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Kai Wegner (CDU) wurde am Sonnabend, 19. Juni, von seinem Berliner Landesverband zum Spitzenkandidaten gewählt.

© Jörg Carstensen/dpa

Update

Parteichef Kai Wegner beim CDU-Parteitag in Berlin: „Wir wollen einen Wählerauftrag, die Grünen einen Erziehungsauftrag“

Kein „Genderzwang“ und die „konsequente Anwendung“ des Rechtsstaats: Wegner fordert einen Neustart nach fünf Jahren Rot-Rot-Grün und will Regierender Bürgermeister werden.

Von Sabine Beikler

Das erste Mal seit Beginn der Pandemie lud die Berliner CDU am Sonnabend zu einem Präsensparteitag mit mehr als 300 Delegierten ins Hotel Estrel ein. Der Parteitag befasste sich in mehrfacher Hinsicht mit Kai Wegner, der mit 92,7 Prozent zum Spitzenkandidaten gewählt wurde. Am Nachmittag wählten ihn 91,2 Prozent der Delegierten erneut zum Parteichef, sein Generalsekretär Stefan Evers bei den Wahlen zum Landesvorstand erhielt 92,5 Prozent. Zu Stellvertretern im Landesvorstand wurden wiedergewählt: Frank Balzer (77,7 Prozent), Falko Liecke (82,8 Prozent), Cerstin Richter-Kotowski (70,8 Prozent), Manja Schreiner (92 Prozent).

Der 48-jährige Wegner ist seit 2019 Landesvorsitzender der Berliner CDU, seit 2005 Bundestagsabgeordneter und Kreisvorsitzender. Er hielt als Landesvorsitzender eine Rede, wurde danach als Spitzenkandidat nominiert und am Nachmittag bei der Neuwahl des Landesvorstands mit 91,2 Prozent erneut zum CDU-Landesvorsitzenden gewählt. Die Delegierten verabschiedeten auch das Regierungsprogramm der Berliner CDU.

Zunächst sprach Generalsekretär Stefan Evers. Er kritisierte vor allem die Grünen in seiner Eröffnung. Die Grünen seien keine Klimapartei mehr, sondern "eine sozialistische Plattform mit Biosiegel." Und er wiederholte Wegners Worte, die er bei der Präsentation des Regierungsprogramms vor kurzem sagte: "Die AfD ist unser Feind." Sie dürfe künftig keine politische Rolle mehr spielen.

"Schwarz oder grün", nannte der Neuköllner Vize-Bezirksbürgermeister und stellvertretende Landesvorsitzende Falko Liecke die "Richtungswahl in diesem Jahr". Wegner griff in seiner Rede vor allem die Grünen scharf an. "Wir wollen einen Wählerauftrag, die Grünen einen Erziehungsauftrag."

Am 18. Mai 2019 habe ein "neuer Weg" begonnen, sagte Wegner: An diesem Tag wurde Wegner als Nachfolger von Monika Grütters zum Landesvorsitzenden gewählt. Er spreche seitdem mit Menschen, "gucke" sich Orte an. Wegner betonte, dass seine Partei "gemeinsam" diesen Weg gehe. Vor der Richtungswahl am 26. September sei er "voller Zuversicht" für die nächsten 99 Tage. "Es ist nicht gut für Berlin, wenn das Rote Rathaus grün angestrichen wird oder rot bleibt. Es geht um gute Politik für Berlin. Das können nur wir." Wegner sagte klar: "Ich will Regierender Bürgermeister von Berlin werden."

Wegner: Berlin ist "ein gefesselter Riese"

Eineinhalb Jahre habe Corona das Leben bestimmt. "Jetzt müssen wir bestimmen, wie wir das Leben in Berlin wieder hochfahren." Wegner nannte viele Bereiche im öffentlichen Leben, er bedankte sich besonders bei den Pflegekräften. "Jetzt geht es darum einen Neustart hinzubekommen. Und wir brauchen einen Neustart in der Politik", sagte Wegner. Statt "Ideologien und Bevormundungen" müsse jetzt gehandelt werden.

Berlin sei "ein gefesselter Riese", nach fünf Jahren Rot-Rot-Grün funktioniere an vielen Ecken nichts mehr. Berlin befinde sich im "administrativen Wachkoma". Er kritisierte lange Wartezeiten in den Bürgerämtern, in der Verwaltung. Daran sei nicht nur Corona schuld.

