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© Sven Braun/dpa

Update

Offiziell von der Meinungsfreiheit gedeckt: Staatsanwaltschaft will nicht gegen Hengameh Yaghoobifarah ermitteln

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat die Prüfung der Strafanzeigen gegen die „Taz“-Kolumnistin beendet. Innenminister Horst Seehofer hatte das anders gesehen.

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat die Prüfung der Strafanzeigen gegen die Journalistin Hengameh Yaghoobifarah wegen der „Taz“-Kolumne „Abschaffung der Polizei: All Cops are berufsunfähig“ offiziell beendet und sieht keinen Anfangsverdacht für eine Volksverhetzung oder Beleidigung. „Die Äußerungen waren von der Meinungsfreiheit gedeckt“, sagte Sprecher Martin Steltner dem Tagesspiegel.

Yaghoobifarah war vorgehalten worden, in dem Text Polizisten mit Müll gleichgesetzt zu haben, der entsorgt gehöre. Die Staatsanwaltschaft hat bisher eine Vorprüfung des Falls vorgenommen. Ein förmliches Ermittlungsverfahren wird nun gar nicht erst eingeleitet.

Bei der Staatsanwaltschaft waren zu dem Mitte Juni veröffentlichten Text in der linken Tageszeitung mehr als 150 Strafanzeigen eingegangen, wie die Behörde am Freitag mitteilte. Es wurde zunächst geprüft, ob ein Anfangsverdacht einer Straftat - Volksverhetzung oder Kollektivbeleidigung - vorliegt.

In der Mitteilung hieß es: „Die Prüfung hat im Ergebnis ergeben, dass ein solcher Anfangsverdacht nicht besteht. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat das Verfahren deshalb ohne Aufnahme von Ermittlungen eingestellt.“

In der Kolumne „All cops are berufsunfähig“ ging es um ein Gedankenspiel, wo Polizisten arbeiten könnten, wenn die Polizei abgeschafft würde, der Kapitalismus aber nicht. Zum Schluss hieß es in dem Text: „Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.“

Der Text hatte heftige Kritik innerhalb der Polizei und bei Politikern ausgelöst. „taz“-Chefredakteurin Barbara Junge äußerte ihr Bedauern.

Trotz der „äußerst abschätzigen Bewertung“ noch vom Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt

Sogar Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte eine Strafanzeige in Erwägung gezogen - verzichtete aber letztlich darauf. Sein Manöver war auch als Angriff auf die Pressefreiheit kritisiert worden.

Die Staatsanwaltschaft rückte als Argument für ihre Entscheidung das verfassungsrechtlich geschützte Recht der Meinungsäußerung in den Mittelpunkt. Trotz der „äußerst abschätzigen Bewertung“ seien die Ausführungen der Kolumne noch vom Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt, hieß es.

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Eine Meinungsäußerung wäre demnach als strafbare Volksverhetzung zu bewerten, „wenn nicht eine Auseinandersetzung in der Sache - sei es auch in satirischer Form - sondern alleine die Beleidigung und die Schmähung im Vordergrund stehen“. Zudem hieß es in der Mitteilung zur Bewertung: „Insofern ist die Kolumne als zugespitzter Beitrag im Kontext der aktuellen öffentlichen Diskussion zu „Polizeigewalt“ und Rassismus innerhalb der Polizei zu sehen.“

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Bereits vor Wochen hatte sich abgezeichnet, dass die Staatsanwaltschaft kein Ermittlungsverfahren einleiten würde. Auch der Deutsche Presserat - das ist die freiwillige Selbstkontrolle der Presse, also von Zeitungen, Zeitschriften und Online-Medien - verhängte keine Sanktionen gegen den Text. Das Gremium kam zu dem Schluss, dass die Polizei als Teil der Exekutive sich gefallen lassen müsse, von der Presse scharf kritisiert zu werden. Beim Presserat waren Hunderte Beschwerden gegen den Text eingegangen.

Seehofer hatte eine Strafanzeige angekündigt, nach viel öffentlicher Kritik aber verzichtet

Bundesinnenminister Seehofer hatte die im Juni dieses Jahres erschienene Kolumne der Journalistin als „Enthemmung der Worte“ bezeichnet, die zu „Gewaltexzessen“ führe. „Das dürfen wir nicht weiter hinnehmen“. Zunächst hatte der Politiker eine Strafanzeige angekündigt, darauf aber nach viel öffentlicher Kritik verzichtet. Es lägen bereits Strafanzeigen vor, zudem seien die Delikte teilweise von Amts wegen zu prüfen.

Seehofer gab sich jedoch sicher, dass es zu einer Verurteilung kommen wird: „Schließlich bin ich der Auffassung, dass mit der Kolumne durch die menschenverachtende Wortwahl auch Straftatbestände erfüllt werden“, erklärte er in einer Pressemitteilung seines Ministeriums. (mit dpa)

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