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In der Krise wurden Therapien und Operationen verschoben. Um sie nachzuholen, wird Personal gebraucht.

© Kitty Kleist-Heinrich

Operationen während Corona-Pandemie: Berliner Krankenhäuser wollen zurück zum Normalbetrieb

Berliner Kliniken haben viele „planbare“ Operationen verschoben. Nun wollen sie schnell zum Normalbetrieb zurück – und erwarten einen Patientenansturm.

Die Berliner Krankenhäuser bereiten sich darauf vor, ihren Betrieb auch für Behandlungen abseits von Covid-19 und Notfällen wieder hochzufahren. Das zeigt eine Umfrage des Tagesspiegels unter den Berliner Kliniken.

Die strenge Vorgabe des Senats während der Coronavirus-Pandemie, dass alle Krankenhäuser planbare Operationen, soweit medizinisch vertretbar, verschieben müssen, wurde jetzt aufgeweicht. Nun sollen „Krankenhäuser, die an der Notversorgung teilnehmen“, auf solche Operationen weiterhin verzichten. Aus der Anweisung ist also eine Empfehlung geworden.

Viele der befragten Kliniken, die ihr Tagesgeschäft wieder aufnehmen wollen, erwarten einen Ansturm von Patienten, die nun endlich einen Termin für die lange verschobenen Eingriffe wie Hüft- oder Knieoperationen nachholen wollen.

Die Caritas-Klinik Maria Heimsuchung Pankow plant schon sehr konkret eine Rückkehr zumindest in einen teilweisen Normalbetrieb.

Abwarten, wie sich die Lockerungen auswirken

Ab dieser Woche werde man den OP-Betrieb wieder steigern, sagt Kliniksprecherin Christina Bustorf. „Wir bleiben aber für die nächsten beiden Monate bei 60 bis 70 Prozent des Normalbetriebes, um flexibel auf einen möglichen Anstieg von Patienten mit Covid-Erkrankung reagieren zu können.“

Es müsse abgewartet werden, wie sich die Lockerungen auswirkten. „Möglicherweise sehen wir in vier bis sechs Wochen wieder einen Anstieg der Patientenzahlen.“

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Das Krankenhaus Waldfriede geht noch einen Schritt weiter und hat bereits einen konkreten Termin für den Beginn des Normalbetriebes festgezurrt. Ab Montag werde die Zehlendorfer Klinik wieder ihrem normalen Tagesgeschäft nachgehen.

Der Nachholbedarf sei groß, sagt der Vorstand des Krankenhauses, Bernd Quoß. Er schätzt die Zahl der verschobenen Operationen allein für sein Krankenhaus auf 500 bis 700.

Nachholtermine meist erst im Herbst

Alle medizinischen Abteilungen der Kliniken – mit Ausnahme des Brustzentrums – seien gleichermaßen betroffen. Man vereinbare bereits Nachholtermine, die meisten jedoch erst für den Herbst. „Die Patienten wollen auf ’Nummer sicher’ gehen, und es liegt auch noch die Urlaubs- und Ferienzeit vor uns“, sagt Quoß.

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Tatsächlich ist der Nachholbedarf inzwischen immens: Nach Angaben der Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG) wurde die Auslastung in den Kliniken der Stadt im Durchschnitt von 85 Prozent auf 55 Prozent reduziert, um Behandlungskapazitäten für Covid-19-Patienten zu gewinnen.

„Wir haben die Leistungen von durchschnittlich 75 000 Patienten pro Monat im Jahr 2019 auf jetzt 50 000 Patienten pro Monat abgesenkt“, sagt BKG-Sprecherin Barbara Ogrinz. Das bedeutet, nach zwei Monaten Pandemievorsorge warten bereits um die 50 000 Patienten auf ihre als verschiebbar eingestufte Behandlung.

Erheblicher physischer und psychischer Leidensdruck

Man teile zwar die Überlegungen, Krankenhausbetten und Intensivkapazitäten dauerhaft für die Behandlung von Patienten mit Covid-19 zu reservieren, sagt Jenny Jörgensen, Sprecherin der Immanuel Diakonie, zu der das Immanuel Krankenhaus Berlin gehört. Aber der Nachholbedarf nach den verschobenen Behandlungen sei auch in ihrem Haus inzwischen sehr groß.

„Wir reden von Hunderten Patienten.“ Der Druck, einen Nachholtermin zu bekommen, werde spürbar größer. Die Patienten stünden aufgrund der Verschiebung ihrer Behandlung oder Operation häufig unter einem erheblichen physischen wie auch psychischen Leidensdruck.

Um nach der Lockerung schnell starten zu können, vereinbart das Immanuel Krankenhaus bereits vorläufige Termine. „Allerdings weisen wir stets darauf hin, dass eine endgültige Terminvergabe von den Entscheidungen der Politik abhängig bleibt.“

Terminvergabe für Nachhol-OPs begonnen

In absehbarer Zeit werde es keine vollständige Rückkehr zum Normalbetrieb geben können, sagt die Sprecherin. Das werde erst wieder möglich sein, wenn die Corona-Pandemie vorbei beziehungsweise das Coronavirus beherrschbar sei.

