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Deutschlandpremiere: Brad Pitt, Quentin Tarantino, Margot Robbie und Leonardo DiCaprio (v.l.n.r.) in Berlin.

© AFP

Once Upon a Time in Hollywood meets Berlin: Tarantino vor dem Frühstück

Quentin Tarantino ist mal wieder in Berlin und stellt seinen neuen Film vor. Mit dabei sind viele bekannte Gesichter.

Tarantino vor dem Frühstück? Gewagte Sache. Bei dem Regisseur fliegen gern mal blutige Gehirne über den Fußboden, Köpfe werden ein paar Mal zu häufig auf beliebige Gegenstände geschlagen, hinter jeder Ecke wartet ein größeres Gemetzel, völlig unerwartet.

Oder wie hier: völlig erwartbar. Schließlich geht es in Tarantinos neuem Film „Once Upon a Time in Hollywood“ um die Geschichte von Sharon Tate, die 1969 hochschwanger von der Manson Family in den Hollywood Hills ermordet wurde. Also spritzt es auch diesmal ziemlich heftig. Doch halt ...

Als der Filmvorführer um kurz nach neun Uhr am Donnerstagmorgen das Sony-Hauskino am Potsdamer Platz betritt, ein einfaches weißes Din-A4-Blatt in der Hand, richtet er herzliche Grüße des Regisseurs aus. Der wünscht viel Freude am Film und bittet höflich darum, doch bitte nicht zu spoilern, damit der Rest der Welt noch genauso viel Freude am neunten Werk des zweifachen Oscar-Gewinners hat. Genau zwei Stunden und 41 Minuten später weiß man, was der Mann gemeint hat. Und warum der Hinweis diesmal keine standardmäßig vorgetragene Floskel war.

Bloß nichts verraten also, da scheinen sich alle einig zu sein, die sich weitere 45 Minuten später im Keller des Soho Houses versammelt haben. Schon eine halbe Stunde vor dem angekündigten Eintreffen der Filmschaffenden ist kein Sitzplatz mehr zu haben, solch ein Aufgebot ist dann doch recht ungewöhnlich in dieser Stadt, die sich inzwischen so sehr an kommende und gehende Promis gewöhnt hat, dass man nur noch lächelnd nickt: War das nicht ...? – Ach, der wohnt doch um die Ecke. Doch die Kombination aus Leonardo DiCaprio, Brad Pitt und eben Quentin Tarantino höchstselbst scheint dann für viele doch recht verlockend. Lauter Applaus, als sie auf die Bühne kommen: drei Männer in schwarz und die etwas farbenfrohere Tate-Darstellerin Margot Robbie („I, Tonya“).

Bloß nicht das Ende verraten

Was also kann man hier überhaupt sagen, was überhaupt fragen? Tarantino selbst eiert ziemlich herum, als er erklären soll, welcher geniale Kniff ihm da nun wieder eingefallen ist. „Es fällt mir schwer, weil ich ja nicht das Ende verraten will“, sagt er nach einigen Ähms und Öhs, Gestöhne, Gestikulieren. Überhaupt zappelt der 56-Jährige ziemlich viel herum, redet viel zu schnell und zu aufgeregt neben den obercoolen Superstars zu seiner Linken und einer Margot Robbie, die wirkt, als könne sie immer noch nicht fassen, dass ihr Name wirklich auf diesem überdimensionalen Filmplakat über ihr steht.

Berlinkenner. Quentin Tarantino drehte hier vor zehn Jahren „Inglourious Basterds“ – damals schon mit Brad Pitt.
Berlinkenner. Quentin Tarantino drehte hier vor zehn Jahren „Inglourious Basterds“ – damals schon mit Brad Pitt.

© Jörg Carstensen/dpa

„Ich habe ihm einen Brief geschrieben“, sagt sie über den Regisseur, „ich habe ihn schon immer bewundert, jetzt war das Timing perfekt.“ Sie, die makellose Blondine, Tarantinos Tate, deren Perfektion man im Film kaum erträgt, weil man weiß, was ihr Schicksal war, fast auf den Tag genau vor 50 Jahren. Am 9. August 1969 starb Sharon Tate, am 14. August 2019 startet „Once Upon a Time in Hollywood“ in den Kinos.

