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Heimatlos. Ohne Regenwaldbäume haben Orang-Utans kein Zuhause. Hier eine Schutzstation.

© picture-alliance/ dpa

Palmenblatt-Teller mit Mehrwert: Startup aus Berlin rettet den Regenwald

Berlins Startup-Projekt „Leef Unlimited“ bietet Einweggeschirr aus Palmblättern. Jeder Teller rettet einen Quadratmeter Regenwald. Der Tagesspiegel hilft mit.

Das Muttertier klammert sich hoch oben an einen übrig gebliebenen Baumstumpf im fast komplett abgeholzten Regenwald. Dann wird das Orang-Utan-Weibchen abgeschossen, fällt dumpf zu Boden. Ihr Baby wird verdursten und verhungern, Arbeiter werden die ausgetrocknete Leiche später mit den Füßen wegkicken.

Orang-Utans sind als Menschenaffen dem Menschen eng verwandt. Doch der rodet weltweit die fürs Weltklima unverzichtbaren Regenwälder in einem Ausmaß, dass Experten befürchten, schon in 100 Jahren könne kaum noch etwas von den außergewöhnlichen Biotopen übrig sein. Laut dem WWF fallen in Afrika, Südamerika und Asien rund 13 Millionen Hektar dichter Dschungel im Jahr, das sind umgerechnet 35 Fußballfelder in jeder Minute.

Im Zoo Berlin sind Sumatra-Orang-Utans (Pongo abelii) zu sehen, auch sie sind stark vom Aussterben bedroht, da ihr Lebensraum gefährlich schnell schrumpft.

Nicht mehr länger nur zusehen

Mit dem Tropenholz ihres zerstörten Lebensraums wird Profit gemacht. Palmölplantagen werden kultiviert, für Duschgel, Fertigpizza, Margarine, Schokonusscreme. Auch in Biodiesel und dem Kraftstoff E 10 ist billig zu produzierendes Palmöl enthalten. In Asien, in Afrika kann man beinahe zusehen, wie die kraftvoll üppigen Regenwälder als Wasserspeicher, als Artenbiotop, als Lunge der Welt von den Motorsägen zunichte gemacht werden. Da will ich nicht einfach nur zusehen, ohne was zu tun, beschloss Claudio Vietta.

Caterer beim Karneval der Kulturen

„Als ich solche Szenen und Bilder sah, blutete mir echt das Herz, so was vergisst man nicht mehr“, sagt der 38-jährige Heidelberger, der jetzt in Berlin Prenzlauer Berg wohnt. Als junger Mann war er als Industriedesigner in Hongkong tätig, entwarf dort Elektrogeräte, die, in China produziert, später hierzulande bei den großen Discountern verkauft werden.

Heute ermöglicht er als einer der beiden Geschäftsführer des Startup-Unternehmens „Leef Blattwerk GmbH“ und dem dazugehörigen Nonprofitprojekt „Leef Unlimited“, dass jeder seiner Kunden hilft, den Regenwald zu retten – über den Veranstalter für Events das nachhaltige, kompostierbare und stylische Einweggeschirr bestellen. Weil es so schick und urig aussieht, waschen es einige auch ab und verwenden es wieder.

Drinnen und draußen. Viele Berliner hatten das Mehrwert-Geschirr des Berliner Startups Leef, was hier recht sommerlich in Szene gesetzt ist, schon mal beim Karneval der Kulturen oder anderen großen Berliner Events in der Hand. Es ist Bio-Geschirr aus Palmblättern; so fällt kein Plastikmüll an.
Drinnen und draußen. Viele Berliner hatten das Mehrwert-Geschirr des Berliner Startups Leef, was hier recht sommerlich in Szene gesetzt ist, schon mal beim Karneval der Kulturen oder anderen großen Berliner Events in der Hand. Es ist Bio-Geschirr aus Palmblättern; so fällt kein Plastikmüll an.

