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Michael Müller, Regierender Bürgermeister von Berlin, stimmt beim Landesparteitag der SPD Berlin im Jahr 2019 mit ab. 

© dpa

Parteitag im Corona-Hotspot: Die Berliner SPD verhält sich überhaupt nicht vorbildhaft

Berlins SPD will ihren Wahl-Parteitag in Neukölln mit knapp 300 Teilnehmern am Samstag nicht verschieben. Sie spricht mit doppelter Zunge. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ulrich Zawatka-Gerlach

Mit neuen Gesichtern, und vielleicht sogar mit einer neuen Politik will die Berliner SPD im nächsten Jahr in den Wahlkampf ziehen, um das Rote Rathaus für sich zu behaupten. Die künftige Landeschefin und Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten, Franziska Giffey, soll gemeinsam mit dem SPD-Fraktionschef Raed Saleh für diesen Neuanfang stehen.

Das kann aber nur dann funktionieren, wenn die Bundesfamilienministerin für sich und ihre Partei Vertrauen schafft, auch in außergewöhnlichen Situationen. Die Corona-Pandemie ist eine solche Notlage, und da müssen Politiker in verantwortlichen Positionen nicht nur kluge Vorschläge machen, sondern auch Vorbild sein.

Dazu gehört auch, sich genau zu überlegen, ob und unter welchen Voraussetzungen es in diesen Tagen noch opportun ist, Parteitage mit über 300 Teilnehmern - das ergibt sich aus den 278 Delegierten plus Technikern, Journalisten und weiteren - stattfinden zu lassen. Die Bundes-CDU und mehrere Landesverbände der SPD haben bereits eine schwere Entscheidung getroffen - sie verschieben ihre Kongresse.

Auch bei anderen Parteien gibt es solche Überlegungen, aber die Berliner Sozialdemokraten bestehen auf ihrem Recht, trotz explosiv steigender Coronazahlen und neuen Kontaktbeschränkungen, die alle Bürger treffen, am Wochenende ausgerechnet im Hotspot Neukölln eine Großveranstaltung abzuhalten.

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Dafür lassen sich natürlich Gründe finden: Die SPD will den personellen Wachwechsel endlich vollziehen, der im Mai schon einmal verschoben wurde. Demokratiepolitisch gesehen ist es auch durchaus problematisch, wenn Parteitage ausfallen - zudem ist der Wahlparteitag so organisiert, dass er den aktuellen Hygieneregeln entspricht.

Müller und Saleh sind sonst strenge Hüter der Corona-Regeln

Trotzdem ist es nicht in Ordnung. Nicht nur der Berliner Regierungs- und noch amtierende SPD-Landeschef Michael Müller, sondern auch der SPD-Fraktionsvorsitzende und künftige Ko-Parteichef Raed Saleh gehören seit Monaten zu den besonders strengen Hütern der behördlichen Covid-19-Vorschriften. Sie mahnen und reglementieren, nur wenn es um die eigene Sache geht, sind sie nun ausnahmsweise großzügig.

Die Bürger werden es sich merken, dass die SPD in dieser für alle so stressigen und strittigen Ausnahmesituation ausgerechnet die Partei, die den Regierenden Bürgermeister stellt, mit doppelter Zunge spricht und überhaupt nicht vorbildhaft handelt. Die SPD sollte noch einmal darüber nachdenken.

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