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Das Unglücksflugzeug auf einem Feld in der Nähe von Birkenwerden im Oderbruch.

© dpa

Neues Urteil am Landgericht Frankfurt (Oder):: Angriff auf Piloten war kein Mordversuch

Ein 52-Jähriger attackierte seinen Fluglehrer in der Luft. Er wollte ihn mit in den Tod nehmen, glaubten die Richter 2014. Jetzt urteilten ihre Kollegen milder.

Von Sandra Dassler

Ein Angriff im Flugzeug, der einen Absturz auslöst? Fluglehrer Winfried Gebhardt aus Strausberg hat einen solchen überlebt – und dass er derzeit oft darüber nachdenkt, liegt nicht nur an der aktuellen Tragödie um die Germanwings-Maschine. Vielmehr wurde am Freitag vom Landgericht Frankfurt (Oder) erneut ein Urteil zu dem Vorgang gefällt, der Gebhardt fast das Leben gekostet hätte: Der heute 52-jährige Kleomenis St., der am 21. Juni 2013 als Flugschüler mit ihm in einer Cessna unterwegs war, wurde wegen Angriff auf den Luftverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Mit einem Stein gegen die Schläfe geschlagen

Im Februar 2014 hatte eine andere Kammer des Landgerichts den Angriff auf den Fluglehrer noch als versuchten Mord gewertet und neun Jahre Haft verhängt. Für die Richter stand damals fest, dass Kleomenis St. sich umbringen und dies als Flugunfall tarnen wollte. Deshalb habe der in Berlin lebende Mann versucht, seinen damals 73-jährigen Fluglehrer zu töten. Der hatte Zeugen bereits unmittelbar nach dem Absturz, den beide verletzt überlebten, geschildert, dass sein Flugschüler ihn in 1500 Meter Höhe erst abgelenkt und dann mit einem mitgebrachten Stein dreimal gegen die linke Schläfe geschlagen habe. Als er davon nicht bewusstlos wurde, soll ihm der Flugschüler beide Daumen in die Augen gebohrt und den Steuerknüppel nach vorn gedrückt haben, um das Flugzeug zum Absturz zu bringen. Gebhardt konnte den Angriff abwehren und die Cessna auf einem Acker im Oderbruch notlanden. Sie überschlug sich, explodierte aber nicht.

BGH hob Urteil auf

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte das Urteil jedoch aufgehoben. Die Bundesrichter schlossen nicht aus, dass der Flugschüler nach der Attacke gegen Schläfe und Augen des Fluglehrers von seinen Mordplänen abgelassen habe. „Das nennt man strafbefreiend vom Mordversuch zurückgetreten“, sagte die Sprecherin des Frankfurter Landgerichts dem Tagesspiegel. Die Neuauflage des Prozesses sollte daher vor allem auch klären, ob der Flugschüler im letzten Moment zur Vernunft kam. Das konnten die Richter am Landgericht zumindest nicht ausschließen. So sei nicht zweifelsfrei erwiesen, dass der Flugschüler den Steuerknüppel nach vorn gedrückt habe. Zudem sei das Flugzeug während des Gerangels dreimal ins Trudeln geraten. Und als der Fluglehrer beim dritten Mal – 20 Meter über der Erde – die Maschine abfing, habe der Flugschüler das nicht mehr verhindert.

Urteil noch nicht rechtskräftig

Die Richter waren auch von der Suizidabsicht nicht ausreichend überzeugt, zumal auch im zweiten Prozess das Motiv des Mannes unklar blieb. Dass er, bevor er ins Flugzeug stieg, sein Testament gemacht und sowohl den Stein als auch ein Messer im Gepäck versteckt hatte, reicht ihrer Ansicht nach nicht als Indiz aus. Der Behauptung von Kleomenis St., wonach der Fluglehrer ihn massiv sexuell belästigt habe, glaubten die Richter hingegen nicht. Für Winfried Gebhardt ist das aber nur ein kleiner Trost. Für ihn bleibt das, was im Flugzeug geschah, ein Mordversuch. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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