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New Deal im Görlitzer Park: „Wir brauchen Drogen-Fachgeschäfte“

Suchtforscher Heino Stöver fordert einen staatlich kontrollierten Markt für Drogen. Damit hätten Dealer im Görlitzer Park keine Geschäftsgrundlage mehr.

Es wird viel diskutiert im Umgang mit der Drogenkriminalität im Görlitzer Park. Von nächtlichen Parkschließungen bis hin zu mehr Polizei. Wie soll man verfahren, um den Park von den Drogen zu befreien? Ist Polizeipräsenz die Antwort? Der Suchtforscher Heino Stöver hat einige Ideen.

Herr Stöver, im Görlitzer Park wird mit Drogen gedealt, zuletzt stieg auch die Gewalt. Jetzt soll – mal wieder – mehr Polizei helfen. Kann das klappen?
Der Görlitzer Park ist mit polizeilichen Mitteln allein nicht in den Griff zu bekommen. Die Menschen, die hier Drogen verkaufen, bewegen sich am unteren Rand der Strafbarkeit. Es bringt kaum etwas, gegen sie vorzugehen.

Soll die Politik zusehen?
Nein, die Lösung kann nicht sein, wegzuschauen. Das ist oft die Reaktion – in Kreuzberg, aber auch in ganz Deutschland. Die Politik zieht den Kopf ein und überlässt der Polizei den Drecksjob. Aber diese kann das gesellschaftliche Problem nicht lösen. Die Bürger verstehen nicht, dass offen Drogen verkauft werden.

Die Politik scheint dem oft hilflos gegenüberzustehen. Warum?
Das hat damit so tun, dass Drogenkonsum in Deutschland so ein Schmuddelthema ist, mit dem man keine Wähler gewinnt. Deshalb wurde Jahrzehnte lang auf die Waffen der Polizei gesetzt.

Und das hat was gebracht?
Mehr als 350.000 Betäubungsmitteldelikte gab es vergangenes Jahr in Deutschland, diese Zahl steigt seit 20 Jahren fulminant. Während Konsumenten und Abhängige ihre Drogen illegal auf dem Schwarzmarkt kaufen und dort mit viel härterem Stoff in Kontakt kommen, als sie eigentlich wollten.

Suchtforscher Heino Stöver
Suchtforscher Heino Stöver

© promo

Was tun?
Wir müssen den Markt regulieren.

Das heißt?
Wir brauchen Fachgeschäfte, wie etwa in Holland und Kanada, wo sich Menschen Drogen nach strengen Regeln kaufen können. Wir sollten mit Cannabis anfangen, langfristig aber auch harte Drogen wie Heroin und Kokain einbeziehen. Die Kleindealer im Görli wären raus aus dem Geschäft.

Schon jetzt steigt die Zahl der Drogentoten in Berlin. Der Konsum von Kokain und Ecstasy hat sich seit 2014 verdoppelt. Und Sie wollen das freigeben?
Es geht nicht um eine komplette Freigabe. Cannabis wird in den USA und Kanada auch nicht am Kiosk verkauft. Die Abgabe unterliegt starken Kontrollen. Konsumenten wissen Bescheid über Herkunft, Dosierung, Verpackung der Droge – das ist alles festgeschrieben. Wenn Sie im Görli kaufen, wissen sie gar nichts.

Das würde doch vereinfachen, Drogen zu konsumieren.
Die Beispiele leichter Zugänglichkeit zu Cannabis, etwa in Holland zeigen, dass dort die einheimische Bevölkerung nicht mehr konsumiert als in anderen Ländern.

Sie sprechen von einer drastischen Liberalisierung der Drogenpolitik. Wäre das nicht eine Kapitulation des Rechtsstaats?
Ich würde nicht von Liberalisierung sprechen, sondern von Regulation – und das ist keine Kapitulation. Im Gegenteil.

Wie meinen Sie das?
Wir bringen einen Markt, der für uns fast gänzlich im Verborgenen abläuft, unter staatliche Kontrolle. Wir müssen an das Drogenproblem gesundheitspolitisch herangehen, nicht mit Strafverfolgung. Europaweite Studien belegen, dass es keine Auswirkungen auf den Konsum hat, wenn sie an der Schraube der Strafverfolgung drehen. Und den Menschen, die drogenabhängig sind, bringt Kriminalisierung sowieso rein gar nichts.

In Berlin wird diskutiert, die Eigenbedarfsmenge für harte Drogen wie Kokain und Heroin auszuweiten. Die CDU bezeichnete das als „drogenpolitischen Amoklauf“.
Das zeigt, entschuldigen Sie die Deutlichkeit, dass die keine Ahnung von diesem Thema haben. Es gibt ja bereits ein legales Heroin-Abgabe-Programm. In Berlin soll jetzt eine zweite Klinik eröffnet werden, die das macht. Zudem ist im Betäubungsmittelgesetz bereits eine „geringe Menge“ als Eigenbedarf definiert.

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