Hommage ans Hollywood der 1960er

Überhaupt: dieser Perfektionismus, alles voller Anspielungen für Filmfans, ans Hollywood der 60er, in dem Tarantino mit seiner alleinerziehenden Mutter aufwuchs, auf die alten Western, eine Hommage an Sergio Leone, auf den sich schon der Filmtitel bezieht. „Die Detailversessenheit ist unglaublich“, sagt Brad Pitt, Tarantino habe selbst die Schaufenster auf dem Hollywood-Boulevard mit passenden Accessoires und Büchern aus der Zeit ausgestattet, obwohl sie nur den Bruchteil einer Sekunde vorbeifliegen. „Niemand sieht das“, sagt Pitt. Tarantino nimmt das fast schamhaft lächelnd zur Kenntnis. Überhaupt scheint er es zu genießen, dass jeder zweite Fragesteller zunächst betont, „what a great movie“ er da wieder geschaffen habe, einer ist sogar im „Pulp Fiction“-Shirt gekommen, „Ich mag dein Shirt“, sagt Tarantino. Another great movie.

Die beiden Superstars, die im Film einen Schauspieler (DiCaprio) und dessen Double (Pitt) spielen, werden da fast zu Statisten, die Fragen zu Musik im Auto beantworten müssen – DiCaprio: 40er-Jahre-Musik, Pitt: Standup-Comedy – und wo sie sich gern im wahren Leben doubeln lassen würden – eindeutig: Wenn die Paparazzi kommen. „Aber das kannst du vergessen“, sagt DiCaprio, „die finden dich überall.“

Leonardo DiCaprio (links) und Brad Pitt spielen im neuen Tarantino-Film einen Filmstar und sein Double.
Leonardo DiCaprio (links) und Brad Pitt spielen im neuen Tarantino-Film einen Filmstar und sein Double.

© Jörg Carstensen/dpa

Fünf Jahre hat Tarantino an der Geschichte geschrieben, sehr viel Persönliches hineingeworfen. Es hätte eigentlich sein letzter Film werden sollen, Nummer zehn – schließlich hatte er angekündigt, dass sein Lebenswerk als Autor und Regisseur nur zehn Filme umfassen würde. „Once upon a time...“ hätte eigentlich am Ende stehen müssen, sagt er. Doch dann habe ihn das Schreiben davongetragen, Hollywood sich vorgedrängelt.

Was kommt also noch? Welches wird der letzte große Tarantino-Wurf? Der Meister schüttelt den Kopf, die Schauspieler blicken ihn erwartungsvoll an, als wollten sie sagen: Hauptsache, es bleibt eine Rolle für mich. „Ich hätte Lust auf Star Trek“, sagt Tarantino, doch auch für „Kill Bill III“ habe er eine Idee entwickelt, auch mit Uma Thurman darüber geredet, durch deren Gewaltvorwürfe er zuletzt eher negative Schlagzeilen verursacht hatte. Seine Stimme wird immer höher, er verfällt wieder in diesen leicht hektischen Quasselmodus – wie soll er alle Ideen ausdrücken in der Kürze der Zeit?

Oder geht die Zehn-Filme-Rechnung am Ende nicht auf? „Ich könnte vielleicht einen Ausweg finden und sagen: Star Trek wäre kein Autoren-Film“, sagt er, „dann könnte ich trotzdem noch ,Kill Bill III‘ machen. Oder etwas ganz anderes.“ Anderseits sei es auch nicht besonders elegant, sich ein Ziel zu setzen, um bei der erstbesten Gelegenheit nach Auswegen zu suchen. Alle lachen. Und wissen: Es wird ihm schon etwas einfallen. Irgendwas mit blutverschmierten Superstars.

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