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Ein Bewohner zeigt einem privaten Wachmann seinen Berechtigungsausweis, damit dieser ihm das Tor zum Gelände der Kreuzberger Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin öffnet.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Oberstufe statt Flüchtlingswohnheim: Neue Idee für die Gerhart-Hauptmann-Schule

Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg prüft Nutzungen für Gerhart-Hauptmann-Schule – und denkt dabei auch an die gymnasiale Oberstufe.

Resignation und Ratlosigkeit stehen Jana Borkamp von den Grünen ins Gesicht geschrieben, als sie am Donnerstagabend in der Bezirksverordnetenversammlung auf die 70 Fragen der SPD-Fraktion zur Gerhart-Hauptmann-Schule antworten muss. Seit Monaten ist das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg zur Untätigkeit verdammt. Das Verwaltungsgericht hat ihm immer wieder in Eilverfahren untersagt, die weiter von Flüchtlingen bewohnte Schule räumen zu lassen. Zuletzt beschloss das Gericht Ende Mai, dass das Gebäude „keine öffentliche Einrichtung“ mehr sei und der Bezirk deswegen nur zivilrechtlich gegen die Bewohner vorgehen könne. Zwar hat der Bezirk Beschwerde eingelegt, aber bis es endgültig gerichtliche Klarheit gibt, können Monate vergehen. Bis dahin werden Monat für Monat mehr als 100.000 Euro benötigt, die Schule, in der noch 18 Flüchtlinge leben, zu unterhalten und zu sichern. Mit Kosten von 1,4 Millionen Euro rechnet der Bezirk in diesem Jahr.

Jetzt hat Borkamp eine erneute Nutzung als Schule ins Gespräch gebracht, sollte sich der Bezirk vor Gericht nicht durchsetzen können. Neu ist die Idee nicht. Die Fraktionschefin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Antje Kapek, hat dies bereits im vergangenen Sommer vorgeschlagen, um in der verfahrenen Situation eine neue Perspektive zu ermöglichen. Im Bezirk fehlen Plätze für die gymnasiale Oberstufe. Das Schulamt prüft.

Bezirk ließ das Gebäude leer stehen

Wenn Angelika Klein-Beber von einer möglichen Wiederbelebung als Schule hört, kann sie ihren Ärger über die Bildungspolitik im Bezirk nicht verbergen. Sie gehörte zu einer Elterninitiative, die vor Jahren an dem Standort eine evangelische Grundschule etablieren wollte. Stattdessen ließ der Bezirk das Gebäude leer stehen. Der Vorstoß scheiterte an der damaligen Bildungsstadträtin Monika Herrmann, der heutigen Bezirksbürgermeisterin. „Aus ideologischen Gründen“ habe Herrmann sich geweigert, sagt Klein-Beber. Was dazu geführt habe, dass massenhaft „Vermögen des Bezirks“ verschleudert wurde. Dieser Auffassung würde sich CDU-Generalsekretär Kai Wegner sofort anschließen. „Wenn man die enormen Summen, die Frau Herrmann in der Hauptmann-Schule durch den Schornstein jagt, einmal auf den Einzelfall herunterrechnet, ergeben sich Kosten von 77 000 Euro pro Flüchtling und Jahr“, sagt Wegner.

Evelyn Gülzow vom Diakonischen Werk Berlin-Stadtmitte möchte das Konzept dennoch nicht aufgeben, an der Schule ein Flüchtlingswohnheim und -zentrum unter Einbeziehung der Bewohner einzurichten. Obwohl diese wie berichtet die Angebote der Diakonie ausgeschlagen haben, weil sie ihnen nicht ausreichten. Vor allem lehnen sie die Einrichtung des Wohnheimes mit geplanten 130 Plätzen ab und fordern weiterhin Bleiberecht und Arbeitserlaubnis. Forderungen, die weder Bezirk noch Diakonie erfüllen kann. Auch die Direktorin der Diakonie Berlin-Brandenburg, Barbara Eschen, will die Hoffnung noch nicht aufgeben: „Ich bin mir sicher, dass die Mitarbeitenden erfolgreich am Aufbau eines internationalen Flüchtlingszentrums mitwirken würden, falls sich dort die Gelegenheit dazu ergeben sollte.“

Lesen Sie hier die Chronik der Schule

2007: Die eigentliche Oberschule wird geschlossen. Eine Elterninitiative bemüht sich erfolglos darum, das Gebäude für die Gründung einer Evangelischen Grundschule nutzen zu können.

2009: In einem Teil wird ein Drogenkonsumraum eingerichtet. Ein weiterer Komplex wird für andere Bildungseinrichtungen genutzt.

2012: Inzwischen steht das Gebäude leer. Am 8. Dezember besetzen Flüchtlinge die Schule. Das Bezirksamt lässt dies aus humanitären Gründen zu.

2013: Zwischenzeitlich leben mehr als 200 Flüchtlinge in der Schule, dazu kommen Obdachlose und einige Roma-Großfamilien. Immer wieder kommt es zu gravierenden Vorfällen in der Schule. Die hygienischen Verhältnisse gelten als katastrophal.

2014: Ende Juni gibt es eine Einigung mit dem Bezirk, die Schule zu räumen und in Wohnheime zu ziehen. Rund 40 Bewohner widersetzen sich. Begleitet wird dies von einem tagelangen Polizeieinsatz. Die Bewohner dürfen bleiben.

2015: Ende Mai untersagt das Verwaltungsgericht eine Räumung und verlangt ein zivilrechtliches Vorgehen. Bei der BVV am Donnerstag bringt der Bezirk eine neue Idee vor: die erneute Nutzung als Schule.

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