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Das Kino Colosseum gehört der Familie des verstorbenen Filmproduzenten Artur Brauner.

© Paul Zinken/dpa

Niemand hat die Adresse überprüft: Wie Pankow das nahende Aus für das Kino Colosseum übersehen hat 

Im Bezirk waren die Pläne für den Umbau eines der ältesten Berliner Kinos zu einem Bürogebäude bekannt – aber niemand reagierte. Warum?

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Dieser Fall reicht nicht einmal dafür aus, um in die Annalen des legendären Berlinpingpong zwischen den Behörden im Modus der Unzuständigkeit einzugehen. Es ist noch viel schlimmer: Mehrere Stellen waren beteiligt, doch niemand hat den Pingpong-Ball gesehen und erkannt, welche politische Verantwortung daraus erwächst.

Es geht um das Kino Colosseum an der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg. Die Erben von Artur „Atze“ Brauner wollen das Lichtspielhaus nach der Corona-Schließung nicht wieder öffnen und den Kinobetrieb einstellen. Zum Jahresende haben die sechs Eigentümer – darunter Sammy Brauner - den Pachtvertrag mit der Betreibergesellschaft – bislang geführt von Sammy Brauener - aufgehoben.

Vorgeblich rechnet sich der Betrieb trotz erlaubter Öffnung ab 2. Juli im Zuge der Corona-Lockerungen nicht mehr, durch die Abstandsregeln sei die nötige Auslastung nicht zu erreichen, teilte der Insolvenzverwalter jüngst mit. Im Kino soll es nicht mehr auf der Leinwand flimmern, sondern höchstens das Licht in neuen Büros, die dort entstehen sollen.

Im Bezirksamt waren die Pläne jedenfalls bekannt, nur die politische Führung wusste davon nichts. Und das kam so: Im Herbst 2019 hatte die Erbengemeinschaft einen Bauvorbescheid beantragt. Im Sommer erst, wenige Monate zuvor, war Artur Brauner im Alter von 100 Jahren gestorben. Das von ihm 1997 wiedereröffnete Traditionskino hatte er als „Krönung seines Lebenswerks“ bezeichnet.

Doch nach Brauners Tod ließen seine Erben fix prüfen, ob die Immobilien unter Wahrung des Denkmalsschutzes zu einem Büro- und Konferenzzentrum umgebaut werden kann. Das Bezirksamt erteilte den Vorbescheid. Doch niemandem fiel im Pankower Bezirksamt für Stadtentwicklung auf, um welche Immobilie es ging, welche politisch Brisanz das Thema hat.

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Der Bezirk hat die Adresse nicht geprüft

Die Erklärung von Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne): In der ersten Spalte der Vorhaben-Liste als beantragter Bauvorbescheid sei lediglich die Adresse „Schönhauser Allee 123“ eingetragen worden. Niemand hat offenbar gemerkt oder gezielt überprüft, was es mit Adresse auf sich hat – dass dort nämlich eines der ältesten Kinos Berlins steht.

Die Vorhabenliste wurde auch an die Bezirksverordnetenversammlung weitergeleitet, doch auch der zuständige Ausschuss hat nicht bemerkt, dass es um das Colosseum geht. Dabei hätte ein Blick ins Internet gereicht. Die Hausnummer prangt sogar neben dem Eingang.

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Nun ist es müßig, darüber zu spekulieren, was gewesen wäre, hätte die politische Führung im Bezirksamt früher bescheid gewusst. Fest steht: Der Bezirk hätte früher aktiv werden können, wäre die Brisanz erkannt worden.

Die Abläufe legen zumindest den Eindruck nahe, dass die Eigentümer bereits vor Monaten erwogen haben, das Kino zu schließen, und die Coronakrise ein geeigneter Anlass war, die Pläne umzusetzen.

Bezirksbürgermeister will Haus für Kultur

Bezirksbürgermeister Sören Benn sagte, dass im Bezirksamt zuweilen mehr Sensibilität nötig sei für politisch relevante Sachverhalte. Und nun? Für einen Umbau müsste noch ein Bauantrag gestellt werden. Wenn sich die Eigentümer nicht allzu ungeschickt anstellen, dürfte die Baugenehmigung nicht zu verhindern sein.

Benn und Kuhn wollen nun retten, was zu retten ist. Der Vorschlag des Bezirksbürgermeisters für „Haus der Kultur und Kreativwirtschaft“ soll jetzt konzeptionell ausgearbeitet werden. Für die Übergangszeit sollten „großzügig Zwischennutzungen der freien Kulturszene Pankows“ ermöglicht werden, findet Benn. Jetzt werde nach Partnern und das Gespräch mit den Eigentümern und dem Insolvenzverwalter gesucht.

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