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Auf der Leipziger Straße in Berlin wird der Stickstoffdioxid-Wert überschritten.

© Soeren Stache/dpa

NOx-Grenzwerte in Berlin: "Die Berliner Luft ist miserabel"

An vielen Berliner Straßenmessstellen wird der Grenzwert für Stickstoffdioxid überschritten. Die Verkehrssenatorin liebäugelt mit einem Diesel-Fahrverbot.

Von Sabine Beikler

Vor dem Diesel-Gipfel mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag schließt Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) ein Fahrverbot von Dieselfahrzeugen in Berlin nicht mehr aus. „Die Berliner Luft ist miserabel“, sagte Günther. An fast allen Straßenmessstellen wird der Grenzwert für Stickstoffdioxid (NOx) überschritten.

„In der Stadt werden Grenzwerte signifikant nicht eingehalten“, so die Senatorin. Laut einer Auswertung der Umweltverwaltung, die dem Tagesspiegel vorliegt, werden die höchsten Werte in der Leipziger Straße und Buschkrugallee ermittelt. Rund 25.000 Anwohner an Berliner Hauptstraßen leiden direkt unter der schlechten Luftqualität.

Stickoxide können den Atemwegen und dem Herz-Kreislauf-System schaden. In Berlin lag der der Durchschnittswert für das gesundheitsgefährdende NOx im Vorjahr bei 52 Mikrogramm pro Kubikmeter.

"Dringender Handlungsbedarf"

An dem Treffen mit der Kanzlerin nimmt der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) erneut teil. Nach dem ersten Diesel-Gipfel vor vier Wochen sagte Müller, nur durch schnelle Software-Nachrüstungen und Umrüstung der Hardware von Fahrzeugen ließen sich Fahrverbote von Dieselfahrzeugen vermeiden. „Es gibt dringenden Handlungsbedarf“, sagte Müller damals.

Fahrverbote würden vor allem den Wirtschaftsverkehr in Berlin treffen. Von den 1,2 Millionen zugelassenen Pkw in Berlin sind rund ein Viertel Dieselfahrzeuge. Liefer-, Lastwagen und Busse dagegen fahren ausschließlich mit Dieselmotoren. Die seit September 2015 verbindliche Abgasnorm Euro 6 ist bisher noch die Ausnahme. Für die Umweltzone gilt seit 2006 die Euro-4-Norm. Rot-Rot-Grün setzt vor allem auf Umstellung der öffentlichen Fahrzeugflotte und auf Elektromobilität.

Bis Ende des Jahres hat die BVG alle 1400 mit Diesel betriebenen Busse mit einem Stickoxid-Filter nachgerüstet. Die Kosten in Höhe von drei Millionen Euro würden aus Fördermitteln finanziert, sagte BVG-Sprecherin Petra Reetz. Nach der Umrüstung erfüllen alle BVG-Busse die Euro-6-Norm.

Umrüstung auf Elektrobusse

Sowohl in Berlin als auch in Hamburg bereiten die Verkehrsbetriebe zurzeit eine europaweite Ausschreibung zur Anschaffung von Elektrobussen vor. Die beiden Städte haben große Hersteller in einem Letter of Intent auf die zunehmende Bedeutung von Elektromobilität in kommunalen Fahrzeugflotten aufmerksam gemacht und erwarten ein entsprechendes Entgegenkommen. In Berlin sollen dem Vernehmen nach 30 E-Busse gekauft werden, die sukzessive ab Ende 2018 ihre Fahrt aufnehmen sollen.

Ob Hersteller auch fristgerecht und in einem vernünftigen Kostenrahmen 30 E-Busse fertigen können, wird sich während der Ausschreibung zeigen. E-Busse sind im Durchschnitt zwei- bis dreimal teurer als dieselbetriebene Busse. Laut Reetz kostet ein herkömmlicher Bus zwischen 250 000 und 300 000 Euro. Die BVG erhofft sich vom Land für die Anschaffung der elektrobetriebenen Fahrzeuge zusätzliche finanzielle Unterstützung. Dem Vernehmen nach wird derzeit ein Vertrag mit dem Land vorbereitet.

Ladesystem ungeklärt

Im Testbetrieb fahren zurzeit vier E-Busse auf der Linie 204, die von dem Unternehmen Solaris in Polen hergestellt wurden. Mit diesen Bussen habe man bisher gute Erfahrungen gemacht, sagte Reetz. Ungeklärt aber ist das künftige Ladesystem für weitere Elektrofahrzeuge. Im Durchschnitt würden die Busse zwischen 200 und 400 Kilometer pro Tag auf Berliner Straßen unterwegs sein. Verkehrssenatorin Günther kündigte an, dass bis zum Jahr 2021 die 160 Ladepunkte auf 700 in der Stadt erhöht werden sollen.

Günther fordert Blaue Umweltplakette

Die Verkehrssenatorin fordert seit längerem die Einführung einer blauen Umweltplakette. Solange es diese Plakette für saubere Dieselfahrzeuge nicht gibt, setzt Günther auf Geschwindigkeitsbegrenzungen, um die belastete Berliner Luft zu verbessern. Nach dem Treffen mit Merkel will sie prüfen, wie schnell die Einführung von weiteren Tempo-30-Zonen auf Hauptverkehrsstraßen umgesetzt werden kann.

Das sind, wie berichtet, in Mitte die Leipziger Straße zwischen Leipziger Platz und Markgrafenstraße, in Tiergarten und Schöneberg das Stück Potsdamer Straße zwischen Schöneberger Ufer und Kleistpark. In Schöneberg zudem die Hauptstraße zwischen Kleistpark und Innsbrucker Platz, außerdem der Tempelhofer Damm von Alt-Tempelhof zur Ordensmeisterstraße und in Charlottenburg die Kantstraße zwischen Savignyplatz und Amtsgerichtsplatz.

Überschreitungen von Stickstoffdioxid-Grenzwerten:

Der EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter wird in vielen Hauptverkehrsstraßen überschritten: Leipziger Straße (Wert: 66), Buschkrugallee (63), Hauptstraße (57), Herrmannstraße (56), Potsdamer Straße (56), Spandauer Damm (56), Sonnenallee (55), Alt Moabit (54), Michael-Brückner-Str. (54), Badstraße (53), Silbersteinstraße (52), Alt Friedrichsfelde (52), Karl-Marx-Straße (51), Landsberger Allee (51), Berliner Allee (50), Klosterstr. (49), Schlossstraße (49), Tempelhofer Damm (48), Invalidenstraße (46), Schildhornstraße (46), Beusselstraße (45), Kantstraße (45), Friedrichstraße (44), Markgrafendamm (41), Frankfurter Allee (41).

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