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Michael Müller (SPD), Regierender Bürgermeister von Berlin, spricht bei einer Pressekonferenz zu den Pannen bei der Wahl am 26. September 2021 in Berlin.

© Foto: Christoph Soeder/dpa

„Oder willst Du den ‚Söder‘ der Berliner SPD abgeben?“: Ehemaliger Berliner Bausenator rechnet mit Michael Müller ab

Wolfgang Nagel wirft Müller in einem Brief vor, die Sondierungen zu torpedieren. Der Ex-Bausenator rechnet in dem Schreiben auch mit dem rot-rot-grünen Regierungsbündnis ab.

Der öffentlich ausgetragene Richtungsstreit in der Berliner SPD verschärft sich. Der ehemalige Berliner Bausenator Wolfgang Nagel mischt sich in den Streit um die Ausrichtung der Partei und eine mögliche Ampel-Koalition in Berlin ein und greift den noch amtierenden Regierenden Bürgermeister Michael Müller (beide SPD) in einem Brief scharf an. Er wirft ihm unter anderem vor, die laufenden Sondierungsverhandlungen zu torpedieren.

In dem Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt, schreibt der 77 Jahre alte SPD-Politiker: "Wenn Du Dich selbst nicht traust, Verantwortung für die Vergangenheit zu übernehmen, dann höre bitte umgehend auf, die Bemühungen von Franziska Giffey und des Geschäftsführenden Landesvorstands um eine andere Koalition zu torpedieren."

In den vergangenen Tagen hatten unter anderem enge Müller-Vertraute öffentlich Stimmung für eine Fortführung des Berliner Linksbündnisses und gegen die von SPD-Chefin Franziska Giffey präferierte Ampel gemacht. Auf einer Veranstaltung hatte sich Müller öffentlich dazu positioniert, dass Giffey kaum wie er selbst auch Wissenschaftssenatorin werden könne und auf den Verlust des Doktortitels angespielt.

Normalweise äußern sich Politiker nicht zu ihren möglichen Nachfolgern. In Parteikreisen wurde Müllers Statement deshalb teils als Affront gegen Giffey aufgefasst. Nagel schreibt in Anspielung auf den CSU-Parteivorsitzenden Markus Söder, der CDU-Spitzenmann Armin Laschet im Wahlkampf angegriffen hatte: "Oder willst Du den ,Söder' der Berliner SPD abgeben, indem Du unserer Spitzenkandidatin das Leben schwer machst?"

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Nagel, der von 1989 bis 1996 in Berlin Bausenator war, rechnet in dem Schreiben auch mit der rot-rot-grünen Regierung ab. Nagel kritisiert, dass wesentliche Ziele der aktuellen Koalition nicht erreicht worden seien, dass die Wohnungs- und Mietenpolitik „völlig gescheitert“ sei. Der Mietendeckel sei ein „politisches Desaster“. 

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Er kritisiert, dass Vorhaben der Stadtentwicklung torpediert worden seien und sich die Koalition nie als ein gemeinsames politisches Projekt begriffen habe. „Wie man angesichts dieser Bilanz Rot-Rot-Grün jemals als politisches Vorbild für die Bundesebene betrachten konnte, bleibt allein Dein Geheimnis“, schreibt Nagel.

Das Wahlchaos hat den Ausschlag für den Brief gegeben

Der Brief ist eine Abrechnung mit der Bürgermeisterschaft von Müller, der jetzt in den Bundestag wechselt, und seiner Politik: „Du übernimmst keine Verantwortung für das schlechteste Wahlergebnis der Berliner SPD, im Gegenteil: Ganz offenbar schiebst Du es unserer Spitzenkandidatin in die Schuhe.“

Nagel schreibt, er hätte nie gedacht, dass er so einen Brief formulieren würde, denn er selbst habe sich einst für Müller als Landesvorsitzenden eingesetzt. Aber jetzt könne er nicht mehr anders. „Den Ausschlag gab Dein Verzicht auf jede Verantwortungsübernahme für das Wahlchaos am Wahltag, das Berlin sowohl in Deutschland als auch international lächerlich gemacht hat und für die nächste Wahl die OSZE zur Überwachung auf den Plan rufen sollte.“

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Dies, schreibt Nagel, sei allerdings nur das „i-Tüpfelchen auf dem seit Jahren allgemeinen Verwaltungsversagen.“ Dafür trage „insbesondere der Regierende Bürgermeister eine Gesamtverantwortung, die auch erkennbar zum Ausdruck kommen muss.“

Die Abrechnung mit dem bisher regierenden Linksbündnis und Michael Müller reiht sich ein in den in der SPD schon am Wahltag aufkeimenden Richtungsstreit. Die Parteilinke drängt Spitzenkandidatin Giffey dazu, die bisherige Koalition fortzuführen.

Aus Parteikreisen ist zu hören, dass auch Michael Müller diese Linie unterstützt und ein Bündnis mit der FDP skeptisch sehen soll. Öffentlich für eine Ampel-Koalition ausgesprochen haben sich bislang Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel und Ex-Kulturstaatssekretär Tim Renner.

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