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Ein fünfjähriger Junge sitzt allein auf einer Schaukel auf einem Abenteuerspielplatz in Berlin.

© picture alliance / ZB /dpa

Nur Bremen ist schlechter dran: In diesen Berliner Bezirken sind besonders viele Kinder von Armut betroffen

Kinderarmut bleibt - trotz Aufwärtstrend - ein Berliner Problem. 27 Prozent aller Kinder sind betroffen. Was unternimmt der Senat?

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In Berlin sind besonders viele Kinder von Armut betroffen, wie eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt: 161.319 Berliner Kinder gelten als arm, das sind 27 Prozent aller Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Nur Bremen schnitt im Ländervergleich noch schlechter ab.

Als „arm“ gelten Kinder, die in Familien leben, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II/Hartz IV) erhalten. Die Zahl für das Land Berlin ist zwar weiter hoch, hat sich seit 2014 aber leicht verbessert: Damals waren noch 31,8 Prozent der Kinder in Berlin von Armut betroffen.

Insgesamt wächst laut der Studie in Deutschland jedes fünfte Kind in einer Armutslage auf. 21, 3 Prozent der unter 18-jährigen gelten als arm oder armutsgefährdet. Die Zahl für Berlin liegt damit deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt.

Für die Studie hat die Bertelsmann-Stiftung Daten der Bundesagentur für Arbeit aus dem Dezember 2019 ausgewertet, die bis auf die Ebene der einzelnen Kreise und kreisfreien Städte Auskunft über die Anzahl der von Armut betroffenen Kindern geben. Für das Land Berlin gibt es deshalb nur eine Zahl, Unterschiede zwischen den einzelnen Bezirken werden in der Studie nicht aufgeführt.

Auf Nachfrage legte die Bundesagentur für Arbeit dem Tagesspiegel am Mittwoch die Daten für die einzelnen Berliner Bezirke vor. Die Zahlen zeigen: Die meisten von Armut betroffenen Kinder leben in Mitte (24.677) und in Neukölln (22.531). In Steglitz-Zehlendorf sind am wenigsten Kinder von Armut betroffen (5.409).

Einführung einer Kindergrundsicherung?

Um die Situation für die Betroffenen zu verbessen, fordern die Macher der Studie unter anderem eine Kindergrundsicherung. Dieser Forderung schloss sich die Berliner Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (Die Linke) am Mittwoch an.

Sie sagte: „Es ist leider so, dass arme Kinder arme Eltern haben. Wir wollen diese Kinder und ihre Familien aus der Armut befreien. Es geht dabei zum Beispiel um eine armutsfeste Grundsicherung und die Abschaffung von Sanktionen und Kürzungen beim Bezug von Hartz-IV für junge Menschen und Familien. Wir haben in Berlin einen Mindestlohn beschlossen, der auch die Kinder in einkommensschwachen Familien vor Armut schützt.“

Auch Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hält die Grundsicherung für einen guten Ansatz, sagte ein Sprecher.

Was in Berlin bisher getan wird

Die rot-rot-grüne Landesregierung hat im April 2017 eine Landeskommission zur Prävention von Kinder- und Familienarmut eingerichtet, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die Situation von armutsgefährdeten Kindern, Jugendlichen und deren Familien in Berlin zu verbessern.

Unter dem Vorsitz der Staatssekretärin für Jugend und Familien sind in der Kommission nicht nur andere Senatsverwaltungen vertreten, sondern auch Akteure wie die Landesarmutskonferenz, die Liga der Wohlfahrtsverbände und der Berliner Beirat für Familienfragen. Ein Ergebnisbericht liegt allerdings noch nicht vor, er soll dieses Jahr erscheinen.

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Um den Zugang zu Kitas möglichst früh und niedrigschwellig zu ermöglichen, sind die Berliner Kitas seit 2018 komplett gebührenfrei. Die Bildungsverwaltung verwies am Mittwoch außerdem auf den Ausbau von Familienzentren, einen verbesserten Betreuungsschlüssel in den Kitas und die Ausweitung des Ganztagsschulangebots.

Coronakrise trifft arme Familien besonders hart

Die Macher der Bertelsmann-Studie weisen darauf hin, dass arme Familien besonders stark von den wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise und der damit verbundenen steigenden Arbeitslosigkeit getroffen sind. Bildungssenatorin Sandra Scheeres hat bereits im April das Programm „LernBrücken“ ins Leben gerufen, mit dem Schülerinnen und Schüler unterstützt wurden, denen das Elternhaus nicht immer in adäquater Form helfen kann.

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Per Telefon, E-Mail und auch mithilfe von „Treppenhausgesprächen“ durch Sozialpädagogen von freien Trägern werden die Kinder unterstützt. Das Berliner Projekt, für das zunächst 3,2 Millionen Euro bereit standen, wird auch in Zukunft fortgesetzt.

Als eines der ersten Bundesländer hatte Berlin im Zuge der Coronakrise auch 9.500 Tablets besorgt, die über die Klassenlehrerinnen und -lehrer an bedürftige Schülerinnen und Schüler leihweise ausgegeben wurden. Außerdem brachte der Senat eine Bundesratsinitiative auf den Weg, wonach Kinder und Jugendliche von Sozialleistungsbeziehern Anspruch auf ein digitales Endgerät für die Schule haben sollen.

In den Sommerferien wurde derweil ein weiteres Projekt bereits umgesetzt: Mehr als 10.000 Schülerinnen und Schüler holten in mehrwöchigen Kursen Lernrückstände auf - dank der wegen der Corona-Pandemie eingeführten Sommerschule 2020. Auch in den Herbstferien soll es das Angebot wieder geben.

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