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Wegner forderte eine Verwaltungsmodernisierung, bei der die Mitarbeiter:innen mit einbezogen werden. Die mehr als 120.000 Mitarbeiter in der Verwaltung "müssen wieder stolz auf ihren Arbeitsplatz werden". Berlin müsse "der beste Arbeitgeber in der Stadt werden".

Wegner versprach, dass Berlin nach den nächsten fünf Jahren wieder funktioniere. Berlin werde ein digitalisiertes Bürgeramt aufbauen mit einer bürgernahen Verwaltung und persönlicher Beratung, wenn sie erwünscht sei. Familien sollten nicht monatelang auf Antragsstellungen warten. "Berlin muss Vorbild für die Republik werden." Er kritisierte den Grünen-Baustadtrat Florian Schmidt in Friedrichshain-Kreuzberg, der eine Google-Ansiedlung verhindert und dass Wirtschaftssenatorin Ramona Pop dies zugelassen habe.

In der Rigaer Straße sind laut Wegner Terroristen aktiv

Beim Thema Sicherheit und Ordnung stelle er fest, dass der Rechtsstaat "an vielen Stellen" auch nicht mehr funktioniere. Das sehe man in Neukölln mit vielen Clanfamilien, mit dem "Görli" habe man den größten Drogenumschlagplatz Deutschlands, jüdische Mitbürger würden auf offener Straße beschimpft und bespuckt. "Das werden wir nicht mehr zulassen. Der Rechtsstaat muss auch konsequent angewendet werden. Wer glaubt als Pate von Berlin herumzulaufen, sollte keine Rolex am Handgelenk tragen, sondern eine Fußfessel am Knöchel."

Und in der Rigaer Straße mit "Steinhagel, brennenden Blockaden und 80 verletzten Polizisten" seien "keine Aktivisten, sondern Terroristen" am Werk. Mit diesen Verbrechern mache der Bezirk gemeinsame Sache mit Baustadtrat Florian Schmidt an der Spitze. Er sei der "Schutzpatron linksextremer Gewalt in der Rigaer Straße". Er müsse zurücktreten.

Dass sich Grüne und Linke von der Gewalt nicht sofort distanziert hätten, sei eine Schande. "Sie haben Verantwortung gegenüber den Landesbediensteten". Dass es überhaupt Evakuierungspläne für Kitas in der Nachbarschaft gebe, sei überhaupt nicht mehr nachzuvollziehen. "Der Hort der Gewalt gehört endlich geräumt." Wegner versprach 1000 zusätzliche Stellen bei der Polizei. So steht es auch im Regierungsprogramm, das die Delegierten am Sonnabend verabschiedet haben.

Kein Student soll zum Gendern gezwungen werden

Die Grünen seien in Berlin so weit von der Lebensqualität vieler Berliner:innen entfernt "so wie die Erde zum Mond". Berlin müsse klimaneutral bis 2050 sein, dafür stehe auch er. Dass sich aber Stromrechnungen verdoppelten, dass das Fleisch teurer werde, könnten sich viele Menschen gar nicht leisten.

"Grüne Bevormundungen muss man sich leisten können", sagte er zur Energiepolitik. Man könne nicht immer zu den Leuten nicht immer in den Geldbeutel fassen. Klimaschutzziele könnten nur gemeinsam erreicht werden. "Klimaschutz muss für alle Berliner und Berlinerinnen bezahlbar sein", sagte Wegner. "Die Grünen sind keine Volkspartei, sie sind die Partei der Moralstreber, die die objektive Wahrheit für sich gepachtet haben." Mit der CDU werde die A100 vollendet werden, weil das Gewerbe diese Autobahn brauche. Die "grüne Verbotspartei" sei zurück.

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Wegner ging auf Gendersprache ein: "Zwei Drittel der Deutsche lehnen ideologische Sprachverirrung ab". Das Gendern zerstöre die Schönheit unserer Sprache und den Lesefluss. "Kein Student darf zum Gendern gezwungen werden", bezog sich Wegner auf das Wahlprogramm. Darauf gebe er der Partei "mein Indianerehrenwort". Das war eine erneute Spitze gegen die Grünen. Auf einer Landesdelegiertenversammlung der Grünen hatte Spitzenkandidatin Bettina Jarasch gesagt, sie wäre als Kind gern „Indianerhäuptling“ geworden. Aufgrund von Protesten aus ihrer Partei in der Debatte um diskriminierungsfreie Sprache entschuldigte sich Jarasch später mit dem Hinweis, es habe sich um "unreflektierte Kindheitserinnerungen" gehandelt.