© promo

Zum zweiten Mal schon hatte Leef Unlimited vergangenes Jahr das Einweggeschirr für alle Food-Anbieter beim Karneval der Kulturen bestellt. Auch beim African Food Festival oder dem Lucia Weihnachtsmarkt geht das so: Alle Buden- und Imbissanbieter müssen das recyclebare Einweggeschirr von Leef  nehmen – aber dann gibt der kleine Umweltbetrieb aus Kreuzberg im Gegenzug seine Gewinnmarge – drei Cent pro Palmblattteller – an das selbst gegründete Umweltschutzprojekt Leef Unlimited weiter.

Tagesspiegel rettet bei Spendengala mit

Der Tagesspiegel hat jetzt anlässlich der Übergabefeier der Tagesspiegel-Spendenaktion 2018/29 Palmblatt-Teller und Tabletts bestellt, um ebenfalls einen kleinen, aber wichtigen Beitrag zu leisten. Zudem bietet der Verlag innerhalb seiner Raumvermietungen für Events jetzt die Leef-Charity-Teller an (s.u.).

Regenwaldparzellen zum "Dumpingpreis"

Denn die drei weitergeleiteten Cent pro Teller, dafür kann man über besondere Umwelt-NGOs wie die britische „World Land Trust (WLT)“ des Umweltschützers John Burton tatsächlich gleich einen ganzen Quadratmeter Regenwald kaufen. Die Waldfläche erwirbt WLT mit einer zehnjährigen Schutzgarantie gegen Abholzung. Nach Angaben von Claudio Vietta, der sich viele solcher Regenwaldprojekte genauer angesehen hat, geht der World Land Trust in Kooperation mit den jeweiligen Regierungen der Länder vor. Diese müssen zusichern, die gekaufte Fläche als Schutzgebiet auszuweisen und nicht einfach doch Geschäfte mit Unternehmen zu machen, die die Säge ansetzen. Zuletzt spendete Leef Unlimited in El Pantanoso in Argentinien für Areale in besonders schutzbedürftigen Regenwaldparzellen. Es sei erstaunlich, „für welchen Dumpingpreis die unbezahlbare, kostbare Natur schon zu haben ist“, sagt der Berliner Unternehmer. 65 000 beim Karneval der Kulturen 2018 benutzte Teller, macht 65 000 Quadratmeter geretteter Regenwald. Wie kam er auf die Idee?

Abfallprodukt stylish aufbereitet

„Auf einer Reise nach Indien sind mir diese vielen Areka-Nuss-Plantagen aufgefallen“, erzählt der Unternehmer mit Freude an gesellschaftlichem Mehrwert. In Indien werde diese Nuss wie hierzulande ein Espresso nach dem Essen konsumiert – alte indische Tradition. Unter den Bäumen bleiben viele vertrocknete, abgefallene, längliche Palmenblätter liegen. Ein landwirtschaftliches Abfallprodukt, was sonst oft verbrannt wird. Wenn man diesen natürlichen und unbehandelten Ökoabfall aber nass mache, werden die großen Blätter biegsam wie dickes Leder. Also rein damit in die Presse, die Ränder abgeschnitten, fertig sind Teller, Schüssel, Besteck. Alles mit schickem Naturdesign, Teils mit Maserungen, wertiger Anmutung, haltbar, fest, da suppt oder wabbelt nichts weg wie bei Einmalpapptellern. Nur im Becher Flüssigkeiten wie Kaffee oder O-Saft aufbewahren, so was klappe damit nicht, sagt Vietta.

Transport aus Indien im Containerschiff

In den beiden Leef-Werkstätten in Indien werden Up-Cycling-Besteck und -Geschirr dann zudem mit UV-Licht bestrahlt, um sie zu desinfizieren. „Regelmäßig überprüfen wir die Produkte auch nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetz, bislang war in den Jahren seit der Gründung 2014 noch nichts auffällig.“ Indische Ökoteller, deutsche Currywurst, geretteter tropischer Regenwald. So einfach ist das. Aber wie sieht es mit der Biobilanz der von weither angelieferten Bioprodukte aus? Die Regenwaldrettungs-Teller kämen natürlich nicht mit dem Flugzeug hierher, sondern in einem Vollcontainer mit 150 000 Tellern Inhalt per Schiff. Per Dieselschiff, der Treibhausgas-Schleuder? Den „Carbon-Footprint“ der Schiffsreise hat Claudio Vietta aktuell durchgerechnet: Der Gesamtweg kommt einer Lastwagenreise von Rom nach Frankfurt gleich. Das ginge doch.

