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Michael Müller spricht beim SPD-Parteitag in Berlin.

© imago/Stefan Zeitz

Parteitag der Berliner Sozialdemokraten: SPD lobt Hausbesetzer - und will "Dirty Diaries" fördern

SPD zeigt Verständnis für „zivilen Ungehorsam“, unterstützt Proteste des Bündnisses gegen Rechts und will "feministische Pornos" als Sexualbildungsfilme fördern. Das sind die Beschlüsse des Parteitags.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Zwei Wochen nach der Besetzung von leer stehenden Häusern in Berlin äußert die Berliner SPD großes Verständnis für diese Aktion. „Es war der größte organisierte zivile Ungehorsam gegen Verdrängung und Spekulation seit vielen Jahren“, beschloss der SPD-Landesparteitag am Sonnabend. „Die Besetzer wollten mit ihrer Aktion auf die dramatische Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt aufmerksam machen.“

Spekulativer Leerstand, die Umwandlung in Eigentumswohnungen oder Scheinsanierungen auf Kosten der Mieter zeigten, „dass die Politik viel zu lange eine wachsende Stadt gefeiert hat, ohne die richtigen Weichen zu stellen“. Die Sozialdemokraten betonen: „Die Kritik der Besetzer an der aktuellen Situation auf dem Wohnungsmarkt teilen wir.“ Leerstand aus Spekulationsgründen sei ein Skandal. Heute herrsche große Einigkeit, dass insbesondere der Westteil Berlins ohne die Hausbesetzerbewegung der 80er Jahre anders aussehen würde.

Solidarisches Grundeinkommen

Quasi in letzter Minute hat sich der SPD-Landesparteitag am Sonnabend mit dem Vorschlag des Berliner Parteichefs Michael Müller befasst, ein solidarisches Grundeinkommen einzuführen. Kurz vor Schluss der Veranstaltung stellte der Juso-Bundeschef Kevin Kühnert einen Antrag der Berliner Jungsozialisten zur Diskussion, der die bundesweit beachtete Initiative Müllers grundsätzlich unterstützt.

Es gehe darum, Langzeitarbeitslosen statt des Hartz-IV-Bezuges auf Basis des Mindestlohns „einen Job anzubieten, bei dem sie unbefristet gesellschaftliche und kommunale Aufgaben übernehmen können“. Bestenfalls bei landeseigenen Unternehmen.

Der Antrag wurde nach kurzer Diskussion einstimmig beschlossen. Allerdings wird die Zustimmung zu Müllers Idee an bestimmte Forderungen geknüpft. So dürfe reguläre Beschäftigung nicht verdrängt und es müsse gründlich geprüft werden, welche Landesunternehmen solche öffentlich geförderten Stellen schaffen könnten.

Außerdem müsse das solidarische Grundeinkommen den Umstieg auf reguläre Erwerbsarbeit ermöglichen, die betreffenden Menschen müssten qualifiziert werden und die angebotene Arbeit dürfe nicht „völlig sinnlos“ sein. Ob und in welcher Form eine solche Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in Berlin oder sogar auf Bundesebene realisiert wird, ist bislang offen.

Bündnis gegen Rechts

Die SPD beschloss, die für den 17. Juni geplanten Protestaktionen des Berliner Bündnisses gegen Rechts zu unterstützen, die sich gegen den Aufmarsch der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ am selben Tag im Stadtzentrum richten. Man wolle auch mit eigenen Infoständen sichtbar sein. „Die SPD ist, war und bleibt eine antifaschistische Partei.“

Migranten

Jeder Ausländer, der in Deutschland geboren und aufgewachsen sei, müsse ausländerrechtlich als „Quasi-Inländer“ behandelt und dürfe nicht abgeschoben werden, beschloss der SPD-Parteitag. Das gelte auch dann, wenn ein in Deutschland aufgewachsener Jugendlicher straffällig geworden sei.

Außerdem setzen sich die Sozialdemokraten für den Nachzug pflegebedürftiger Eltern von Migranten ein, die sich in Deutschland integriert haben, entweder die deutsche Staatsbürgerschaft erworben haben oder seit mindestens 15 Jahren rechtmäßig in Deutschland lebten. Der Lebensunterhalt müsse aber gesichert sein und eine Krankenversicherung bestehen.

Gesundheit

Die Bezahlung von Ärzten im öffentlichen Gesundheitsdienst müsse an die durchschnittliche Vergütung von Fachärzten in Krankenhäusern angepasst werden, fordert die SPD. Die in Hamburg geltenden Regeln könnten Vorbild sein. Gefordert wird außerdem, nicht noch mehr Geburtskliniken in Berlin aus wirtschaftlichen Gründen zu schließen.

Die Sozialdemokraten setzen sich auch für eine Impfpflicht in Deutschland ein, und zwar für Tetanus und Diphtherie, Keuchhusten und Kinderlähmung, Hepatitis B, Masern, Mumps und Röteln sowie weitere Viruserkrankungen.

Dirty Diaries

Nach einer längeren, kontroversen Diskussion spricht sich die Berliner SPD dafür aus, für „feministische Pornos“ (Dirty Diaries) nach schwedischem Vorbild eine Filmförderung einzurichten. So könnten diese Pornos gebührenfrei, dauerhaft und niedrigschwellig verfügbar werden.

Diese Filme sollten als Sexualbildung über die Landes- und Bundeszentrale für politische Bildung, als geförderte Filme oder über die Online-Mediathek der öffentlich-rechtlichen Sender (mit amtlich überprüfter Altersfreigabe) angeboten werden.

Feiertag

Der Senat solle eine Gesetzesinitiative für einen zusätzlichen Feiertag im Land Berlin starten, beschloss die SPD. Hierbei solle es sich aber nicht um einen religiösen Feiertag, sondern um einen „geschichtlich bedeutsamen Tag“ handeln. Im Ländervergleich habe Berlin die meisten Arbeitstage, vier Feiertage weniger als Bayern. „Dies ist nicht nachvollziehbar.“ Ein konkreter Vorschlag wird aber nicht gemacht.

Gesichtserkennung

Die Sozialdemokraten setzen sich dafür ein, das Pilotprojekt für eine biometrische Gesichtserkennung am S-Bahnhof Südkreuz mit sofortiger Wirkung einzustellen. Zuständig dafür ist allerdings der Bund. Alle bisher gesammelten Daten müssten umgehend und unwiderruflich gelöscht werden.

Von vergleichbaren Projekten solle in Zukunft abgesehen werden, fordern die Sozialdemokraten. Denn es handele sich um einen völlig unangemessenen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Bürger, es gebe keine eindeutige Rechtslage, die dies rechtfertige. Zusätzlich bestehe durch die Erhebung und Speicherung der Daten ein „außerordentliches Missbrauchspotenzial“. Es drohe ein „ständiges Überwachtsein“ im öffentlichen Raum.

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