Mehrfache Spitzen gegen die Grünen

Wegner ging weiter mit seiner Kritik gegen die Grünen. Auch zahlreiche Berliner Grünen hätten beantragt, das Wort "Deutschland" aus dem Wahlprogramm ihrer Bundespartei zu streichen. "Gehts eigentlich noch", sagte Wegner. "Wer Deutschland nicht mag, kann Berlin nicht lieben. Und wer Berlin nicht liebt, darf unsere Stadt auch nicht regieren."

Dann ging Wegner auf die SPD ein. Und die Berliner SPD stelle seit 20 Jahren den Regierenden Bürgermeister. Man habe den Eindruck, die SPD sei seitdem "in der Opposition". Die SPD entdecke "urplötzlich" ihre Liebe zur U-Bahn. Unter Rot-Schwarz habe die SPD das verhindert. In der Baupolitik habe man viele Jahre Private aus der Stadt getrieben. Und plötzlich stelle man vor der Wahl fest, dass diese auch Partner sein können. "Wer kann das der Berliner SPD glauben." Beim Thema Enteignung löse die SPD das ganz einfach: Darüber schreibe sie nichts ins Wahlprogramm. Die CDU lehne Enteignungen entschieden ab, weil sie das Problem auf dem Wohnungsmarkt nicht lösen würden.

Auch in der Bildungspolitik brauche man dringend einen Neustart. Zwei Drittel der neuen Lehrer seien Quer- oder Seiteneinsteiger, viele Jugendliche würden die Schulen ohne Abschluss verlassen. "Wir müssen Schluss machen mit Experimenten." Stattdessen brauche man eine "neue Qualität und Verlässlichkeit". Die CDU will die Vorschule und Kopfnoten wieder einführen. "Alle jungen Menschen sollen einen Schulabschluss machen." Zur Qualität gehörten gut ausgebildete Lehrkräfte. Wegner forderte erneut die Verbeamtung von Lehrer:innen. "Nur so gewinnen wir die besten Köpfe für unsere Schulen."

Wegner: "Rot-rot-grüne Tragödie für die Stadt endlich beenden"

Im Umgang mit den Außenbezirken forderte Wegner einen neuen Stil, auch für die Gesamtgesellschaft heiße es: stärker in den Dialog treten. "Zuhören, verstehen, anpacken." Trotz eines Senats, der die Entwicklung hemme, sei "Berlin ein Ort der Sehnsucht". Menschen könnten sich hier ausprobieren. Diese Vielfalt sei "unsere Stärke". Ohne diesen Senat könne Berlin schon woanders stehen.

Wegner sagte, er wolle die Chancen dieser Stadt "endlich nutzen" und die Stadt für die Zukunft gestalten. Heute sei der Startschuss für die Wahl, um die "rot-rot-grüne Tragödie für die Stadt endlich zu beenden". Die CDU stehe klar als Gegenmodell zu Rot-Rot-Grün. Für den Erfolg der CDU werde er "unermüdlich arbeiten". Die CDU habe als Alleinstellungsmerkmal: "Wir sagen, was wir denken und was wir machen."

Seine 51-minütige Rede schloss er mit den Worten: "Wir werden alles dransetzen, dass diese Stadt eine bessere Regierung bekommt. Die oder wir: Wir sagen wir." Wegner erhielt standing ovations und langen Applaus.

CDU will Klimawald auf Tempelhofer Feld

Die Partei hatte das Regierungsprogramm nach einer kurzen Debatte verabschiedet. Neu aufgenommen wurden unter anderem Anträge, ein Dienstjahr auf Bundesebene einzuführen, ein Pilotprojekt für Bürohunde zu initiieren, das Leihpersonal in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen auf zehn Prozent zu begrenzen und "großzügige Ladenöffnungszeiten" für kleine Spätis und Minimärkte einzuführen.

Jugendliche ohne Schulabschluss sollen eine elfjährige Schulpflicht erhalten für zusätzliche Berufsorientierung und Praktika. Und die CDU will das Tempelhofer Feld mit einem Klimawald bepflanzen, wenn die Bürger:innen zustimmen.

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