Das Team in Indien. Klimaschädliche Plastikteller, wabbeliges Papiereinweggeschirr – das Berliner Benefiz-Startup-Unternehmen Leef bietet eine Alternative: Öko-Geschirr aus alten Arekanuss-Palmblättern, fair hergestellt in Indien. Wenn Veranstalter für alle ihre Foodcaterer auf Events große Mengen abnehmen, wird für jeden verkauften Teller ein Quadratmeter Regenwald gekauft. Für die Gewinnmarge, das sind drei Cent.
Das Team in Indien. Klimaschädliche Plastikteller, wabbeliges Papiereinweggeschirr – das Berliner Benefiz-Startup-Unternehmen Leef bietet eine Alternative: Öko-Geschirr aus alten Arekanuss-Palmblättern, fair hergestellt in Indien. Wenn Veranstalter für alle ihre Foodcaterer auf Events große Mengen abnehmen, wird für jeden verkauften Teller ein Quadratmeter Regenwald gekauft. Für die Gewinnmarge, das sind drei Cent.

© Leef Unlimited, dpa/Christiane Oelrich

Das Charity-Startup-Unternehmen hat inzwischen 3,5 Arbeitsplätze in Berlin geschaffen, bei Logistik, Verkauf, Benefiz – und 150 in Indien, bei der Herstellung. „Wir haben unseren Partnern für die Herstellung finanziell beim Aufbau geholfen und fahren immer wieder hin, die Werkstätten besichtigen.“ Vietta wollte sich wie auch sein Co-Geschäftführer und Bekannter aus Jugendtagen, Marcel Frank, in Indien nicht etwa aufführen „wie zu Kolonialzeiten“. Die beiden Produktionsstätten in Tamil Nandu und in Karnataka gehörten nun zu einem nachhaltigen, neuen Industriezweig, die Berliner Unternehmer zahlen über Durchschnitt und halten höhere Sicherheitsstandards ein, sagen sie. Zudem halten sie sich an die Standards der „Social Business Initiative“, betont Vietta. Die Standards seien ähnlich wie bei „Fairtrade“, aber dieses Siegel würde 15 000 Euro im Jahr kosten, und das Geld wollen sie lieber sinnvoller investieren: Nach dem Motto „Be Leef“, also believe, glaube an was: an das Gute. Und tue selbst etwas. „Ich kann den Markt nicht ändern, nicht die Industrie, nicht die Leute – aber die Produkte.“ Auch der Zoo Berlin engagiert sich gegen das Regenwaldabholzen, im Tierparkt gibt es eine Artenschutz-Ausstellung dazu im Affenhaus.

Gastronomen in Berlin-Brandenburg werden auch beliefert

Der Lebensstil „To go“, den könne man nicht mehr rückgängig machen – wohl aber die Art der Produktverpackungen. So beliefert Leef beispielsweise Gastronomen in der Region Berlin/Brandenburg, und das Nonprofitprojekt Leef Unlimited die Caterer beim Karneval der Kulturen, der Malzwiese am kommenden Wochenende und der Potsdamer Schlössernacht. Wer als Einzelkunde was für seine Gartenfeier bestellen möchte, kann das in eingeschränktem Sortiment auch übers Internet bekommen. Der übliche Plastik-Einwegteller kostet laut Vietta zwei bis zehn Cent, bei Leef sind es 20 Cent. Zehn große Teller kosten im Paket 4,50 Euro. Ein Modell heißt „Square S“, 15 Zentimeter, 50 Stück, kostet 18,80 Euro – mit Weltretter-Mehrwert. Während Plastikgeschirr in der Herstellung ressourcenfressend ist und bei der Verbrennung CO2-Gase ausgestoßen werden, komme aus den Palmenrest-Produkten „nicht mehr CO2 heraus, als die Pflanze über die Blätter aufgenommen hat“. Regenwaldbäume werden aber nur für die Event-Verkäufe besorgt, irgendwie muss ja „Leef“ wirtschaftlich bestehen.

