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Im Ostseebad dürfen Fremde am Strand nicht fotografiert werden.

© dpa

Nicht nur Boltenhagen: Fotografierverbot soll auch in Berliner Bädern kommen

Nach der Debatte an der Ostsee: In fast allen Bädern in Deutschland gibt es ein Fotografierverbot. In Berlin nicht. Doch die Bäderbetriebe wollen es in die Hausordnung aufnehmen.

Ein Szenario, fiktiv: Ein Mann zückt im Prinzenbad sein Smartphone und fotografiert seinen achtjährigen Sohn, der über die Wiese tollt. Darf der Vater das? Darf er seinen Sohn fotografieren, als Erinnerung? In Berlin, in den Einrichtungen der Berliner Bäderbetriebe (BBB): ja. Das ist doch wohl normal?

Nein, das ist nicht normal. „In fast allen privaten und kommunalen Bädern in Deutschland gibt es ein generelles Fotografierverbot“, sagt ein BBB-Sprecher. „In Berlin nicht.“ Die BBB-Hausordnung ist überaus detailliert. Da steht etwa drin, dass keine Fotos für gewerbliche Zwecke gemacht werden dürfen. Dass dies auch für private Zwecke gilt, steht nicht drin.

Der Sprecher kann nicht sagen, weshalb der Passus fehlt, er kann nur sagen, „dass die überarbeitete Hausordnung diesen Passus enthalten wird“. Wann diese Neufassung allerdings herauskommt, das wiederum kann er nicht sagen.

Noch nie offizielle Beschwerden

In der Praxis freilich fällt der fehlende Paragraf nicht auf. „Wir hatten bisher noch nie offizielle Beschwerden, weil jemand in den BBB-Bädern erkennbar privat fotografiert hatte.“ Das Verbot geht ja auf die Beschwerden vor allem in Themen- und Wellnessbädern über Spanner zurück, die heimlich Fotos machten.

Deshalb hat die Deutsche Gesellschaft für das Bäderwesen vor Jahren privaten und kommunalen Einrichtungen ein generelles Fotografierverbot empfohlen. Die Berliner Bäderbetriebe sind Mitglied in dieser Gesellschaft, umgesetzt haben sie diese Empfehlung allerdings nicht.

„Man muss ja aber sehen, dass die Hauptaufgabe der Bademeister die Sicherheit und der reibungslose Ablauf des Badebetriebs ist“, sagt der BBB-Sprecher. Die hätten nicht die Zeit, jedem hinterherzulaufen, der ein Smartphone in der Nähe seiner Augen hat. „Und selbst wenn, der Bademeister kann ja nicht genau sagen, ob einer telefoniert oder fotografiert.“ Wenn jemand seine Kinder fotografiere, werde ohnehin keiner ernsthaft eingreifen.

Bademeister stoßen auf Grenzen

Die Frage ist allerdings, ob ein argloser Vater sein Kind ablichtet oder ein Pädophiler die Linse auf Minderjährige richtet. Aber auch da stoße ein Bademeister an Grenzen. „Wie soll er einschätzen, ob das ein Vater ist oder ein Pädophiler?“, sagt der BBB-Sprecher. Der Bademeister könne nur eingreifen, wenn direkte Beschwerden an ihn herangetragen würden.

Überhaupt, „die Digitalisierung macht Spannern doch alles einfacher“, sagt der BBB-Sprecher. Ein Smartphone, mit dem man Fotos mache, falle doch gar nicht mehr auf. „Früher liefen Spanner noch mit Fotoapparaten durch die Gegend.“

In Boltenhagen an der Ostsee brach die Diskussion los

Das Fotografierverbot erreicht inzwischen aber ungeahnte Bereiche. Am Ostseestrand von Boltenhagen ist das Knipsen seit Neuestem ebenfalls verboten. Angeblich haben sich zu viele Gäste über ungebetene Fotografen beschwert. Am Wochenende hatten kleine Aufkleber mit einem durchgestrichenen Fotoapparat an Schildern der 20 Strandzugänge des Ortes in Mecklenburg-Vorpommern Diskussionen ausgelöst.

Die Hinweise gingen auf einen im Mai von Sozialministerium und Tourismusverband vorgestellten Flyer zurück, der über Gefahren und übliche Verhaltensweisen an Stränden aufkläre, sagte Kurdirektorin Claudia Hörl. Es gebe aber kein generelles Foto-Verbot, nur Fremde dürften am Strand nicht abgelichtet werden

Der Text zum Foto-Aufkleber in Deutsch, Englisch und Arabisch werde nachträglich in dieser Woche angebracht, sagte Boltenhagens Marketingchefin Katleen Herr.

Es geht darum, nicht fremde Menschen einfach zu fotografieren

Die Formulierung „Bitte fotografieren Sie keine fremden Menschen ohne deren Zustimmung“ sei eine Empfehlung. „Es wäre ja furchtbar, wenn die Seebrücke, die Steilküste und der Zuckersandstrand von Boltenhagen nicht mehr abgebildet würden!“ Auch die eigenen Kinder sollen weiter beim Buddeln fotografiert werden, nur eben fremde Besucher nicht.

„Wir wollen an die Leute appellieren, auf die Persönlichkeitsrechte der Strandgäste Rücksicht zu nehmen“, sagte die Kurdirektorin. Boltenhagen liege an der früheren innerdeutschen Grenze. „Es gab hier lange genug Beobachtungstürme. Früher sind die Leute am Strand dauernd überwacht worden.“ Grenztruppen der DDR sollten auf diese Weise Flüchtlinge aufspüren, die über die Lübecker Bucht in den Westen gelangen wollten. Viele Gäste reagierten noch immer sehr sensibel auf Ferngläser und Kameras am Strand, erklärte Hörl.

Mitte Mai hatte Landessozialministerin Birgit Hesse (SPD) den mehrsprachigen Flyer vorgestellt. Dort seien Regeln mit aufgenommen worden, die für Einheimische als selbstverständlich gelten sollten, meinte die Ministerin. 25 000 dieser Hinweiszettel sollen in Kurverwaltungen, Hotels und an Rettungstürmen an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns ausgelegt werden.

Freilich: Wem das Verbot im Norden nicht passt, kann immer noch nach Berlin reisen. Dort darf er vermutlich noch ziemlich lange fotografieren. Die Frage, ob erst die neue BBB-Hausordnung oder die Eröffnung des BER kommt, ist sicher spannend.

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