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Jasmin Tabatabai, 48, wurde in Teheran geboren und lebt in Pankow.

© Spiekermann-Klaas

Neues Album von Jasmin Tabatabai: Letzter Ausweg: Lächeln

Jasmin Tabatabai hat ein neues Album produziert: „Was sagt man zu den Menschen, wenn man traurig ist?“ Darauf verjazzt sie Songs von den Puhdys und Reinhard Mey. Die Pankowerin kann aber auch lustig.

Ein besonderes Bild ihres Vaters hat Jasmin Tabatabai immer noch sehr lebendig vor Augen. Er saß vor dem Radio, rauchte, hörte ein trauriges Lied und weinte dabei. Nichts Ungewöhnliches für persische Männer. „Das stelle man sich mal hier vor“, sagt Jasmin Tabatabai und lacht. „Ganz undenkbar.“ In der Heimat ihrer Kindheit gilt solches Verhalten keinesfalls als unmännlich oder peinlich. „Was sagt man zu den Menschen, wenn man traurig ist?“ Das ist der Titel von Jasmin Tabatabais neuem Jazz-Album, das dieser Tage erscheint. Es ist das erste Stück auf der CD, ein altes Lied von Georg Kreisler, der die Antwort selber gibt: „Man sagt nichts. Damit man lächeln kann.“

Als Jasmin Tabatabais Vater starb, war sie 19 Jahre alt. Ungefähr anderthalb Jahre habe die akute Trauerphase gedauert, erinnert sie sich. „Das hat jedes Mal wehgetan, wenn ich an ihn gedacht habe.“ Als Kind einer deutschen Mutter und eines liberalen persischen Vaters stecken zwei Welten in ihr, sind immer präsent. Und das wird gerade auch beim Thema Trauer offenbar. „In unserer westlichen Gesellschaft gilt Trauer als schwach, unangenehm, Ausdruck fehlender Leistungsbereitschaft“, sagt sie. Früher, als es ein Trauerjahr gab, hätten die Menschen viel mehr Zeit gehabt, alles zu verarbeiten.

„Heute stürzt man sich gleich wieder in die Arbeit, um die Trauer nicht zu spüren.“ Dabei findet sie es ganz wichtig, Verluste zu verarbeiten: „Sonst kann man auch keine Freude empfinden.“ In der iranischen Gesellschaft laufe das anders. „Da werden die Trauernden nicht so allein gelassen, sind nicht so einsam. Da umarmt man sich mehr.“ Was auch daran liegt, „dass das Soziale dort ursprünglicher sei, die Familie eine viel größere Bedeutung hat als hier“.

Seit 35 Jahren war sie nicht mehr im Iran

Ihre Eltern haben sich 1956 auf dem Münchner Oktoberfest kennengelernt, die Mutter eine Münchnerin mit Wespentaille und langen, dunklen Haaren, der Vater ein gut aussehender Perser mit einer leichten Erol-Flynn-Ähnlichkeit. Zwei Jahre später zog das Paar nach Teheran, wo Jasmin 1967 zur Welt kam. Sie wuchs zweisprachig auf, die deutsche Sprache aber sei ihr immer näher gewesen, sagt sie im Rückblick. Damals mussten sich Frauen in Teheran noch nicht verschleiern. Ende 1978 brachte die Mutter wegen der ungewissen Lage in dem Land ihre vier Kinder nach Deutschland.

Seit 35 Jahren war Jasmin Tabatabai nicht mehr im Iran und beobachtet die Entwicklung mit Spannung. Sprössling einer liberalen christlich-muslimischen Familie zu sein, findet sie gar nicht so exotisch, wie es in der heutigen politischen Weltlage klingen mag. „Das gibt es ja ganz viel.“ In ihrer Erziehung habe die Religion keine Rolle gespielt. Ihre Eltern wollten, dass die Kinder frei leben können.

Inzwischen hat Jasmin Tabatabai selber drei Kinder im Alter von 13, 6 und 2,5 Jahren. Sie wohnt in Pankow mit ihrem Lebensgefährten, dem Schauspieler Andreas Pietschmann, und ist dort richtig glücklich. „Das ist der tollste Stadtteil, gelassen, entspannt ... ich liebe es!“ Auch die „wunderbare Ost-West-Mischung und die Weitläufigkeit“ dort gefallen ihr, obwohl es schon voller geworden sei. Ihrem alten Kiez Kreuzberg musste sie als Zugereiste nicht treu bleiben, sagt sie lachend. Kieztreue sei eher was für gebürtige Berliner.

Vorige Album war glamourös

Am liebsten tritt sie in verräucherten kleinen Jazz-Kneipen auf, wo es eng ist und intim und man ganz nah dran ist am Publikum. Sie tut das gern – gerade auch in München. „In Berlin wird so oft erwartet, dass die Musiker gratis auftreten.“ Das sei halt eine Mentalitätsfrage.

Die Bandbreite der Lieder auf dem neuen Album, das am 20. Mai erscheint, bewegt sich zwischen dem Puhdys-Stück „Wenn ein Menschen lebt“ und dem Familien-Klassiker von Reinhard Mey: „Aller guten Dinge sind drei“. Wobei ihre Kinder verblüfft gefragt hätten, woher der Sänger ihre Familie so gut kenne. Sie wählt Lieder aus, „die mich anspringen“, bei denen Text und Melodie zu ihr sprechen. „Der Jazz ist nur das Kleid, in dem sie daherkommen.“ Mit dem Schweizer Produzenten David Klein arbeitet sie schon zum zweiten Mal zusammen.

War das vorige Album „Eine Frau“ noch glamourös wie ein Farbfilm mit Orchester und allen Schikanen, hat sich inzwischen etwas verändert. „Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben“, lautete einer der Titel auf der vor fünf Jahren erschienenen CD. „Das war mein Verhältnis mit Jazz damals“, sagt sie heute. „Inzwischen ist eine ernsthafte Liebesbeziehung draus geworden, ähnlich einem Liebespaar, das sich ungeschminkt am Frühstückstisch begegnet, eingegroovt, mehr Schwarz-Weiß-Film, intimer, nackter, echter.“ Das klingt nicht nur traurig, manchmal auch lustig, eher leise und sehr gefühlvoll, wenn es darum geht, was man denn nur sagt, wenn man traurig ist und den Menschen Kaviar anbietet und Hummer. Und nur keinen Kummer.

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