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Tschüs Hertha. Auch der blau-weiße Hertha-Zug darf nur noch befristet fahren.

© picture alliance / Britta Peders

Neuer Verkehrsvertrag in Berlin und Brandenburg: Werbeverbot an den S-Bahn-Zügen

Der neue Verkehrsvertrag lässt keine Außenwerbung an den Zügen mehr zu. Wiedererkennungswert soll im Vordergrund stehen. Die BVG darf dagegen weiter beklebt durch die Gegend fahren.

Werbung kann auch zu einem Politikum werden. Als nach 1984 die BVG als Betreiberin der S-Bahn im Westteil der Stadt Züge mit Außenwerbung für das Kleinanzeigenblatt „Zweite Hand“ zum Bahnhof Friedrichstraße fahren ließ, gab’s Protest aus Ost-Berlin. Schließlich hatte die damalige Reichsbahn erst kurz zuvor die – noch werbefreien – Züge der BVG übergeben – aus zweiter Hand. Die Anspielung auf den Zügen schien zu deutlich zu sein. Ähnliche Probleme wird es in Zukunft nicht mehr geben: Die S-Bahnen fahren im Außenbereich wieder werbefrei durch die Stadt.

Nicht freiwillig. Den Verzicht auf die rollenden Litfaßsäulen haben die Länder Berlin und Brandenburg im seit Dezember 2017 geltenden Verkehrsvertrag vorgeschrieben. Die S-Bahnen sollen einen klaren Wiedererkennungswert mit ihren klassischen Farben Rot-Gelb haben, sagte Elke Krokowski, die Sprecherin des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB). Bei voll beklebten Zügen sei es manchmal sogar schwierig, die Türen zu erkennen. Die bereits beklebten Züge dürfen aber weiter fahren, bis die vertraglich vereinbarte Zeit abgelaufen ist.

Neu ist das Werbeverbot für die S-Bahn nicht. Bereits 2001 hatte der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn den S-Bahnen bundesweit werbefreie Züge verordnet. Und das, obwohl er hinter jeder möglichen Einnahme her war. Die Werbung an den Bahnen bringt monatlich pro Zug immerhin mehrere tausend Euro ein. Die Wiedererkennbarkeit der Züge war ihm damals wichtiger.

Unter Mehdorns Nachfolger wurden die Werbezüge wieder zugelassen

2014 hatte die Bahn unter Mehdorns Nachfolger Rüdiger Grube ihre Zurückhaltung aufgegeben und die Werbezüge wieder zugelassen. Die Vermarktung übernahm die Werbefirma Ströer.

Fadi El-Ghazi vom Volksentscheid Berlin Werbefrei freut sich über den Werbewegfall. Der Gesetzentwurf der Initiative hätte dies nicht vorsehen können. Nur bei der BVG, die dem Land gehört, sei dies möglich gewesen. Anders als bei der BVG, an deren Bussen und Trambahnen es gefühlt schon „ewig“ Werbeaufschriften gibt, hat die S-Bahn erst mit der Übernahme des Betriebs in West-Berlin 1984 damit angefangen – mit einer Werbung für „Schultheiss“-Bier. Danach folgten 15 Doppelwagen, die für die „Zweite Hand“ warben.

Zunächst beschränkte man sich noch auf einfache Schriftzüge. 1995 folgte der erste Zug mit Vollwerbung. „Froschgrün“ warb er für den Radiosender „Hundert,6“, der zu den ersten privaten in Berlin gehörte. Dies war so wichtig, dass die S-Bahn, die inzwischen unter der Obhut der Deutschen Bahn war, den Werbezug auf einer Pressekonferenz vorstellte.

Und damit nicht genug. Im Innern spielte man auch noch das Programm des Senders ab. Aber das kam nicht bei allen Fahrgästen gut an, zumal der Sender durchaus umstritten in der Stadt war. Die S-Bahn stellte die Zwangsberieselung auch bald ein; der „Froschzug“ verlor sein „Grün“ Ende 1997.

Werbung für ein Bordell

Schon bisher durften die S-Bahn und Ströer nur eingeschränkt werben. So mussten die Fenster frei bleiben. Die landeseigene BVG darf dagegen Werbung auch auf Scheiben anbringen. Sogar Busse auf den „Touristenlinien“ 100 und 200 fahren zum Teil mit sehr eingeschränkter Sicht an den Sehenswürdigkeiten vorbei.

Dabei wirbt die BVG gerade für diese Linien. Immerhin: Die Front der Fahrzeuge dürfe nicht beklebt werden, sagte BVG-Sprecherin Petra Reetz. Zumindest von vorn müssten die Bahnen und Busse klar zu erkennen sein – wegen der Sicherheit.

Ein besonderer Clou, der Außenstehende immer wieder verblüfft, ist die Werbung für die Arbeitsgemeinschaft Traditionsbus. Der moderne Doppeldecker ist so geschickt beklebt, dass er wie ein echter Oldtimer wirkt – und sich so mancher Passant wundert, warum die BVG so alte Typen im Linienverkehr fahren lässt.

Aber nicht immer hatte die BVG, die ihre Flächen von der Firma Wall-Decaux vermarkten lässt, dabei ein glückliches Händchen. Monatelang war ein Bus mit Werbung für ein stadtbekanntes Bordell auf den Straßen unterwegs. Nach Protesten wurde der Vertrag dann nicht mehr verlängert.

Und auch bei der „Zweiten Hand“ hatte die BVG damals nachgegeben. Um weiter wenigstens bis zum Bahnhof Friedrichstraße, dem damaligen Endpunkt der West-Stadtbahn, fahren zu können, ließ sie die Werbung schnell entfernen.

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