zum Hauptinhalt
Was tun gegen den Lehrermangel? In Berlin wird seit 2004 nicht mehr verbeamtet. Ob das der richtige Weg war, ist umstritten.

© Kitty Kleist-Heinrich

Pädagogenmangel in Berlin: SPD liebäugelt mit der Lehrerverbeamtung

Kein Allheilmittel, aber auch kein Tabu mehr: Die Stimmen für eine Rückkehr zum Beamtenstatus werden lauter. Die Koalitionspartner sind davon wenig begeistert.

Rolle Rückwärts: Seit 2004 werden Lehrer in Berlin nicht mehr verbeamtet, um Kosten zu sparen. Das könnte sich ändern, denn auch Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), liebäugelt inzwischen mit einer Rückkehr zur Verbeamtung. Die sei für sie zwar kein „Allheilmittel“, sagte sie dem Tagesspiegel. Angesichts der Tatsache, dass Berlin seit 2018 das einzige Bundesland sei, das nicht verbeamtet und angesichts des bundesweiten Lehrermangels sei die Rückkehr zur Verbeamtung aber auch kein Tabu, sagte Scheeres. Deshalb prüfe die Verwaltung derzeit entsprechende Schritte.

Bei den Koalitionspartnern von Linkspartei und Grünen kommt Scheeres Vorstoß nicht gut an. „Wir und die Grünen sehen keine Veranlassung, darüber zu diskutieren“, sagte am Wochenende die bildungspolitische Sprecherin der Linken, Regina Kittler, dem Tagesspiegel. Anstatt zum Beamtenstatus zurückzukehren, sollten die Angestellten bei der Lohnfortzahlung und bei der Rente besser gestellt, schlägt Kittler vor, die die Verbeamtung „nicht als Lösungsansatz gelten lassen kann“. Hinter dem Vorstoß der Sozialdemokraten stecke wohl eher, „dass sie ein paar Stimmen brauchen“.

Ist es nur die fehlende Verbeamtung, die Lehrer forttreibt?

Kein bisschen freundlicher hört sich das bei den Grünen an: „Ich verstehe die Verzweiflung der Sozialdemokraten in ihrer derzeitigen Lage“, sagte Bildungspolitikerin Marianne Burkert-Eulitz angesichts der schlechten Umfrageergebnisse des Koalitionspartners. Für die grüne Abgeordnete „gehört die Lehrerverbeamtung nicht in das 21. Jahrhundert“. Ebenso wie Kittler verweist Burkert-Eulitz auf den großen Lehrermangel in Ländern wie Bremen und Nordrhein-Westfalen, der trotz dortiger Verbeamtung eingetreten sei. Bevor die SPD einen solchen Vorschlag mache, solle sie doch erstmal diejenigen, die Berlin verlassen, fragen, ob es die fehlende Verbeamtung ist, die sie aus Berlin forttreibt.

Eine solche Erhebung steht offenbar noch aus. Zwar berichten Schulleiter immer wieder von vielversprechenden Referendaren, die nach dem zweiten Staatsexamen weggehen, um andernorts in den Genuss der Beamtenprivilegien zu kommen. Solche Berichte reichen den Grünen aber nicht: Sie wollen belastbare Zahlen, bevor sie einen derartigen Systemwechsel diskutieren, der – wegen der immensen Pensionszahlungen – eine starke Belastung künftiger Generationen bedeuten würde.

Allerdings ist es gerade die bessere Altersversorgung, die – neben der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall – immer wieder als Hauptvorteil der Verbeamtung genannt wird. Tom Erdmann, Chef der Gewerkschaftschef Erziehung und Wissenschaft (GEW), plädiert deshalb dafür, die Betriebsrente für die angestellten Lehrer zu erhöhen und für „Einkommensgerechtigkeit zu sorgen“. Die Berliner GEW sieht eine Rückkehr zur Verbeamtung kritisch, da sie zu „Unruhe in den Lehrerzimmern“ führen würde. Denn Tausende Berliner Lehrer könnten nicht verbeamtet werden – wegen Krankheit, Alter oder mangels Erfüllung anderer Voraussetzungen, mahnt Erdmann. Für die Personalversorgung der Schulen erwartet er zudem nur einen „kurzzeitigen Effekt“ durch eine Rückkehr zu Verbeamtung.

Berlin bezahlt Referendare schlecht

Um zu erreichen, dass Lehramtsstudenten nach dem Examen in der Stadt bleiben, raten GEW und Linke die Referendare besser zu bezahlen: Berlin gehöre zu den Ländern mit den „geringsten Anwärterbezügen“, moniert Erdmann. Und Kittler verweist auf Sachsen, das jetzt einen monatlichen 1000-Euro-Zuschlag zahle, wenn Referendare zum Einsatz jenseits der großen Städte bereit seien. Dass Berlin solche Wege nicht beschreite, sei ebenso unverständlich wie die Tatsache, dass die Senatsverwaltung für Bildung nicht untersuche, was die Gründe für den Schwund von Nachwuchslehrern vor und nach dem Referendariat seien.

Auf Unterstützung für ihren Vorstoß kann Bildungssenatorin Scheeres bei ihrem Parteigenossen, dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller hoffen. Der hatte bereits im Dezember im Tagesspiegel angekündigt: „Wir prüfen, ob die Verbeamtung helfen kann, Lehrer für Berlin zu begeistern.“ Allerdings hatte auch er zu bedenken gegeben, dass auch in Ländern, die ihre Lehrer verbeamten, „die Anwärter nicht Schlange stehen“.

Grüne und Linke wundern sich angesichts der Äußerungen Müllers und Scheeres, „dass die SPD mit uns noch nicht darüber gesprochen hat“ – obwohl SPD-Bildungspolitikerin Maja Lasic schon im Herbst eine erneute Verbeamtungsdebatte angekündigt hatte. Vorausgegangen waren die desaströsen Ergebnisse bei den Einstellungen im Sommer: Unter den 2700 neuen Lehrern waren nur 1000 „gelernte“. Bei den Übrigen handelte es sich um sehr unterschiedliche Arten von Quereinsteigern, die erst noch fortgebildet oder länger eingearbeitet werden müssen.

Inzwischen dämpft Lasic aber die Erwartung, dass die Verbeamtung das Lehrermangelproblem lösen könne: Die Debatte müsse eher deshalb geführt werden, weil die Berliner Lehrer gegenüber den Kollegen im Bundesgebiet „massiv schlechter gestellt“ seien. Es gehe um „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“. Eine Frage der Gerechtigkeit sei das, betont Lasic, die davon ausgeht, dass das Thema den nächsten SPD-Parteitag am 30. März beschäftigen wird.

Zwölf Newsletter, zwölf Bezirke: Unsere Leute-Newsletter aus allen Berliner Bezirken können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false