Im Evangelischen Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge erfolge die Rückkehr zum Normalbetrieb im somatischen – also nicht-psychiatrischen – Bereich in kleinen Schritten, sagt Sprecherin Svenja Koch. „Zum einen, um weiterhin Kapazitäten für die sehr dynamische Lage der Covid-19-Neuinfektionen freizuhalten und zum anderen, um Patienten zu ihrem eigenen Schutz möglichst in Ein- und Zweibettzimmern unterzubringen.“

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In den DRK-Kliniken Berlin bereitet man die Ausweitung der Nutzung von bislang für Covid-19-Patienten freigehaltenen Kapazitäten vor. Die Terminvergabe für die Nachhol-OPs habe bereits begonnen. „Wir achten aber sehr genau darauf, dass in den Wartebereichen immer genügend Abstand zwischen den Patienten bestehen kann“, sagt Sprecherin Romina Rochow.

„Wir erwarten einen großen Ansturm“

Auch wenn es zunehmende Nachfragen von Patienten und niedergelassenen Ärzten gebe, erwarten die Kliniken schon aufgrund der einzuhaltenden Hygieneregelungen einen eher behutsamen Anstieg der Patientenzahlen. „Eine Rückkehr zum Normalbetrieb wird es insofern nicht geben können, als es auf absehbare Zeit notwendig bleiben wird, besondere Hygieneregelungen zu beachten, die eine sichere Versorgung von Covid- und Nicht-Covid-Patienten gewährleisten.“

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Ähnlich sieht das Sankt Gertraudenkrankenhaus die Situation. „Wir bereiten vorsichtig das Wiederhochfahren vor“, sagt Sprecherin Ronja Witt. Dabei habe man immer im Blick, auch wieder herunterfahren zu können, sollten wieder mehr Covid-19-Patienten versorgt werden müssen.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Die Krankenhäuser der Johannesstift Diakonie erwarten für die Rückkehr zum Tagesgeschäft die Vorgabe der Bundes- und Landesregierung, sagt Konzernsprecherin Lilian Rimkus. Der Nachholbedarf sei sehr groß. „Wir erwarten einen großen Ansturm von Patientinnen und Patienten.“ Nachholtermine würden bereits vereinbart.

Auch Charité will freie Kapazitäten wieder nutzen

Auch die Charité würde ihre freien Kapazitäten gerne wieder nutzen. Man bereite sich darauf vor, schnell zu reagieren, sobald der Senat die entsprechenden Anpassungen der Regeln vornehme, an die man gebunden sei, sagt Kliniksprecherin Manuela Zingl. Deshalb werden auch schon Termine für Nachhol-OPs vereinbart.

„Wir informieren die Patientinnen und Patienten aber, dass der Termin je nach Rahmenbedingungen weiter verschoben werden könnte.“ Die Uniklinik sieht einen starken Nachholbedarf, vor allem bei Behandlungen mit längeren Aufenthalten. „An der Charité bleiben etwa 1000 Betten täglich leer. Das entspricht 40 Prozent der stationären Behandlungen.“

Vor allem Behandlungen mit längeren Aufenthalten waren betroffen, während dringliche Eingriffe noch erfolgt sind. Das Deutsche Herzzentrum Berlin (DHZB) will „so bald wie möglich“ zum Normalbetrieb zurückkehren. Das hänge vom Senat ab.

Im Gegensatz zu anderen Kliniken sehe man aber keine Patientenwelle auf sich zurollen. „Wir beobachten – wie viele andere Kliniken – Vorbehalte einiger Patienten gegenüber einem stationären Aufenthalt aus Sorge vor einer Ansteckung“, sagt DHZB-Sprecher Christian Maier.

Keine Termine bei Vivantes-Kliniken

Die neun Berliner Vivantes-Kliniken halten sich an die Senatsverordnung und vereinbaren für planbare Operationen derzeit keine neuen Termine, sagt Konzernsprecherin Kristina Tschenett.

Die Auslastung der Vivantes-Kliniken liege derzeit bei rund 60 Prozent der Betten statt durchschnittlich 85 Prozent wie vor der Pandemiephase.

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Das Krankenhaus Bethel rechnet zwar damit, dass planbare Operationen in Berlin bald wieder möglich sein werden. Von einem „Normalbetrieb“ gehe man aber mittel- bis langfristig nicht aus, sagt Sprecher Sebastian Peters. „Da eine Covid-19-Aufnahmestation, wie sie das Krankenhaus betreibt, auch nach den aktuellen Empfehlungen des Robert Koch-Institutes Teil des neuen Alltags sein müsse.“

Damit können bestimmte Kapazitäten bis auf weiteres nicht für die „normalen“ Versorgungsaufgaben genutzt werden.

„Wichtig, dass wir Patienten wieder behandeln können“

Seit zwei Wochen arbeiten die beiden Berliner Krankenhäuser des Helios-Konzerns an einem Konzept für das schrittweise „Hochfahren“ des Klinikbetriebes.

„Es ist wichtig, dass wir Patienten, die beispielsweise unter Schmerzen leiden und deren Eingriffe wir wegen der Covid-19 Pandemie zurückgestellt haben, wieder behandeln können“, sagt Daniel Amrein, Geschäftsführer des Helios Klinikums Berlin-Buch. „Gleiches gilt für schwerkranke Patienten, die sich in den letzten Wochen wegen Covid-19 womöglich nicht getraut haben, die Kliniken aufzusuchen.“

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