zum Hauptinhalt
Ende Januar 2021 äußerte sich Erzbischof Heiner Koch, Bischof des Erzbistums Berlin, zum Gutachten.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

„Nicht mit den Opfern gesprochen“: Kritik an Erzbistum Berlin nach Gutachten zu Missbrauch

Betroffene seien nicht einbezogen worden, die Öffentlichkeit habe keine Kontrollmöglichkeit. Die Kritik am Missbrauchsgutachten ist scharf.

Nach der Veröffentlichung des Gutachtens zu Fällen sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Berlin am vergangenen Freitag hat der Geschäftsführer des „Eckigen Tischs“, an dem sich Betroffene des Missbrauchs am Berliner Canisius-Kolleg zusammengeschlossen haben, Matthias Katsch, scharfe Kritik am Gutachten und dem Vorgehen der Erzdiözese geübt. Das Gutachten identifiziere keine Verantwortlichen, nenne keine Täter, und die Gutachter hätten nicht mit den Opfern gesprochen.

Auf diese Weise werde verhindert, „dass Betroffene voneinander erfahren, sich austauschen und vernetzen können“, heißt es in einer Stellungnahme von Katsch, die dieser Zeitung vorliegt.

„Auch die Öffentlichkeit wird gehindert, sich ein Bild von den empörenden Vorgängen machen zu können, angeblich um Voyeurismus zu vermeiden.“ Aus Sicht von Katsch werde dadurch das Bemühen um Aufklärung und Aufarbeitung ad absurdum geführt.

Eine Kontrolle über das kirchliche Vorgehen durch die Öffentlichkeit sei nicht möglich. Scharf kritisierte der Betroffenenvertreter auch, dass die Ordensgemeinschaften nicht in das Gutachten einbezogen wurden. „Eine Untersuchung der Hunderten von Missbrauchsfällen an den Schulen des Jesuitenordens in Deutschland, die wissenschaftlichen Maßstäben genügt und die Betroffenen einbezieht, fehlt nach wie vor.“

Entsetzt reagierte die Vorsitzende des Diözesanrats im Erzbistum Berlin, Karlies Abmeier, auf Aussagen, wonach sich „bis heute“ innerhalb des Erzbischöflichen Ordinariates nicht die Erkenntnis durchgesetzt habe, dass es grundsätzlich ausgeschlossen sei, dass „ein erwachsener Priester auf einer Fahrt gemeinsam mit einem Kommunionkind in einem Zimmer übernachtet“.

Die Vertretung der katholischen Laien sei in die Erarbeitung des Gutachtens nicht einbezogen worden

Generell sei die Vertretung der katholischen Laien in die Erarbeitung des Gutachtens nicht einbezogen gewesen, sagte Abmeier. Man habe nun aber drei Vertreter nominiert, die in einer Kommission gemeinsam mit Vertretern des Priesterrates an dem Gutachten weiterarbeiten sollten. „Es ist klar, dass wir als Diözesanrat hier der Sache gegenüberstehen“, sagte Abmeier. „Wir werden beobachten und kontrollieren, ob vertuscht, verschwiegen und verschoben wurde, und welche Konsequenzen nun gezogen werden.“

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Der kirchenpolitische Sprecher der Brandenburger SPD, der Landtagsabgeordnete Johannes Funke, forderte die Kirche auf, sich an die Spitze der Missbrauchsaufklärung zu setzen. „Das Bemühen um Transparenz muss klar erkennbar sein“, sagte Funke. „Taktieren macht es nicht besser.“

Sein CDU-Kollege André Schaller begrüßte, dass das Erzbistum einen eigenen Bericht über Missbrauchsfälle erstellen ließ. Er habe den Eindruck, dass die Kirche bei der Aufarbeitung mittlerweile aktiver als noch vor einigen Jahren sei.

„Klar ist aber: Die Empathie muss den Opfern und nicht den Tätern gelten“, sagte Schaller. Zudem begrüße er, dass im Verlauf der Erstellung des Gutachtens alle Akten auch an die Staatsanwaltschaften gegeben wurden, „denn da gehören sie hin“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false