zum Hauptinhalt
Leuchten die Olympische Ringe über Berlin?

© dpa

Olympische Spiele in Berlin: Der Naturschutz sagt Nein zu Olympia

Auf dem Gelände des Flughafen Tegel wird die lange verhandelte ökologische Nachnutzung übergangen, und auf dem Tempelhofer Feld könnte es noch schlimmer kommen. Ein Gastkommentar

Wir als Naturschutzbund (Nabu) Berlin stehen einer Olympiabewerbung sehr kritisch gegenüber, mehr noch: Eigentlich lehnen wir sie ab. Aus ökologischer Sicht stützen wir unsere Kritik auf zwei Kernpunkte, die den Flächenverbrauch und den damit einhergehenden Verlust von Biodiversität betreffen: den Flughafen Tegel und das Gelände Tempelhofer Feld.

Auf einem Teil des Flughafens Tegel soll das Olympische Dorf entstehen, vor allem aber sind dort temporäre Sportstätten geplant. Und diese mobilen Sportanlagen sollen genau auf jenem Gebiet entstehen, das nach der Stilllegung von Tegel eine Art grüne Schneise zwischen den jetzigen Abfertigungsgebäuden der Regierungsflieger und der geplanten Industriefläche bilden soll. Diese Schneise ist für das Klima in den angrenzenden Stadtgebieten von großer Bedeutung. Tegel ist eine Kaltluftschneise, und wir haben vorwiegend Westwinde. Durch dieses große Einfallstor, also die Schneise, wehen die Westwinde in die Stadt und sorgen damit für Luftaustausch und verbessern das Klima.

Ein gutes Konzept wird ignoriert

Ich muss ein wenig zurückgreifen, um richtig darstellen zu können, weshalb wir in diesem Punkt so sensibel sind. Von 2008 bis 2013 haben alle Interessensvertreter aus Ökonomie und Ökologie über die Nachnutzung von Tegel gesprochen. Und es ist halbwegs gelungen, ein Konzept auszuarbeiten, das die Bedürfnisse des Wissenschaftsstandorts und der Industrie, aber auch die Belange des Naturschutzes berücksichtigt hat. Das alles floss in einen Flächennutzungsplan beziehungsweise einen Masterplan TXL. Wir waren soweit zufrieden. Ein Jahr später kam dann die Diskussion über Olympia. Nun drängt man wieder auf die Freiflächen und ignoriert das frühere Konzept völlig.

Klar, für den Laien hört sich temporäre Sportstätte nicht schlimm an. Die Anlage wird ja später wieder abgebaut. Und zudem ist die Schneise für manchen ja nur ein grüner Rasen, und nach dem Abbau ist doch da wieder grüner Rasen. Aber dieser Eindruck täuscht. Auf diesem vermeintlich langweiligen, grünen Rasen ist ganz viel Leben. Dort existiert ein extrem großes Artenaufkommen. Zum Beispiel lebt dort eine sehr große Kolonie Feldlerchen. Nur auf dem Tempelhofer Feld gibt es berlinweit so viele Feldlerchen wie dort in Tegel. Außerdem findet man in dieser Schneise eines der größten Vorkommen in Berlin an Stechimmen - also Hautflügler -, Falter und Laufkäfer.

Es ist auch ein fataler Irrtum zu glauben, dass sich der Boden regeneriert, wenn dort zwei Wochen lang eine Sportstätte gestanden hat. Der Boden hat danach eine ganz andere, viel schlechtere Qualität. Die Bruträume für verschiedene Bodenbrüter sind dann weg. Und die Vögel natürlich auch. Zudem haben wir viele Käferarten, die nicht mobil sind. Die können, anders als die Vögel, nicht fliehen. So ein Gebiet kann man nur mit viel Aufwand renaturieren. Vielleicht erleben dann unsere Urenkel mal, wie der Boden früher ausgesehen hat. Der bisherige Naturhaushalt jedenfalls würde komplett über den Deister gehen.

Sorge um das Gebiet am Flughafensee

Aber das Gebiet, das uns in Tegel mindestens genauso interessiert, liegt gleich daneben, es ist das Areal, das an den Flughafensee grenzt. Denn einige Tierarten haben einen großen Bewegungsradius und sind deshalb auch hier vertreten. Dieses Gebiet ist von seiner Qualität her sogar Naturschutzgebiet. Dieses Gebiet soll laut Olympiakonzept zwar nicht angerührt werden, aber nach den jüngsten Erfahrungen sind wir misstrauisch. 2013 hatten wir auch nicht gedacht, dass ein Jahr später die ausgearbeiteten Pläne über den Haufen geworfen würden. Denn der Bereich am Flughafensee ist im Flächennutzungsplan zwar als Naturschutzgebiet gekennzeichnet, aber das Verfahren zur Unterschutzstellung wurde noch nicht begonnen.

Anja Sorges.
Anja Sorges.

© Frank Bachner

Und was das Gebiet Tempelhofer Feld betrifft: Auch dort haben wir große Befürchtungen. Im Olympia-Konzept sind zwar nur die Hangars und das Vorfeld als Sportstätten eingeplant, aber es ist eine Illusion zu glauben, dass das Internationale Olympische Komitee sich nicht noch etwas überlegt und die grünen Freiflächen nicht verplant werden. Im Moment gibt es keine Gewähr dafür, dass nicht doch Gebäude oder Anlagen hochgezogen werden, zumindest temporär. Und das wäre dann aus ökologischer Sicht eine Katastrophe. Die Planungen von Berlin sind aus unserer Sicht sehr, sehr vage, wir sind deshalb auch sehr vorsichtig. Anders gesagt: Wir befürchten, dass wir von einer Situation überrollt werden, die wir als Naturschützer nicht mehr in den Griff bekommen.

Anja Sorges, 40, Diplom-Forstwirtin, ist seit 2007 Geschäftsführerin und seit 2010 auch Pressereferentin des Landesverbands Berlin des Naturschutzbundes (Nabu). Ihr Beitrag erscheint im Rahmen der Tagesspiegel-Debatte zu Olympischen Spielen in Berlin.

Anja Sorges

Zur Startseite