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Abschied vom Chefsessel. Seit 2002 führt Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs die Amtsgeschäfte im Rathaus.

© Manfred Thomas

Oberbürgermeister von Potsdam kündigt Abschied an: Jann Jakobs: "16 Jahre sind genug"

Potsdam, ade: Oberbürgermeister Jann Jakobs will zur Wahl 2018 nicht wieder antreten.

Er hat schon locker gelassen. In den vergangenen Wochen wirkte Jann Jakobs besonders entspannt. Als könne ihn nichts mehr erschüttern. Zumindest nichts, was in Potsdam geschieht. Sein Entschluss, sich nicht ein drittes Mal als Oberbürgermeister der brandenburgischen Landeshauptstadt zur Wahl zu stellen, muss da schon festgestanden haben.

Dennoch: Das Timing hat überrascht. Fast alle. Und das war wohl auch das Kalkül. Jakobs, seit fast 15 Jahren im Amt, wollte, dass ihm bei dieser Nachricht niemand zuvorkommt. Und bis zuletzt waren sich viele in der Potsdamer Politik nicht ganz sicher, ob der 63-Jährige es nicht doch noch einmal machen würde.

Dass er nun nicht mehr antritt, das sagt Jakobs gleich zu Beginn und ausdrücklich, sei „meine persönliche Entscheidung“. Wer ihn gut kennt, kann hören und ihm ansehen, dass es doch ein besonderer, ein bewegender Moment ist für ihn. Seine Stimme ist für einige Momente nicht so fest wie sonst. „Man verlässt ja etwas“, wird er am Schluss der Pressekonferenz am späten Montagabend sagen. Und dass die Partei ihn habe überreden wollen, noch einmal anzutreten – freilich bevor sein Entschluss bekannt war.

Dabei war Jakobs nie ein Parteisoldat. Mit den Rotweinrunden, bei denen Brandenburgs Sozialdemokraten einst die Machtfragen klärten, hatte der gebürtige Ostfriese nicht viel zu tun. Er gehörte nicht zum damaligen Kreis um Matthias Platzeck, seinem Amtsvorgänger, und Rainer Speer, dem langjährigen Potsdamer SPD-Chef. Jakobs hielt sich fern, anschneinend bewusst. Jetzt, zum Abschied, verhält er sich anders: Er wolle der Partei, der „man ja die Funktion verdankt, die man innehat“, ausreichend Zeit geben, um seine Nachfolge zu regeln.

Vater war Vorbild

Jakobs war selbst zu Beginn vor allem eines: der Nachfolger von Matthias Platzeck. Sein Aufstieg im Potsdamer Rathaus war ein schneller. 1993 aus Berlin-Spandau gekommen, wurde der gelernte Erzieher und studierte Diplomsoziologe zunächst Jugendamtsleiter, dann 1997 Dezernent für Gesundheit, Jugend und Soziales. Er habe weder geplant noch damit gerechnet, so hat Jakobs es selbst einmal gesagt, dass er Bürgermeister, gar Oberbürgermeister Potsdams werden würde. Und schon gar nicht nach nur fünf Jahren als Beigeordneter. Doch Platzeck löste Manfred Stolpe an der Spitze des Landes ab, und der Einzige, der im Rathaus als Nachfolger infrage kam, war Jakobs.

Der heute 63-Jährige stammt aus dem ostfriesischen Eilsum, einer armen Gegend. Er ist das älteste von acht Kindern, samstags musste er daheim auf dem Feld arbeiten, Mist schichten. Sein Vater war Schmied auf der Werft – und Sozialdemokrat. Ein Vorbild. Für ihn habe nie eine Alternative zur Sozialdemokratie existiert, es sei eine Selbstverständlichkeit gewesen, sich einzumischen. Vom Ostfriesischen allerdings hat er sich weit entfernt über die Jahre. Bevor er zum zweiten Mal Oberbürgermeister wurde, sagte er: „Mein Job, das ist für meine Familie so was von exotisch, darüber wird gar nicht geredet.“

Mancher beklagte über die Jahre, dass auch Jakobs den Potsdamern immer ein wenig fremd blieb. Wer nicht einverstanden ist mit seiner Politik, der schimpft auf den Ostfriesen – „eben keiner von uns“. Tatsächlich traut Jakobs nur wenigen Menschen, macht vieles mit sich aus. Und jene, die ihm nah sind, kennt er sehr lange und oft auch persönlich.

Versöhnliche Position im Häuserkampf

Politisch kann er eine nahezu makellose Erfolgsbilanz vorweisen. Potsdam wächst und gedeiht, die Stadt ist attraktiv, die Wirtschaftsdaten sind gut, aber auch das Soziale ist im Lot – selbst wenn immer wieder, nicht zu Unrecht, vor einer Spaltung der Stadt in Reich und Arm, Alt- und Neu-Potsdamer die Rede ist. Jakobs hat besonders in jüngster Zeit Entscheidungen getroffen, die dazu beitrugen, einen Ausgleich zu schaffen.

Gleichzeitig trieb er die Wiedergewinnung der historischen Potsdamer Stadtmitte mit dem Wiederaufbau des Stadtschlosses als Sitz des brandenburgischen Landtags voran. Eben wurde das von Mäzen Hasso Plattner finanzierte Museum Barberini eröffnet. Im Konflikt um die Gestalt der Mitte, im Potsdamer Häuserkampf, nahm Jakobs zuletzt auch eine versöhnliche Position ein: Das Hotel Mercure, ein DDR-Plattenbauhochhaus und Wahrzeichen der Stadt, bleibt stehen, die alte Fachhochschule direkt am Schloss fällt – ab Herbst soll sie abgerissen werden. Und rund um den Alten Markt werden teilweise Sozialwohnungen neu gebaut. Heute sagt Jakobs, über die Zukunft des Mercure müsse die nächste Generation entscheiden.

Potsdam soll tolerant bleiben

Wichtig ist ihm, das Potsdam eine tolreante, offen Stadt ist und bleibt. Er ging ein Dutzend Mal gegen Pogida, den Potsdamer Pegida-Ableger auf die Straße, stellte sich in vielen Bürgerversammlungen zur Unterbringung von Flüchtlingen den Potsdamern. „Das erfordert eine Haltung, persönliches Engagement, das muss aus dem Inneren kommen“, sagt er. Das schnelle politische Urteil konnte den stoischen Küstenmenschen nur selten in Aufruhr versetzen. Entsprechend schwer tat er sich in Krisen. Als Aufklärer besonders in Potsdams zwei Stadtwerke-Affären konnte er selten überzeugen – er ließ oft zu viel Zeit verstreichen, bevor er sich positionierte.

Jakobs will auch nach dem Abschied aus dem Rathaus Potsdamer bleiben. Er hat gerade ein Haus gebaut. Die Parteien sortieren sich unterdessen. Einen gesetzten Nachfolger gibt es nicht – aber es ist auch noch viel Zeit bis zur Oberbürgermeisterwahl im Herbst 2018. Derzeit scheint es, als wenn die CDU einen eigenen Kandidaten als Nachfolger ins Rennen schicken will. Die Linke kann sich einen parteilosen Bewerber vorstellen, der auf einem rot-roten Ticket in den Wahlkampf geht, die FDP hätte gern eine Jamaika-Koalition für den nächsten Oberbürgermeister, und die SPD will sich erst nach der Bundestagswahl entscheiden. Jann Jakobs kann es entspannt angehen.

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