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Ost-, Ost-, Ostalgie. Karolina Stich (links) und Franziska Eisenmann verkaufen nun DDR-Softeis an der East Side Gallery.

© Kai-Uwe Heinrich

Ostalgie und Softeis an der East Side Gallery: DDR-Nostalgie in der Kritik

Softeis à la DDR, Arbeitsdress im Stil der Jungen Pioniere, ein Hostel im Ost-Look, Trabi-Touren – Ostalgie ist wieder schwer in Mode. Nicht jeder findet das in Ordnung.

An der East Side Gallery in Friedrichshain, nahe der Oberbaumbrücke, verkauft man ein richtiges Original: echtes DDR-Softeis. So wie die Ware heißt auch die Eisdiele, in ihr wird das Eis noch nach der ursprünglichen Ost-Rezeptur zubereitet, die Eiswaffeln haben die typische Muschelform und die Löffel tragen Namen wie Bärbel. Auch die Eismaschine Elke aus dem Jahr 1982 ist ein Original. Seit Anfang August zwirbelt sie hier Schoko-Vanille-Softeis in die Muscheln.

Hier solle an die schönen Dinge des Ostens erinnert werden, erklärt Inhaberin Karolina Stich. Die elektronische Musik, die aus zwei Lautsprechern neben ihrem Wagen dröhnt, und die Hocker mit großer Werbung eines Tabakherstellers wollen dagegen so gar nicht zum Konzept passen. Am Anfang habe man hier auch DDR-Musik gespielt, wird erklärt. Doch das hätten die Kunden nicht so gemocht. Abgesehen davon erinnern die Verkäufer umso mehr an die DDR: Weiße Bluse, dunkelblaues Halstuch und ein dunkelblaues Schiffchen als Kopfbedeckung.

Die Arbeitskleidung in der Eisdiele ähnelt der Kleidung der Jungen Pioniere – der sozialistischen Massenorganisation für Kinder. Und genau daran stört man sich in der DDR-Gedenkstätte Hohenschönhausen. Das blaue Halstuch sei ein Symbol der Diktatur, geschmacklos und erschreckend für Menschen, die unter dem DDR-Regime gelitten haben, kritisiert der stellvertretende Direktor der Gedenkstätte, Helmuth Frauendorfer. „Ostalgie ist eine Form der Verharmlosung“, sagt er. Unternehmer wie Karolina Stich dürften nicht zum Handlanger der Verherrlicher vergangener Diktaturen werden.

Übertriebene Kritik?

Für Karolina Stich, die die Eisdiele neben ihrem Studium betreibt, ist es nicht die erste negative Reaktion auf ihre Eisdiele. Einmal sei ein Mann vorbeigeradelt und habe gefragt, ob sie hier denn auch Nazi-Eis verkaufen würden, erzählt sie. Die Vorwürfe der DDR-Gedenkstätte findet sie übertrieben. „Wir wollen nichts Politisches lostreten, wir verkaufen nur Softeis.“

Auch die Arbeitskleidung ihrer Mitarbeiter erinnere nur an die Uniform der Jungpioniere, Abzeichen oder Wappen trage niemand, erklärt Stich. Bis auf den Vorfall mit dem Radfahrer habe sie aber noch nie negative Rückmeldung von Kunden gehabt. Vor allem ehemalige DDR-Bürger kämen oft zu ihrem Wagen, um zu testen, ob das Eis tatsächlich so schmecke wie in ihrer Kindheit.

Kritik von offizieller Seite schlägt auch anderen Ostalgikern entgegen. So Daniel Helbig, der seit 2007 im Wriezener Karr 5 in Friedrichshain ein Hostel im DDR-Design betreibt. Er selbst ist in der DDR aufgewachsen. Mit seinem Hostel will er die Art, wie man früher im Osten gewohnt hat, wieder aufleben lassen. 

Gelbe Mustertapeten, typische Stehlampen und ein großes Foto von DDR-Volkskammerpräsident Horst Sindermann in der Lobby. Erich Honecker hing hier auch einmal in den Zimmern, bis er von Touristen kurzerhand mitgenommen wurde. Als problematisch sieht Helbig diese Fotos nicht an. Kritik kam kurz nach der Eröffnung trotzdem vom damaligen Berliner Erzbischof.

Die Vorwürfe decken sich mit denen, die aktuell die Gedenkstätte Hohenschönhausen gegen die Eisdiele erhebt. Über solche Kritik kann Hostelbetreiber Helbig nur lachen.

„Es wird hier nichts verherrlicht, wir erinnern bloß an früher“, sagt er. Daran sei nichts Schlimmes, im Gegensatz zu dem Verkauf von Uniformen, Gasmasken und Sowjet-Mützen vor dem Brandenburger Tor oder am Checkpoint Charlie, sagt er. Von solchen Souvenir-Verkäufern möchte er sich klar distanzieren.

Das Spiel mit DDR-Symbolen

Neben DDR-Eisdielen oder Hostels im Ost-Chic wird an vielen Stellen Berlins versucht, die DDR wieder aufleben zu lassen. In Geschäften, die Einkaufsbeutel aus der in der DDR entwickelten Kunstfaser Dederon, Ostpakete oder die kultigen Ampelmännchen verkaufen. Per Trabi mit originaler Revolverschaltung kann man im Konvoi durch Berlin fahren oder man lässt sich an den typischen Touristen-Ecken von einem Schausteller in DDR-Uniform für einige Euro seinen Pass für die fiktive Ausreise stempeln.

Für Robert Rückel, Direktor des DDR-Museums in der Karl-Liebknecht-Straße 1, der anfangs ähnlichen Vorwürfen selbst ausgesetzt war, ist das eine schlimme Form der Ostalgie. „Es braucht die nötige Dreistigkeit, um das in der Uniform einer Diktatur durchzuziehen“, sagt er. Geschmacklos findet er auch Eisverkäufer in pionierähnlicher Kleidung, das DDR-Hostel, in dem man in einer Stasi-Suite schlafen kann, oder aber DDR-Restaurants wie das „Pila“, deren Logo stark an das der FDJ mit ihrer aufgehenden Sonne angelehnt ist.

„Das sind natürlich keine verkappten Kommunisten, vielmehr knallharte Kapitalisten, die mit den Erinnerungen Geld machen“, sagt Rückel. Natürlich hätten viele ehemalige DDR-Bewohner auch schöne Erinnerungen an ihre Pionierzeit, und es habe auch ein normales Leben abseits der Diktatur gegeben. Trotzdem müsse man beim Spiel mit Symbolen dieser Diktatur stark aufpassen, sonst mache man Geld auf dem Rücken der DDR-Opfer.

Während Eismaschine Elke in der Softeisdiele an der East Side Gallery weiter Schoko mit Vanille mischt, können die meisten Touristen am Stand den Wind um die Ostalgie nicht verstehen. Einer von ihnen, ein junger Mann aus Hamburg, sieht es nüchtern. „Die DDR ist Geschichte, sie existiert heute nicht mehr. Und hier geht es doch wirklich nur um Eis“, sagt er. Beim Blick auf die Überreste der Mauer, mit einem Softeis in der Hand, scheinen die dunklen Seiten der DDR inzwischen weit weg.

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