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Abgelehnte Lehrerinnen klagen vor dem Arbeitsgericht.

©  Uli Deck/dpa

Neutralitätsgesetz im Rechtsausschuss: Gutachter uneins beim Kopftuch

Dürfen muslimischen Lehrerinnen im Unterricht Kopftuch tragen? Das Neutralitätsgesetz wurde jetzt erneut im Rechtsausschuss diskutiert.

Von Fatina Keilani

Soll es muslimischen Lehrerinnen erlaubt sein, im Unterricht Kopftuch zu tragen? Über diese Frage kann sich die Koalition nicht einigen und hatte nun – nach einer kleinen Kabale der Opposition – erneut eine Anhörung dazu auf die Tagesordnung des Rechtsausschusses gesetzt. In dieser wurden die gegensätzlichen Rechtsauffassungen und auch Weltsichten der Beteiligten deutlich.

Angehört wurden Wolfgang Bock, Verfasser eines Rechtsgutachtens im Auftrag der Bildungsverwaltung, und Alexander Tischbirek vom Lehrstuhl für öffentliches Recht an der Humboldt-Universität. Gutachter Bock sieht im Tragen des Kopftuches einen Verstoß gegen das Gebot religiöser Neutralität. Er spricht von einer immer stärker werdenden islamischen Religionskultur an Schulen und von Jungen und Männern, die sich verpflichtet sehen, diese Kultur durchzusetzen – zum Beispiel die Unterordnung der Frau unter den Mann in Familie und Gesellschaft. Das sei eine Gefahr, deshalb solle das Neutralitätsgesetz unbedingt aufrechterhalten werden. Die Schule werde sonst zum Ort massiven religiösen Mobbings, was schon jetzt zu sehen sei, sagte Bock.

Bildungssenatorin Scheeres und die SPD wollen mithilfe des Gesetzes die Schule als neutralen Ort des Lernens schützen und von religiösen Konflikten frei halten. Der grüne Justizsenator Dirk Behrendt wiederum möchte das Gesetz gern loswerden.

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Wissenschaftler Tischbirek machte zunächst geltend, dass das Ansinnen der CDU-Fraktion, der Ausschuss solle den Senat zu einem klaren Bekenntnis zum Neutralitätsgesetz auffordern, an sich schon eine verfassungsrechtliche Grenze überschreite. Er plädierte daraufhin für eine Reform des Neutralitätsgesetzes, um die Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat, darin abzubilden.

Pauschales Verbot unzulässig

2015 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass ein pauschales Kopftuchverbot unzulässig sei. Gerechtfertigt sei der Eingriff in die Religionsfreiheit nur, wenn der Schulfriede sonst gefährdet werde. Tischbirek schloss daraus, dass nicht pauschal für ganz Berlin eine solche Gefährdung angenommen werden dürfe – die Religionsfreiheit wiegt schwer. So hat auch das Landesarbeitsgericht das bereits gesehen. Seitdem klagen abgelehnte Lehrerinnen vor dem Arbeitsgericht mit Erfolg auf Entschädigung.

Die grüne Religionspolitikerin Bettina Jarasch war als Gast zugegen und fragte, ob man einer muslimischen Akademikerin nicht zutrauen könne, die Werte des Grundgesetzes auch mit Kopftuch zu vertreten und vielleicht sogar integrativ zu wirken. Das hielt Bock für ausgeschlossen. Der AfD-Abgeordnete Hanno Bachmann sah in den Klagen abgelehnter Bewerberinnen den systematischen Versuch des politischen Islam, staatliche Institutionen zu unterwandern.

Die Vorgeschichte: Angesichts der Uneinigkeit der Koalition hatte die CDU im Ausschuss ein Bekenntnis zum Neutralitätsgesetz gefordert. Als der Punkt von der Tagesordnung gestrichen wurde, griff die Opposition zum Minderheitenrecht aus der Geschäftsordnung und erzwang Punkt, woraufhin die SPD sich zur Anhörung entschloss.

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