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Senator Thomas Heilmann

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Olympische Spiele 2024: Der Senat riskiert einen Fehlstart bei Olympia

Die Zustimmung der Berliner zu Olympischen Spielen ist in den vergangenen 18 Monaten gesunken. Grund dafür ist keine mangelnde Begeisterung. Aber SPD und CDU müssen sich endlich ehrlich machen. Ein Gastbeitrag

Zur Erinnerung: Olympia in Berlin – das Thema beschäftigt uns bereits seit Frühling 2014, als sich der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit erstmals für eine Olympiabewerbung aussprach. Seitdem haben die Bürgerinnen und Bürger in unserer Stadt über die Chancen und Möglichkeiten, aber auch die Risiken gesprochen: zu Hause oder auf der Straße, mit Freunden oder Arbeitskollegen. Eigentlich eine gute Voraussetzung, eine breit angelegte und ehrliche Diskussion zu führen, ob und wie Berlin die Spiele will.

Die Diskussion schlief allerdings mit Wowereits Rücktrittsankündigung ein. Der rot-schwarze Senat genehmigte sich im Sommer eine bis Weihnachten andauernde Auszeit: Die größte Regierungspartei SPD verabschiedete sich für Monate in den innerparteilichen Nachfolgewahlkampf. Die mitregierende CDU ging in Wartestellung. Viele drängende Fragen blieben in dieser Zeit liegen, so auch die Diskussion um Olympia. Was bringen die Spiele den Berlinerinnen und Berlinern? – bis heute hat der Senat diese Frage nicht beantwortet.

Wenn wir über Olympia reden, geht es nicht um die schlichte Frage einer weiteren Großveranstaltung in unserer Stadt. Natürlich kann Berlin Großereignisse organisieren und durchführen. Jedes Jahr finden bei uns zahlreiche Sportevents wie der Berlin-Marathon, das Internationale Stadionfest oder das DFB-Pokalfinale statt und werden begeistert aufgenommen. Auch die Euphorie beim Public-Viewing der Fußball-WM und der Empfang der Weltmeister am Brandenburger Tor zeigt die Gastfreundschaft unserer Stadt. Und aktuell freuen wir uns über die Berlinale, die wie jedes Jahr eine halbe Million Besucher anlockt.

Warum wird nun also ausgerechnet über Olympia anders und intensiver diskutiert? Im Grunde geht es nicht um die schlichte Frage: Olympische Spiele – Ja oder Nein. Es geht um Berlin in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren. Wie wollen wir zusammenleben? Wie nutzen wir den wirtschaftlichen Aufschwung, damit ganz Berlin davon profitiert? Welche Zukunftsinvestitionen braucht unsere wachsende Stadt? Wie stärken wir die Vielfalt und Weltoffenheit?

Die Zustimmung in der Bevölkerung ist gesunken

Ende 2013 waren in einer repräsentativen Umfrage immerhin mehr als die Hälfte der Berlinerinnen und Berliner für Olympische Spiele. Das kann man durchaus als optimistische Grundeinstellung verstehen. Ende 2014 war die Zustimmung jedoch – wohl nicht zuletzt aufgrund der stillstehenden Regierungsarbeit und der ständigen Reibereien zwischen Rot-Schwarz – schon deutlich gesunken, wie eine weitere Umfrage zeigte.

Spüren die Menschen das Unvermögen des Senats, mit der Zukunftsfrage Olympia eine Vision zu verbinden, wie sich unsere Stadt langfristig entwickeln soll?

Aus der Tempelhof-Niederlage scheint der Senat nichts gelernt zu haben. Die drängendsten Fragen bei Olympia sind nicht allein die Kosten, maroden Sportstätten oder der Bau eines Olympischen Dorfes. Heruntergekommene Schulen, kaputte Straßen oder die zunehmende Wohnungsnot – es sind die alltäglichen Probleme, die den Menschen Sorgen bereiten, und auf die SPD und CDU keine überzeugenden Antworten liefern. So ist das größte Problem des Senats das geringe Vertrauen der Berlinerinnen und Berliner in Rot-Schwarz, das sich nicht allein durch Werbekampagnen zurückgewinnen lässt.

