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Delikt Veggieburger.

© Jens Kalaene/dpa

Obsession von Fleischessern: Lasst die Vegetarier in Ruhe!

Warum versuchen manche Fleischesser immerzu, Vegetariern Unlogik nachzuweisen? Ein Kommentar.

Es kommt in den besten Familien vor. Zum Beispiel in meiner. „Ist das nicht inkonsequent?“, fragt die Schwester und meint damit, dass ich zwar Vegetarier bin, im Restaurant aber dennoch Fleischersatzprodukte bestelle, den Veggieburger etwa oder die Bockwurst aus Soja. Sie fragt das jedes Mal, als hätten wir es nicht schon zigfach diskutiert. Lerneffekt null. Dabei halte ich meine Schwester, alles in allem, nicht für überdurchschnittlich blöd.
Fleischesser verwenden erstaunlich viel Energie darauf, Vegetariern Logikfehler nachzuweisen. „Letztes Jahr hast du Gummibärchen gegessen, da war Gelatine drin!“ Oder: „Für deinen Ledergürtel mussten genauso Tiere leiden!“ Oder: „Du isst Avocados, das ist nicht gut für die Umwelt!“ In ihrer Beweisführung zeigen sie ein Maß an Besserwisserei, Kleinlichkeit und Penetranz, für das sie sich in anderen Lebenssituationen zu Recht schämen würden. Menschen, die sonst Wert auf freie Selbstentfaltung legen, spielen plötzlich Chefankläger.

Ich glaube, das ist kein Zufall. Ihr zwanghaftes Verhalten resultiert aus einer sich selbst eingeredeten Verteidigungshaltung. Entweder unterstellen sie dem Vegetarier, er halte sich für etwas Besseres, und möchten ihn deshalb erniedrigen. Oder sie haben Angst, über die eigene Verantwortung nachzudenken.

Vom Risiko des Sich-Informierens

Der folgende Gedanke ist nicht missionarisch gemeint (im Gegenteil sollte in Anlehnung an den Hamburger Großdenker Marcus Wiebusch gelten: Jeder isst das, was er will, und der Rest bleibt still), sondern dient lediglich der Erklärung: Die meisten Menschen, die sich hinreichend über die konkreten Missstände in der Massentierhaltung informieren, lehnen den Verzehr von Produkten dieser Industrie anschließend ab. Also ist es nötig, Distanz zu wahren. Erst gar nicht in Verlegenheit zu kommen, von den Quälereien in den Ställen zu erfahren.
Dafür hilft es, Vegetarier als irrationale Idealisten abzutun, die sich ihrer eigenen Widersprüche nicht bewusst sind. Alternativ kann man sie auch für Spaßbremsen, lustfeindliche Moralapostel oder Hippies halten. Dies, das, Ananas. Das Verhöhnen von Vegetariern ist natürlich das gute Recht jedes Fleischessers – aber kann er es nicht in Gedanken tun und der Welt seine Gehässigkeiten ersparen?

Für wen Imitate das beste sind

Kurz zu den Fleischersatzprodukten, die meine Schwester nicht versteht. Es gibt nun mal verschiedene Motive für den Verzicht auf Fleisch: Tier- und/oder Umweltschutz, Geschmacksvorlieben, die eigene Gesundheit. Und es gibt Menschen, denen Fleisch sehr wohl schmeckt, die vielleicht Gerichte ihrer Kindheit vermissen, die aber aus ethischen Gründen Vegetarier sind. Für uns sind Imitate das beste, was wir kriegen können. Sollen wir wirklich auf Sojawurst verzichten, nur damit Ignoranten wie meine Schwester nicht verwirrt sind?
Ich habe sie angeschrieben und gefragt, ob es okay sei, dass ich sie in der Zeitung als schlechtes Beispiel benenne. Kein Problem, antwortete sie, allerdings solle ich bedenken, dass sie ja kein grundsätzliches Problem mit Vegetariern habe: „Mir geht‘s dabei insbesondere um die Imitation des Fleischgeschmacks...“ Jaa, Herrgottnochmal, das weiß ich. Es ist, als würde man gegen eine Wand reden.

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