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Auf der Überholspur? Der finnische Essenslieferant Wolt startet in Deutschland und hat ambitionierte Ziele. In Berlin hat bereits ein Büro mit 15 Mitarbeitern eröffnet, weltweit beschäftigt das Unternehmen 1100 Mitarbeiter und 20 000 Fahrer.

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Exklusiv

Neuer Essenslieferdienst in Berlin gestartet: Wie „Wolt“ das Lieferando-Monopol angreifen will

Ab sofort ist der Essenslieferdienst Wolt aus Finnland auch in Berlin im Geschäft – in 22 Ländern Europas und Asiens gibt es ihn bereits.

Hungrige Mäuler in Mitte und Prenzlauer Berg haben bald wieder die Wahl: Essen über den bisher einzig verfügbaren Anbieter Lieferando bestellen oder den neuen Konkurrenten ausprobieren?

Im August will hier Wolt an den Start gehen, ein Erfolgsbringdienst aus Finnland. „Wir sind bereit: Wir können unser in vielen Städten der Welt etabliertes Geschäftsmodell nun auch auf den deutschen Markt bringen“, sagt Patrick Dümer, bei Wolt zuständig für die Region Nordeuropa, dem Tagesspiegel. „Für den Start erschien uns Berlin die beste Wahl.“

Dümer zufolge betreibt Wolt bereits ein Büro in Berlin-Mitte mit zehn bis 15 Mitarbeitern, auch erste Fahrer und Partnerrestaurants seien rekrutiert.

Das Liefergebiet solle sich zunächst auf den Bezirk Mitte und den Pankower Ortsteil Prenzlauer Berg erstrecken, sagt der in Flensburg geborene Deutsch-Däne weiter. „Wir arbeiten mit den besten Restaurants der Stadt zusammen und möchten unseren Kunden eine große Vielfalt an Möglichkeiten bieten, sodass für jeden etwas dabei ist.“

Nordeuropa-Geschäftsführer Patrick Dümer.
Nordeuropa-Geschäftsführer Patrick Dümer.

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Damit dürfte zumindest in diesen zentralen Lagen Berlins wieder eine Konkurrenzsituation entstehen auf dem Markt für Essensbringdienste, die es zuletzt nicht wirklich gab. Denn vor einem Jahr hatte sich Konkurrent Foodora zurückgezogen und war wie Lieferheld und Pizza.de – allesamt deutsche Marken der Berliner Delivery Hero SE – an die Lieferando-Muttergesellschaft Takeaway aus Amsterdam verkauft worden.

Seither haben die Niederländer faktisch ein Monopol auf dem Berliner Markt. Kleinste lokale Konkurrenten oder Restaurants, die eigene Fahrer beschäftigten, gibt es, sie spielen in diesem globalen Milliardengeschäft aber keine Rolle.

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Die börsennotierte Delivery Hero SE mit Sitz in der Oranienburger Straße in Mitte hat 2019 fast 1,5 Milliarden Euro Umsatz gemacht und ist seit dem Rückzug von Foodora zwar auf praktisch allen Kontinenten vertreten, aber nicht mehr in ihrem Heimatmarkt Berlin. Diese Lücke will Wolt füllen, was zumindest im Prinzip gut funktionieren dürfte für Kunden und für Restaurants der Hauptstadt, die ihre Speisen liefern lassen möchten.

Wolt wurde in Helsinki gegründet

Wolt wurde 2014 in Finnlands Hauptstadt Helsinki gegründet von Miki Kuusi, dem Macher der „Slush“, einer der wichtigsten europäischen Messen für Tech-Unternehmen, respektive ihre Gründerinnen und Gründer.

Laut dem Portal „Gründerszene“ hat Wolt seither 258 Millionen Euro Kapital eingesammelt, darunter von Mark Zuckerbergs Investoren-Club Iconiq Capital, dem Just-Eat-Finanzier 83North, EQT Ventures, einem Fonds von Goldman Sachs, sowie Risto Siilasmaa, dem Interims-Chef und Aufsichtsrat des Handykonzerns Nokia. Zuletzt steckten Gesellschafter im Mai weitere 100 Millionen Euro in das Start-up.

Insofern tritt hier ein Unternehmen mit mindestens so starken Partnern und mit dem nötigen Startkapital gegen den bisher lokal konkurrenzlosen Marktführer Lieferando an, in der Hoffnung, auch auf einem so preissensiblen wie verwöhnten Markt wie Berlin zumindest eine Weile bestehen zu können.

"Wir machen kein Sozialdumping", heißt es bei Wolt

Der Frage, wie genau Wolt genügend Fahrer und Restaurants gewinnen will, um Lieferando in die Schranken zu weisen, lässt Wolt-Manager Patrick Dümer gleichwohl offen. „Wir setzten auf unser Konzept der Effizienz und Innovation“, sagt er ein wenig nichtssagend, deutet aber an, dass sich die Wolt-Strategie nicht um Kampfpreise und Dumpinglöhne drehen soll, sondern Konkurrenz durch Qualität erzeugen will.

„Wir machen kein Sozialdumping. Wir sind in Skandinavien aufgewachsen und schätzen das Modell des Wohlfahrtsstaates. Dem entsprechend tragen wir Verantwortung für Kunden und Mitarbeiter.“

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Letztere müssen freilich in Vorleistung gehen und ihr eigenes Fahrrad oder ihren eigenen Scooter mitbringen, Pkw seien in dieser ersten Phase in Berlin zunächst weniger gefragt. Möglicherweise folgt die Lieferung per Auto aber demnächst, wenn Wolt auch in weitere Bezirke der Millionenstadt expandiert – das könne erfahrungsgemäß schon in einigen Monaten so weit sein, sagt Dümer, ohne sich konkret festlegen zu wollen.

Wegen der Coronakrise sei das Geschäft schneller angelaufen

Wolt war erst im Januar mit seinem Dienst in Japan gestartet, anders als hierzulande aber nicht in der größten Metropole des Landes, sondern in den kleineren Millionenstädten Hiroshima, Sapporo und Sendai. Das Geschäft sei trotz - oder möglicherweise auch wegen der Coronakrise schneller angelaufen als bei Markteintritt erwartet. Man sei sehr zufrieden. „Außer, dass unser Expansionsteam aus dem Homeoffice arbeiten musste, hat Covid-19 unseren Markteintritt wenig beeinflusst.“

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Weltweit beschäftigt Wolt rund 1100 Mitarbeiter und rund 20.000 Fahrer. Letztere kommen aber nicht überall zwingend zum Einsatz. Denn Kunden, die über die Wolt-App buchen, können mancherorts (allerdings vorerst nicht in Berlin) die Option wählen, die vorher bestellten Gerichte selbst abzuholen oder gar direkt im Restaurant zu essen. Wolt kassiert dann für die Vermittlung. „Man muss permanent auf die richtige Balance in diesem Dreieck der Beziehung aus Restaurants, Kurieren und Endkunden achten“, sagt Dümer.

Wie das funktionieren soll angesichts von Zuständen, die die Fahrer bereits mehrfach in Berlin zu Protest-Kundgebungen getrieben haben, ist unklar. Angaben zu Einstiegsgehältern macht der Wolt-Manager nicht. Außer: „Wir bezahlen ein faires Grundgehalt und belohnen gute Ergebnisse bei der Belieferung. Wichtig ist uns nämlich immer ein gutes Kundenerlebnis.“ Das kann Patrick Dümer an seinem Wohnort Kopenhagen ausprobieren: „Meine Familie und ich bestellen gern mal einen Burger“, verrät er.

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