Olympia ist ohne eine frühzeitige und ergebnisoffene Bürgerbeteiligung nicht vorstellbar. Wer jedoch Bürgerbeteiligung ernst meint, legt keinen in Stein gemeißelten Masterplan zur Entscheidung vor, sondern lässt sich auf den Dialog mit der Stadt ein, nimmt Ideen und Vorstellungen auf und damit die Menschen ernst. Deshalb reicht es nicht aus, die Stadt im Herbst über Olympia mit Ja oder Nein abstimmen zu lassen. Wer kauft schon gerne die Katze im Sack?

Viel Zeit bleibt dem Senat nicht mehr, seine Vorstellungen von Olympia, die bislang mehr als vage geblieben sind, konkret zu machen und zur Diskussion zu stellen. Die bisherige Strategie des Senats, mit angezogener Handbremse zu fahren und lieber auf PR als auf Fakten zu setzen, überzeugt nicht. Es scheint so, als ob sich der Senat nicht allzu viel Arbeit machen möchte bis zur Entscheidung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) im März für Berlin oder Hamburg.

Berlin hat mündige Bürgerinnen und Bürger. Bevor die Menschen in unserer Stadt mitentscheiden wollen, möchten sie vor allem zunächst einmal mitdenken dürfen. Darum gilt es: Wir brauchen ein Maximum an Transparenz über Kosten, Projekte und Verträge. Die bisherige Informationspolitik des Senats beschränkt sich jedoch vor allem auf wohlklingende Adjektive wie nachhaltig, bescheiden und modern.

Zentrale Frage bleibt die Finanzierung - und die ist nicht geklärt

Konkrete Zahlen zu den Kosten, die auf unsere Stadt zukommen, sowie eine über Olympia hinausreichende Idee für Berlin bleibt der Senat bis heute schuldig. Eines der größten Risiken einer Berliner Olympiabewerbung, nämlich der unvollendete BER-Flughafen in Schönefeld, wird vorsichtshalber ganz ausgeklammert.

Längst hätten auch Alternativen angedacht und zur Diskussion gestellt werden können. Muss das Olympische Dorf wirklich nach Tegel? Und können wir wirklich noch mindestens zehn weitere Jahre auf die dort geplanten 5000 neuen Wohnungen verzichten? Wie passt das Versprechen von Nachhaltigkeit damit zusammen, dass der Senat eine Milliarde Euro für temporäre Sportbauten ausgeben möchte? Ist das IOC ausreichend von seiner bisherigen Gigantomanie und Intransparenz abgerückt?

Ramona Pop
Ramona Pop, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus in Berlin.

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Genauso ist unklar, wie Berlin seiner historischen Verantwortung gerecht werden will. Mit einer Olympia-Ausrichtung stünde unsere Stadt stärker denn je im Fokus der Weltöffentlichkeit. Deshalb müssten offene und vielfältige, inklusive und friedliche Spiele in Berlin ein Signal für Demokratie und Freiheit werden – und damit ein Kontrapunkt zu 1936.

Letztlich bleibt die Frage der Finanzierung aber die zentrale Frage für eine Stadt, die zehn Jahre harte Konsolidierung hinter sich hat. Hier muss sich der Senat ehrlich machen – zu viele unterschiedliche (und schöngerechnete) Zahlen geistern inzwischen herum. Sprechen wir über drei oder gar fünf Milliarden Euro? Rot-Schwarz muss einen Kostenplan vorlegen. Eine Neuverschuldung Berlins für Olympia wäre nicht akzeptabel – auch nicht indem neue Belastungen versteckt auf eine Landesgesellschaft abgeladen werden.

Heute zeigt sich zudem, dass auch mehr als 20 Jahre nach dem Berlin/Bonn-Gesetz die Rolle Berlins als Hauptstadt immer noch nicht abschließend geklärt ist. Denn eines muss klar sein: Wenn Berlin sich für Olympische Spiele bewerben sollte, muss dies eine gesamtdeutsche Bewerbung sein, hinter der Bund und alle Bundesländer stehen. Mündliche Zusagen heutiger Minister könnten bereits mit der nächsten Bundestagswahl hinfällig werden. Deshalb müssen Bund und Senat eine gemeinsame Gesellschaft gründen, die gleichermaßen die Kosten einer hauptstädtischen Olympiabewerbung trägt.

Ramona Pop, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus in Berlin. Sie beteiligt sich mit ihrem Kommentar an der Tagesspiegel-Debatte zu Olympischen Spielen in Berlin.

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