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Der Überblick zählt. Ob in Rettungswagen, Kliniken oder Praxen arbeiten Ärzte oft unter Hochdruck.

© dpa

Notaufnahmen in Berlin: Rette mich, wer kann

Eine Zusatzausbildung zum Akutmediziner soll die Arbeit in den Rettungsstellen der Berliner Kliniken verbessern. Senator Czaja und Ärztekammer ziehen an einem Strang.

Der Gesundheitssenator und die Berliner Ärzteschaft wollen das Rettungswesen der Stadt modernisieren. Zunächst möchte Senator Mario Czaja (CDU) in den Rettungswagen bessere Software installieren lassen, die permanent die Belegung der Notaufnahmen anzeigen soll – das dürfte allerlei Telefonate mit den Kliniken überflüssig machen. Wegen des Alters vieler Patienten soll dazu der „geriatrische Sachverstand“ verbessert werden. Und mit den Krankenkassen verhandelt Czaja erneut über das Stroke-Einsatz-Mobil, der Spezialwagen für Schlaganfall-Patienten.

Bundesweites Aufsehen aber dürfte die geplante Einführung einer Zusatzqualifizierung als Akutmediziner in den Rettungsstellen erregen. Die Stadt wäre dabei Vorreiter. Bislang hängt der Blick auf die Patienten in einer Notaufnahme auch davon ab, wer dort Dienst hat – häufig sind es Internisten oder Neurologen. In den Rettungsstellen kommen nicht nur Notfälle an, sondern viele Menschen, die nicht in der Praxis ihres Hausarztes warten wollen. Um dringende Fälle besser zu erkennen, forderte die Deutsche Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin eine eigene Facharztausbildung für Rettungsstellen, wie sie anderen Ländern üblich ist. Die kommt zwar vorerst nicht, doch sollen Ärzte nun speziell für Rettungsstellen ausgebildet werden.

Spezialist für den klaren, schnellen Überblick

Der offizielle Name der neuen Spezialisierung lautet: klinische Notfall- und Akutmedizin. Dazu sollen Ärzte in einer dreijährigen Weiterbildung zwei Jahre in einer Rettungsstelle arbeiten. Dabei herauskommen soll der Spezialist fürs Generelle, der Mediziner für den klaren Überblick. „Das ist ein sinnvoller Weg, die medizinische Versorgung in den Rettungsstellen zu verbessern“, sagte Senator Mario Czaja dem Tagesspiegel.

Viele Notaufnahmen arbeiten mit Rotanden, also Ärzten, die zeitweise von anderen Stationen abgezogen werden. In Berliner Rettungsstellen werden pro Jahr 1,2 Millionen Menschen behandelt: 70 Prozent werden schnell nach Hause geschickt, denn bei den meisten liegt keine akute Erkrankung oder Verletzung vor. Doch nicht immer werden die Notfälle in der Masse erkannt. Wie berichtet, ist in einer Steglitzer Rettungsstelle 2013 bei einem Studenten eine tödliche Herzerkrankung übersehen worden. Dem diensthabenden Arzt ist rechtlich nichts vorzuwerfen, doch zeigt der Fall, wie rasch der Überblick verloren gehen kann.

Entscheidend ist das Votum in der Ärztekammer

Im Juni trifft sich der zuständige Ausschuss der Berliner Ärztekammer, später stimmen 46 Delegierte der Kammer über die Weiterbildung ab. „Ich hoffe, dass sie unseren Vorschlag annehmen“, sagte Werner Wyrwich vom zuständigen Ärztekammer-Arbeitskreis. Nach Tagesspiegel-Informationen gilt eine Zustimmung jedoch als sicher. Die Ärztekammer ist für das Berufsrecht zuständig. Sie ist eine Organisation öffentlichen Rechts. Ihr müssen alle 28.000 zugelassenen Mediziner der Stadt angehören.

Erst wenn die Ärztekammer die Fortbildung einführt, könnte Senator Czaja die Kliniken verpflichten, solche Notfall- und Akutmediziner zu beschäftigten. Czaja kündigte an, den Einsatz der Rettungsstellen-Spezialisten dann im Krankenhausplan festzuschreiben. Dieser Plan regelt Rechte und Pflichten der rund 50 Berliner Kliniken, die für die Versorgung der Bevölkerung als notwendig erachtet werden. Der Senat kann ihn ohne das Abgeordnetenhaus beschließen.

In Rettungsstellen fehlt Geld - wann zahlen die Kassen mehr?

Unbeantwortet bleibt die Frage nach dem Geld. Aus den Kliniken ist zu hören, die Rettungsstellen würden nicht ausreichend vergütet. Seit 2003 bekommen die Kliniken feste Sätze von den Krankenkassen. Für die meist kurzen Behandlungen in den Notaufnahmen erhalten sie pro Fall im Schnitt rund 30 Euro – die tatsächlichen Kosten sollen aber bei bis zu 130 Euro liegen. Czaja verweist auf den Koalitionsvertrag zwischen SPD und Union im Bund. Dort heißt es: Die Notfallversorgung konzentriere sich auf Rettungsstellen, das mache eine Anpassung der Vergütung erforderlich.

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