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Opfer der Gentrifizierung: Kiezbuchhandlung Kisch & Co soll weichen

Anfang des Jahres wurde die Buchhandlung Kisch & Co an einen luxemburgischen Immobilienfonds verkauft. Jetzt sind die Verhandlungen mit dem neuen Eigentümer gescheitert.


Sie ist eine Institution im Kiez: Die Buchhandlung Kisch & Co in der Oranienstraße 25, die dort bereits seit 23 Jahren Bücher verkauft. Doch nun ist auch sie Opfer der fortschreitenden Gentrifizierung geworden: Anfang des Jahres wurde das Gebäude an den Immobilienfonds „Victoria Immo Properties V S.a.r.l.“ aus Luxemburg verkauft - und nun soll die Buchhandlung weichen, seit Juni ist sie ohne Mietvertrag.

Denn die Verhandlungen mit dem neuen Eigentümer sind gescheitert: Kurz vor Auslaufen des Mietvertrags Ende Mai erreichte die Buchhandlung zwar ein Angebot für einen neuen Mietvertrag mit einer reduzierten Miete bis Ende des Jahres, für den 140 Quadratmeter großen Laden hätte Inhaber Thorsten Willenbrock dann statt 2800 nur 2450 Euro monatlich zahlen müssen. 

Dennoch hätten Willenbrock und sein Geschäftspartner bei Unterzeichnung ihr eigenes Aus besiegelt: Sie sollten sich verpflichten, ihr Geschäft bis zum 31. Dezember zu räumen, andernfalls müsste rückwirkend doch die volle Miete gezahlt werden. 

Besonders perfide: Das Angebot enthielt eine Verschwiegenheitsklausel, derzufolge die Inhaber nichts über die Inhalte des Vertrags preisgeben und keine Namen der Beteiligten hätten nennen dürfen. 

Zudem sollten sie auch noch ein Loblied auf ihren Vermieter singen: In einem Youtube-Clip und in Mitteilungen gegenüber der Bundestagsabgeordneten Cansel Kiziltepe (SPD), der Abgeordneten Gaby Gottwald (Linke) und Bezirksstadträtin Clara Herrmann (Grüne) sowie Journalisten vom RBB und Berliner Kurier sollte über das „Entgegenkommen“ von Victoria Immo Properties bezüglich der Vertragsverlängerung positiv berichtet werden. Next-Level-Gentrification sozusagen.

Mit Schadenersatzforderungen gedroht

Willenbrock lehnte ab. In der Folge wurden die Betreiber am 10. Juni von der Anwältin des Fonds aufgefordert, die Geschäftsräume bis zum 19. Juni zu übergeben, da schon ein Folgemietvertrag abgeschlossen sei. Es werde mit Schadenersatzforderungen gedroht, berichtet die Nachbarschaftsinitiative Bizim Kiez. 

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Das alles wohlgemerkt in einer Zeit, in der auch die Politik fordert, Mieten zu reduzieren und keine Mieterinnen und Mieter vor die Tür zu setzen, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise zu überwinden. 

Nicht nur Kisch & Co ist betroffen

Übrigens ist nicht nur Kisch & Co betroffen: Auch gegenüber anderen Mieterinnen und Mietern im Haus wurden Bizim Kiez zufolge extreme Mietsteigerungen angekündigt, zum Teil von 13 auf 38 Euro pro Quadratmeter. 

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Kampflos hinnehmen will der Kiez das nicht: Am heutigen Mittwoch (24.6.) wird ab 18.30 Uhr vor dem Haus in der Oranienstraße 25 demonstriert, anschließend findet bei Kisch & Co eine Lesung statt.

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