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Wohin in der Kälte?

© imago/Gottfried Czepluch

Update

Obdachlose in Berlin: Senat will BVG dazu bringen, U-Bahnhof für Kältehilfe zu öffnen

Im Dauerstreit um Obdachlosenhilfe wird der Ton schärfer. Es läuft offenbar auf den U-Bahnhof Moritzplatz hinaus. Sozialsenatorin betont Verantwortung der BVG.

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Am Dienstag gab es im Senat dem Vernehmen nach Zoff um den Umgang mit Obdachlosen. Der Senat will die BVG offenbar unbedingt dazu bewegen, einen U-Bahnhof für die Kältehilfe zur Verfügung zu stellen. Glücklich ist die BVG nicht, wie an anderer Stelle zu hören ist, auch wenn die Chefin noch sagte: „Wenn man uns bittet, dann machen wir das.“ Sie vermied das Wort „zwingen“.

Dieses Wort benutzte auch Sozialsenatorin Elke Breitenbach, Linke, bei der Pressekonferenz am Nachmittag nicht. „Der Senat ist der Ansicht, dass die BVG als Landesbetrieb eine soziale Verantwortung für die Stadt hat", sagte sie. Und deshalb „erwarte" der Senat, dass die BVG weiterhin ein Angebot für diejenigen Obdachlosen macht, die die Kältehilfe nicht nutzen können. Sie sagte aber auch: „Ich kann die BVG nicht anweisen." Es gehe um etwa 80 bis 100 Personen, die aus verschiedenen Gründen die Notunterkünfte der Kältehilfe nicht in Anspruch nehmen: weil sie ihre Hunde nicht mitnehmen können, nicht auf Alkohol verzichten können oder zu krank seien.

Bürgermeister Müller: Man werde die BVG nicht damit „allein lassen“

„Wir hoffen noch auf irgendeine andere Lösung“, sagte BVG-Chefin Sigrid Nikutta am Mittag dem Tagesspiegel. Die BVG sei doch nur ein Platz für Obdachlose „wenn sonst nichts anderes mehr geht“. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), zugleich BVG-Aufsichtsratsvorsitzende, habe die Position der BVG zunächst verteidigt, aufgrund der Probleme mit Sicherheit und Hygiene keine Bahnhöfe über Winter mehr nachts geöffnet zu lassen. Dagegen wandten sich die Linken empört.

„Eine emotionale Diskussion folgte“, wie übereinstimmend berichtet wurde. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) sprach nach der Senatssitzung von einer „langen Diskussion“. Der Senat habe sich der Position von Elke Breitenbach (Linke) angeschlossen, dass die BVG „einige wenige Bahnhöfe“ zur Verfügung stellen müsse. „Wir bitten dringend darum, dass die BVG ihre Position noch einmal überdenkt“, sagte Müller. Man werde die BVG nicht damit „allein lassen“, sondern sie unterstützen. Aber man könne sonst nicht verhindern, dass eine kleine Gruppe von Menschen sich möglicherweise einen illegalen Zugang zu Bahnhöfen oder Tunnel verschaffen würden.

Nicht jeder Obdachlose kann ich jeder Einrichtung untergebracht werden

„Es ist selbstverständlich, dass das nur ein kleiner Baustein ist. Wir bieten 1200 Plätze in der Kältehilfe an, brauchen aber noch mehr Plätze“, sagte Müller. Das Angebot werde ausgebaut. „Auch Tempohomes werden dabei eine Rolle spielen.“ Aber offenbar gebe es im Rahmen der Kältehilfe eine Gruppe von Menschen, die man nicht zur Unterbringung in vorhandene Einrichtungen bringen könne. „Sie entziehen sich und wollen nicht in eine Sozialstation oder feste Unterkunft. Sondern diese Gruppe sucht Bahnhöfe, auf denen sie sich nicht nur nachts, sondern auch tagsüber aufhalten wollen“, sagte Müller.

Dem Vernehmen nach will die BVG der Sozialverwaltung den U-Bahnhof Moritzplatz an der U8 vorschlagen. Dieser hat ein großes Zwischengeschoss, von dem mehrere Ausgänge nach oben abgehen. Aber die BVG will Bedingungen stellen: Betreuung und Reinigung müsse die Sozialverwaltung übernehmen - „das machen wir nicht mal, wenn man uns Geld gibt“, hieß es bei der BVG.

Breitenbach sagte dazu, dass dies mit der BVG besprochen werden müsse. "Aber die BVG bekommt als Landesunternehmen hohe Zuschüsse vom Land." Es habe zudem bereits ein Treffen zwischen Nikutta und Breitenbach gegeben, bei dem vereinbart worden sei, dass der Senat vor einem Kältebahnhof Toiletten aufstellen würde und Sozialarbeiter für die Nächte zur Verfügung stelle.

Verkehrschefin: „Wir fangen nicht an, Menschen in Höhlen unterzubringen“

Bahnsteige will die BVG nicht mehr öffnen - aus Sicherheitsgründen. Im letzten Jahr, als weit mehr Obdachlose in den den beiden „Kältebahnhöfen“ Südstern und Lichtenberg übernachteten, waren immer wieder Obdachlose zum Urinieren in die Gleise geklettert. Zudem gibt es dort eine Stromschiene mit 750 Volt Spannung. In den Jahren davor waren immer drei Bahnhöfe geöffnet, Hansaplatz, Südstern und Schillingstraße.

In den letzten Tagen hatte es Streit um die Kältehilfe gegeben. Die Sozialverwaltung wollte einen geschlossenen Tunnel aus DDR-Zeiten am Alexanderplatz als Notquartier für Obdachlose nutzen. Dem Vernehmen nach hatte Alexander Fischer, Staatssekretär für Soziales, der Verkehrsverwaltung in einem Brief geschrieben, dass man „ernsthaftes Interesse habe, den Tunnel so schnell wie möglich zu öffnen“.

Die Reaktionen waren deutlich: Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) fand deutliche Worte: „Wir fangen nicht an, Menschen in Höhlen unterzubringen“, sagte die Verkehrssenatorin dem Tagesspiegel. Der Fußgängertunnel am Alexanderplatz sei „denkbar ungeeignet“, um Obdachlosen an kalten Wintertagen einen Schlafplatz zu bieten. 

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