Künftig sollen bei überschaubaren Events wie dem Malzwiese-Festival in der alten Malzfabrik Schöneberg n Tempelhof-Schöneberg die Besucher dazu angehalten werden, alles so wegzuwerfen, dass die Palmblätterprodukte ohne Zusätze und Weichmacher als Biomüll kompostiert werden. „Im Zentrum steht bei uns der Gedanke, mal einen geschlossenen Kreislauf hinzulegen.“

In der Produktion.
In der Produktion.

© Leef Unlimited

Und weil auch der Markt der globalen Catering-Einwegprodukte umkämpft ist und die Konkurrenz nicht schläft, prüfen die Berliner Start-Up-Unternehmer schon weitere nachhaltige Produkte. Welche? Das steht auf einem anderen Blatt.

INFO UND KONTAKT ZU LEEF

SÄGE, FEUER - VORBEI

Jeder, der mal im Regenwald war, fühlt: So fruchtbar, so üppig, als schlüge hier das Herz der Welt! Niemand steht heute neben jedem Regenwaldbaum und zählt mit, wie viel des kostbaren Grüns genau zerstört wird. Laut „Abenteuer Regenwald“ schrumpft der tropische Regenwald jedes Jahr durch Abholzung und gezielt gelegte Feuer um etwa 130 000 Quadratkilometer - eine Fläche, so groß wie Griechenland. Das ist auch der Tod für seltene Tierarten, die mit verbrannt werden oder mangels Lebensraums und Nahrung verenden.

KONTAKT UND INFO

Leef Blattwerk GmbH“ ist für Catering, Feiern, Events zu erreichen: Telefon 49 30 21808070 oder +49 176 84483186. www.leef.bio.

Palmblattteller gibt es auch bei der Bio-Supermarktkette Biocompany; andere Supermärkte können sich noch melden. Für Firmenveranstaltungen können sogar Logos in die Blätterteller gestanzt werden.

AUF TAGESSPIEGEL-VERANSTALTUNGEN DEN REGENWALD RETTEN

Der Tagesspiegel rettet jetzt selbst Regenwald: Los geht es auf unserer Spendenfeier am kommenden Mittwoch. Auf Initiative der Menschen-helfen-Seite hat unser Tagesspiegel- Projektmanager für Veranstaltungen und Vermietungen, Harry Neitzel, beim Berliner Start-up „Leef“ 250 nachhaltige, umweltfreundliche Palmenblatt-Teller und 50 Tabletts gekauft, zum Preis von 130 Euro, kaum teurer als Plastikgeschirr. Und jeder Teller rettet einen Quadratmeter Regenwald. Weil die Gewinnmarge von drei Cent an Umwelt-NGOs wie die britische „World Land Trust (WLT)“ gespendet wird. Diese kauft Parzellen in Schutzgebieten in Kooperation mit Regierungen. Nicht benötigte Teller, Schüsseln und Besteck nimmt Leef zurück, das Geld wird gutgeschrieben. Der Tagesspiegel bietet das nachhaltige Geschirr künftig bei Vermietungen im Haus an (Kontakt: vermietung@tagesspiegel.de).

FÜR "MENSCHEN HELFEN!" SPENDEN

Für „Menschen helfen!“ kann man ganzjährig spenden: Spendenaktion Der Tagesspiegel e. V., Verwendungszweck: „Menschen helfen!“, Berliner Sparkasse (BIC: BELADEBE, IBAN: DE 43 1005 0000 0250 0309 42). Bitte Name und Anschrift exakt notieren.

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