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Zwischenwelt. Bei vielen Spielhallen muss man klingeln, drinnen ist es schummrig – und es darf maximal acht Automaten geben, so will es das Gesetz.

© Marc Tirl/dpa

Neues Spielhallen-Gesetz greift: Zockerhöhlen müssen schließen

Die Hälfte der rund 500 Berliner Automatencasinos wird bald verschwinden. 500.000 Euro werden dort täglich verspielt.

Wer das Glück sucht, muss klingeln. Ein leises Summen ertönt, und man tritt ein in eine schummrige Welt, in der man viele Münzen braucht und noch mehr Hoffnung.

An diesem Montagabend ist das Spielcasino in der Moabiter Stromstraße noch fast leer. Die meisten Gäste kommen erst später, wenn es dunkel ist, sagt die Frau hinter dem Tresen mit russischem Akzent. Nur an einem der Automaten sitzt ein Mann. Einsames Automatengedudel erfüllt den Raum.

An jedem Tag versenken die Berliner 500 000 Euro in Spielautomaten. Rund 500 Spielhallen gibt es in der Stadt. Für die Betreiber ist es ein lukratives Geschäft. Teilweise sind ganze Straßenzüge von den Automatencasinos geprägt; in der Stromstraße etwa finden sich allein auf einer Strecke von 500 Metern fünf Spielhallen. Auch die Karl-Marx-Straße in Neukölln bietet ein solches Bild. Wilhelmstadt und Siemensstadt in Spandau und Wedding sind ebenfalls sogenannte Hotspots. Doch bald wird sich das Straßenbild in diesen Gegenden erheblich wandeln. Denn etwa die Hälfte der Spielhallen in Berlin muss schließen.

Fünfjährige Übergangsfrist ist abgelaufen

Am 31. Juli sind nach einer fünfjährigen Übergangsfrist bei allen Spielcasinos in Berlin die Genehmigungen abgelaufen. 498 haben eine neue Genehmigung beantragt. Doch nun greift die Regelung, die 2011 im Spielhallengesetz festgelegt wurde. Dieses gilt bis heute als eines der strengsten in ganz Deutschland: Neue Spielhallen müssen von bestehenden mindestens 500 Meter entfernt sein, von Oberschulen 200 Meter. Mehrere Spielhallen in einem Gebäude sind nicht zulässig. Von diesen Mehrfachstandorten gibt es 130 in Berlin. Bis Anfang 2017 sollen die letzten Schließungsbescheide verschickt werden, so der CDU-Abgeordnete Matthias Brauner.

Das Spielen, davon ist die Politik überzeugt, muss in geordnete Bahnen gelenkt werden. „Die Überzahl an Spielhallen macht unsere Kieze und die Menschen kaputt“, sagt der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz. „Wir sind auf dem besten Weg, diese Überzahl erheblich zu reduzieren.“

Welche Spielhallen künftig schließen müssen, regeln die Bezirke. Derzeit überprüfen die Bezirksämter, ob sich die Betreiber in der Vergangenheit etwas zuschulden kommen ließen – also ob sie Straftaten oder Ordnungwidrigkeiten begingen. Das können illegales Glücksspiel oder Verstöße gegen das Jugend- oder Nichtraucherschutzgesetz sein. Gerade finden verstärkt Kontrollen statt. Allein seit April gab es 91 – dabei wurden 35 Straftaten festgestellt. „Wegen der Zuverlässigkeitsprüfung hat in vielen Spielhallen der Geschäftsführer gewechselt, so dass der Betrieb wieder eine ,weiße Weste’ hat“, sagt Buchholz.

Viele Betreiber versuchen, Regeln zu umgehen

Es werden aber auch die Abstände der Casinos zu den Schulen oder untereinander vermessen. Wenn zwei gleich geeignete Spielhallen direkt nebeneinander liegen, entscheidet schließlich das Los, welche bleiben darf. „Mit diesem Verfahren ist Berlin deutschlandweiter Pionier“, sagt Brauner. SPD-Mann Buchholz befürchtet jedoch, dass sich die Bezirke damit überheben. In seinen Augen hätte es zu mehr Rechtssicherheit geführt, wäre das Aufgabe des Senats gewesen. „Viele Betreiber werden versuchen, zu klagen und die Bescheide anzufechten“, so Buchholz.

Weiterhin gelten für die Spielhallen die strengen Regeln, was die Ausgestaltung anbelangt: Essen darf nicht serviert werden, es gibt einen Mindestabstand zwischen den Automaten. Und: Pro Spielhalle sind nur acht Automaten erlaubt.

Im Juni wurde im Parlament außerdem beschlossen, dass neue Wettbüros von bestehenden ebenfalls 500 Meter entfernt sein müssen. So soll verhindert werden, dass ehemalige Spielhallenbetreiber einfach ein Wettbüro aufmachen.

Spielsucht droht vor allem bei jungen Männern

Problematisch ist neben der Belastung des Straßenbildes, dass die Spielhallen vor allem in sozial schwachen Kiezen zu finden sind. Junge Männer, Menschen mit Migrationshintergrund und geringem Einkommen haben ein deutlich erhöhtes Risiko, spielsüchtig zu werden, so Buchholz. In Berlin hätten nach Schätzungen von 2014 rund 50.000 Menschen ein problematisches Spielverhalten. „Für viele stellt das Spiel die Flucht aus nicht immer einfachen Familienverhältnissen dar“, sagt er.

Fest steht: Das Spielen wird auch in Berlin weitergehen. Zu groß ist für manche der Reiz. In einem anderen schummrigen Kasino an der Stromstraße sind etwas später am Abend sechs der acht Plätze besetzt. Ein Mann betätigt den Spielautomaten. Es erscheinen Pflaumen, Äpfel und Zahlen. Glück hat er offenbar keins.

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