloss – pardon: das Humboldt-Forum – zunächst nur digital zu besichtigen ist. Denn diese städtebauliche Not-OP am Herzen Berlins glückte nicht wirklich, schon gar nicht im verabredeten Rahmen. 

Die Eröffnung, auch ohne Pandemie wäre sie nur scheibchenweise erfolgt, nur ein erster kleiner Teil wäre jetzt zugänglich gewesen. An diesem Mittwoch wurde der Bau übergeben, seit 19 Uhr gibt es auf humboldtforum.de digitale Einblicke.

Selbstredend kostet das architektonische Patchwork mehr als geplant: Wobei das fast schon zum guten Ton in Berlin gehört unter Managern von Großprojekten. 677 Millionen Euro – dafür gibt es Unvollendetes und Experimentelles dazu. Das muss nichts Schlechtes sein. 

Die Kollegen der „Süddeutschen Zeitung“ meinten gar, darin die Chancen des Schlosses zu erkennen, weil Berlins Bestes immer schon aus Provisorien hervorging. Aber schwingt da nicht auch ein wenig Neid mit, weil der Bund mit seinem Geld einmal mehr Berlin pflastert – und nicht das ferne Land im Süden der Republik?

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Nun, die Chance des Humboldt-Forums besteht darin, dass es ist, wie es ist und wofür es gescholten wird: Gewaltig, monumental, ein wuchtiger Block. Ob die barocke Kulisse leblos bleibt und nur repräsentiert, was einmal war – Episoden einer aristokratischen Herrschaft – oder ein neues Berliner Quartier wird? 

Damit steht und fällt der Erfolg dieses Notbehelfs. Kurzum, es hängt von der „Bespielung“ des Hauses ab, von Restaurants und Cafés, Empfängen, Soireen und Clubabenden, von den Ausstellungen, Galas und Partys – von all dem, was Berlin besonders gut kann und in Zeiten wie diesen nicht darf.

Wohlfeil wäre es auch, diese städtebauliche Lösung zu zerreißen. Als letzter Ratschluss folgte dieser auf zwei internationale Wettbewerbe zur Gestaltung des Nullpunkt, die überwiegend kraftlose oder bloß exzentrische Entwürfe namhafter Architekten aus aller Welt hervorbrachte, allesamt ungeeignet.

Das liegt daran, dass viele der Museen und Palais im Umfeld sich auf die drei barocken Fassaden des Schlosses ausrichten. Das bildet eine kraftvolle Formation, die sogar nach der Sprengung des Schlosses noch wirkte. Moderne Baumeister fanden keinen überzeugenen Ersatz. 

Dass sich einer fand, der deshalb die Rekonstruktion vorschlug und zum Lohn dafür die vierte Fassade gestalten durfte, soll dem Wirken des einst mächtigen Berliner Baudirektors Hans Stimmann zu verdanken sein. Schade nur, dass Franco Stellas Fassade der kurzlebigen architektonischen Mode, einer „kritischen Rekonstruktion“, verpflichtet ist – sie ist veraltet, noch bevor das Haus richtig offen ist.

Auch weil das Humboldt-Forum stets umstritten blieb, war dessen Bau ein Kraftakt. Gegen alle Erwartungen spendeten zigtausende Menschen Millionen für Putten und Kartuschen. 

Diese Kunstwerke brachte die Schlossbauhütte hervor, deren Chef kurz vor der Fertigstellung starb. Tragische und glückliche Momente begleiteten die Bauzeit, die Tagesspiegel-Fotochefin Kitty Kleist-Heinrich seit Baubeginn im Jahr 2013 festhielt – auch für ihren Bildband „Das neue Berliner Schloss“.

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