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Parkordnung? Interessiert im Neuen Garten bei warmem Wetter nur wenige.

© Sebastian Gabsch

Neuer Chef der Schlösserstiftung greift durch: Gegen die Verwahrlosung am Heiligen See

Verdorrtes Gras und Müll: Früher einer der schönsten Spazierwege Potsdams, bereitet die Uferroute im Neuen Garten jetzt wenig Vergnügen. Das soll sich ändern.

Die Radfahrerin schreit lauthals. „Wer sind Sie eigentlich? Was wollen Sie von mir?“ Gerade hat Christoph Martin Vogtherr versucht, das Radfahrverbot im Neuen Garten durchzusetzen. Der Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ist auf einem Weg am Seeufer einer Radfahrerin entgegengetreten. Die Frau reagiert aggressiv. Vogtherr versucht es im verbindlichen Ton. Es hilft nicht. Die Frau schiebt ihr Rad einige Meter, dann steigt sie wieder auf, schreit: „Ich mache hier, was ich will!“ Und als sie ihre zwei radelnden Freundinnen eingeholt hat: „Idiot!“

Vogtherr und der Parkwächter, der an diesem heißen Augustnachmittag im Neuen Garten unterwegs ist, wundern sich kaum über dieses Verhalten. „Das ist ganz typisch, genau so“, sagt Vogtherr. Währenddessen rast die nächste Gruppe Radfahrer an ihm vorbei.

Seit Februar dieses Jahres ist Vogtherr Generaldirektor der Schlösserstiftung, kurz SPSG. Der 54-jährige Kunsthistoriker, trotz Hitze in langärmeligem Hemd und mit Jackett, scheint ein Mann leiser Töne. Dafür artikuliert er sich mit umso größerer Intensität. An diesem Nachmittag hat Vogtherr zum Spaziergang durch den Neuen Garten eingeladen. Es ist spürbar: Die Lage im Welterbepark besorgt und verärgert ihn. „Hier ist etwas außer Kontrolle geraten“, sagt er.

Und nicht nur, wer den Park schon länger besucht, muss ihm recht geben. Zwischen Gotischer Bibliothek und Marmorpalais gibt es kaum eine Wiese, auf der nicht Menschen sitzen und liegen; die meisten haben ihre Fahrräder dabei. Alle Uferbereiche werden genutzt, um ins Wasser des Heiligen Sees zu kommen.

Auch der Laie sieht das heruntergetrampelte, verdorrte Gras der Wiesen, die abgenutzten Wege und das beschädigte Ufer. Es liegt Müll herum. Früher einer der schönsten Spazierwege Potsdams, bereitet die Uferroute im Neuen Garten jetzt wenig Vergnügen. Die Abnutzung ist augenfällig – was in durchaus großem Kontrast steht zur städtischen Freundschaftsinsel und dem eintrittspflichtigen Volkspark im Norden Potsdams.

Offiziell erlaubt die Parkordnung der Schlösserstiftung, die im Neuen Garten das Hausrecht hat, weder das Radfahren noch das Liegen auf Wiesen und das Baden im See  – außer dort, wo explizit ausgewiesen. An diese Regeln hält sich offenkundig niemand. Das sei für ihn „schwer auszuhalten“, sagt Vogtherr. Angesichts der Respektlosigkeit der Besucher im Umgang mit dem Welterbe falle es ihm durchaus auch schwer, freundlich zu bleiben, „denn ich kenne schließlich alle Menschen, die diesen Park hier pflegen“.

Jeden Sommer dieselbe Debatte

Sicher, neu ist die Thematik nicht. Jeden Sommer kehrt die Debatte wieder, schon Anfang der 1990er Jahre empörte sich der damalige Generaldirektor Hans-Joachim Giersberg über die Badenden und appellierte an die Potsdamer, das Welterbe zu respektieren. Allerdings: So dramatisch wie heute war die Lage wohl noch nie. Wenn sich nichts ändere, werde es nicht möglich sein, den knapp 103 Hektar großen Park für die nächsten Generationen zu erhalten, sagt Vogtherr.

Für ihn geht es jetzt darum, wie die Schlösserstiftung härter eingreift – nicht mehr ob. Und das nicht nur im Neuen Garten. Auch der Park Babelsberg sei ein Sorgenkind. Zu Vogtherrs Maßnahmenpaket gehört, mit Sicherheitspersonal die Parkordnung durchzusetzen. Dafür brauche es mehr Personal – statt wie jetzt zwei Stellen müssten es zehn bis 15 sein.

Die Stiftung erwäge auch, die bislang tolerierte Badestelle am Ostufer zu schließen, sagt Vogtherr. „Wir wollen das nicht, aber es kann sein, dass wir dahin kommen.“ Damit sich das Ufer zwischen Gotischer Bibliothek und Marmorpalais wieder erholen kann, wird dort wohl im Wasser ein Zaun gesetzt. Baden ist dann unmöglich, erprobt wird dies bereits erfolgreich zwischen Marmorpalais und Grünem Haus.

Christoph Martin Vogtherr, Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten 
Christoph Martin Vogtherr, Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten 

© Sebastian Gabsch

Für seinen Kurs hat Vogtherr die Unterstützung der Stadt. Im Neuen Garten seien „Maß und Mitte der geduldeten Nutzung längst nicht mehr gegeben“, sagt Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD). Die Stadt prüfe, wo sie alternative Badestellen einrichten könnte. Vogtherr hatte sich mit dieser Bitte an Schubert gewandt. Er wirbt für den Tiefen See, die Havel an der Zeppelinstraße und auch für Krampnitz.

Parallel will der Generaldirektor die Kommunikation neu aufstellen und ein stärkeres Bewusstsein dafür wecken, dass der Neue Garten nicht ein x-beliebiger Park samt See ist, sondern ein Welterbe. Dabei soll auch das Projekt „Historische Gärten und Gesellschaft“ der Bundesstiftung Umwelt helfen – samt internen und externen Runden Tischen und Konferenzen.

Dass die Besucher um den Wert der Anlage wissen, die ihren Ursprung in der Regentschaft Friedrich Wilhelms II. hat, der den Neuen Garten ab 1787 gestalten ließ, sei nicht selbstverständlich. „Viele wissen gar nicht mehr, was Preußen ist“, sagt Vogtherr.

Trockenheit setzt dem Park extrem zu

Auf dem Weg durch den Park weist der Generaldirektor nicht nur auf die menschgemachten Schäden hin. Auch durch die Trockenheit leide der Park extrem. Das Laub vieler Bäume und Sträucher ist leicht herbstlich gefärbt, viel zu früh. Blätter rollen sich vor Wassermangel ein. Im Neuen Garten seien bereits 40 Prozent der Biotopflächen verloren. Damit sei ein Teil des historischen Gartens verschwunden.

Wer für die vom Menschen gemachten Schäden verantwortlich ist, steht für Vogtherr auch fest. Das seien nicht die Touristen, sagt der Stiftungschef. „Es sind die Potsdamer.“ Mit dem Bevölkerungswachstum sei der Nutzungsdruck gestiegen. Und: Vor sechs, sieben Jahren sei im Umgang der Menschen mit den Schlossparks „etwas gekippt“.

So reagierten viele Besucher aggressiv, wenn sie auf die Parkordnung hingewiesen werden. Sicherheitspersonal werde verbal angegangen, ein Mann sei angespuckt worden. Viele Gärtner der Stiftung weigerten sich mittlerweile, Besucher bei Fehlverhalten anzusprechen – sie wollen sich nicht mehr beschimpfen lassen.

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