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Spaaaß! Der erste barrierefreie Spielplatz des Offenen Treffs Ohmstraße in Köln-Porz wird ausprobiert.

© promo/Stück zum Glück

Pankow bekommt barrierefreien Spielplatz: Abenteuer vor der Haustür – für alle

In Deutschland gibt es viel zu wenige barrierefreie Kinderspielplätze. Einen richtet die Aktion Mensch mit der Initiative „Stück zum Glück“ nun in Pankow ein.

Ein paar Meter weiter weg juchzen und lachen Kinder, lassen sich an Stangen baumeln, fangen sich fröhlich, machen Rollen. Der Junge im Rollstuhl muss an der Kante der Sandspielfläche bremsen. Auf dem unebenen Grund bleibt er mit dem Rolli stecken. Das Spiel ist aus.

Derartige Szenen erleben Eltern von Kindern mit Behinderung immer wieder. Um ihren Töchtern oder Söhnen derartige, frustrierende Erlebnisse zu ersparen, steuern sie teils gar keine Spielplätze mehr an. „Die Situation für Kinder mit Behinderung auf deutschen Spielplätzen ist desolat“, sagt die Sprecherin der Aktion Mensch aus Bonn, Ulrike Jansen. Dies habe auch die Innofact-Studie ergeben, die die Spendeninitiative „Stück zum Glück“ der Aktion Mensch gemeinsam mit den Förderern Procter & Gamble sowie Rewe durchgeführt haben. Dabei sei frühe Inklusion wichtig, damit Barrieren im Alltag gar nicht erst entstehen. „Stück zum Glück“ setze sich daher für mehr inklusiven Spielraum in Deutschland ein. Wie die Online-Umfrage bestätigte, haben Spielplätze einen hohen Stellenwert in deutschen Familien.

Daran hat auch die Tatsache nichts geändert, dass die Handy-Zocker-Phase, in der das Smartphone alle anderen Interessen in den Schatten stellt, immer früher beginnt. 75 Prozent der 933 befragten Eltern mit Kindern im Alter von zwei bis zwölf Jahren gehen mindestens einmal pro Woche mit ihren Kindern auf einen Spielplatz. Allerdings würden Kinder mit Behinderung dort häufig ausgegrenzt: Deutschlandweit kennen nur 36 Prozent aller Befragten einen Spielplatz, der inklusiv gestaltet ist und auf dem alle Kinder gemeinsam spielen können. Unter allen bekannten Spielplätzen in der Bundesrepublik seien generell nur fünf bis acht Prozent barrierefrei. Der Anteil der Eltern behinderter Kinder lag wie beim Bevölkerungsschnitt bei zehn Prozent.

Nur selten können alle Kinder mitspielen

In Berlin/Brandenburg gaben knapp ein Drittel der in der zufälligen Stichprobe im April und Mai 2019 Befragten an, einen komplett barrierefreien Spielplatz zu kennen. In Frankfurt am Main (47) und München (42) waren es deutlich mehr Befragte. Die Annahme, es gebe komplett inklusive Spielplätze, entspricht indes nicht der Realität, denn es gibt in Berlin laut dem Deutschen Kinderhilfswerk und der Aktion Mensch kaum solche Plätze.

In Berlin/Brandenburg besuchen laut der Studie 47 Prozent der Befragten einen Spielplatz, der ihrer Einschätzung nach zumindest teilweise von Kindern mit und ohne Behinderung gemeinsam genutzt werden kann. Frankfurt am Main liegt generell vorne, Berlin/Brandenburg auf dem zweitletzten Platz vor Dresden.

Barrierefreiheit hat viele Facetten

Barrierefrei bedeutet, es wird beim Spielplatzbau auf Elemente verzichtet, die nur für eine Gruppe von Kindern vorteilhaft sind, wie Rollstuhlrampen. Denn man müsse auch gehörlose oder blinde sowie lernbehinderte Kinder berücksichtigen, sagt Aktion-Mensch-Sprecherin Ulrike Jansen. Innovative Spielgeräte, die alle nutzen können, förderten individuelle Fähigkeiten und Kreativität, und alle könnten voneinander lernen und sich unterstützen. Das verbinde. So ermögliche es etwa ein Gummiboden mit Dämpfung auch Rollstuhlfahrern, bis zu den Spielkameraden ans Klettergerüst heranzufahren. Andere Angebote seien Klangspiele für Sehbehinderte.

Auch gibt es Drehplattformen, auf denen Rolli-Kinder ganz normal im Karussell herumwirbeln können. Kleine Stufenabstände ermöglichen es Kleinwüchsigen, zu klettern. So etwas solle es häufiger geben, 65 Prozent der Befragten wünschen sich mehr solcher Begegnungen.

Pankow bekommt vorbildhaften Spielplatz

Mit „Stück zum Glück“ setzen sich daher die Aktion Mensch sowie die Unternehmensförderer P&G sowie Rewe für mehr inklusiven Spielraum in ganz Deutschland ein. Innerhalb von drei Jahren werden mehr als 30 Spielplätze mit einem Gesamtvolumen von 1 Million Euro neu-, aus- und umgebaut. 16 Spielplatzprojekte seien schon fertig, etwa in Köln und Frankfurt am Main.

In Berlin bekommt Pankow im Herbst einen vorbildhaften Spielplatz. Die Investitionssumme am Dusekeplatz beträgt 200 000 Euro. „Meine Wahrnehmung ist, dass sich die Nachbarschaft seit Beginn des Projektes komplett dem Thema geöffnet hat“, berichtet Christoph Weyl vom Verein Kiezinseln.

Auch das Bezirksamt Pankow beteiligt sich am Projekt. Drei inklusive Kindergärten gibt es laut der Aktion Mensch im Kiez. Plötzlich fallen Nachbarn auch hinderliche, holperige Wurzeln auf den Bordsteinen auf. „Inklusive Spielplätze bieten beste Voraussetzungen, um Vorurteile gar nicht erst entstehen zu lassen“, sagt Armin von Buttlar, Vorstand der Aktion Mensch, zur Aktion. Manch einem fehlt aber schon der Buddelsand für die Kleinsten.

Abenteuer im Freien für alle Kinder

Die Spielplatzexpertin vom Deutschen Kinderhilfswerk in Berlin, Claudia Neumann, bestätigt den Mangel an behindertengerechten Spielräumen in Berlin. Zudem sei es wichtig, überhaupt Brachflächen in der Stadt auch für Naturerlebnisse zu erhalten. Denn dass Kinder und Jugendliche sich in digitale Abenteuerwelten am Handy flüchten, sei auch eine Folge davon, dass es das Abenteuer vor der Haustür immer seltener gebe – oder Eltern ihre Kinder teils überbehüteten und ihnen auf Schritt und Tritt folgten.

Infos: kiezinseln.com, und über die Seite www.aktion-mensch.de, dann klicken: Dafür stehen wir, das bewirken wir, Förderprojekte. Auf der Seite www.spielplatztreff.de/barrierefrei/berlin haben Eltern Spielplätze eingetragen, die ihrer Ansicht nach zumindest barrierefrei zugänglich sind, also zum Beispiel keine Treppen zu überwinden zu sind.

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