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Vertreter von Mieterverbänden kritisieren, dass beim neuen Mietspiegel, der Freitag erscheint, auch viele Verträge eingerechnet wurden, bei deren Abschluss die Bremse einfach umgangen wurde.

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Update

Neuer Berliner Mietspiegel: Altbaumieten steigen am stärksten

Der Mietspiegel in Berlin ist da: Mit einem Mittelwert von rund 6,40 Euro, einem Plus von zehn Prozent. Am meisten zahlen Familien mit Kindern und Singles.

Am Freitag um 10 Uhr hat Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) den neuen „Mietspiegel 2017“ vorgestellt – dessen wichtigste Inhalte sind längst bekannt. Spätestens im Herbst werden zigtausend Berliner Mieter eine Mieterhöhung auf dem Tisch haben. Vor allem die Bewohner von Altbauten (gebaut vor 1918) müssen mit dem Schlimmsten rechnen: Der neue Mietspiegel eröffnet hier einen Spielraum für Erhöhungen von fast 40 Prozent, auch wenn die Kappungsgrenze ein Plus von maximal 15 Prozent in drei Jahren zulässt.

Die durchschnittliche Nettokaltmiete ist laut neuem Mietspiegel deutlich teurer geworden. Um 4,6 Prozent stiegen die Mieten im Jahr auf einen Mittelwert von 6,39 Euro pro Quadratmeter. Am stärksten betroffen sind die Altbaumieten mit einem Plus von 6,3 Prozent im Jahr. Fast noch günstig dagegen sind Plattenbauten im Osten in einfacher Lage mit mehr als 90 Quadratmetern: Sie kosten im Schnitt 4,70 Euro pro Quadratmeter.

Den höchsten Durchschnittswert im neuen Mietspiegel erreichen kleine Neubauwohnungen (mit Sammelheizung, Bad und Innen-WC) mit bis zu 40 Quadratmetern: Sie kosten 14,19 Euro. Die größten Verlierer sind Familien mit Kindern, die auf der Suche nach einer großen Wohnung sind. 90 Quadratmeter und mehr kosten im Neubau in einfachen Lagen im Durschnitt 10,70 pro Quadratmeter. Das ist sogar mehr als in guter Lage bezahlt wird (10,00 Euro). Das liegt daran, dass in einfachen Wohnlagen öfters umgezogen wird und bei jeder Neuvermietung die Preise angehoben werden.

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Gegen alle Kritik verteidigte Lompscher den Mietspiegel. Er sei "rechtssicher, qualifiziert" und gelte.

Der Berliner Mieterverein kritisierte angesichts der steigenden Mietpreise die Politik. "Es reicht", hieß es am Freitag. Die Politik müsse endlich handeln und die Preisentwicklung im Wohnbereich eindämmen.

Hinter vorgehaltener Hand ließen Hauseigentümer und Vermieter schon am Donnerstag Dampf ab. Von „politischen Einflussnahmen“ bei der Erstellung des Mietspiegels ist die Rede. Trotz des kräftigen Anstiegs der Werte im neuen Mietspiegel bilde dieser nicht den echten Mietwert von Wohnungen in der Stadt ab.

Eigentümer und Vermieter wollen nicht unterzeichnen

Schon gar nicht der Mietspiegel 2017, weil der eine grundlegende Neuerung mitbringt: Erstmals können Vermieter nicht mehr für besonders luxuriös ausgestattete Wohnungen mehr als die Oberwerte in den Mietspiegel-Tabellen verlangen, denn der Preisaufschlag mit Hinweis auf „Sondermerkmale“ ist abgeschafft. Dafür sind allerdings die Oberwerte selbst teils drastisch gestiegen.

Auch deshalb wollen die Verbände Haus und Grund sowie Bundesverband freier Wohnungsunternehmen Berlin den neuen Mietspiegel nicht mit unterzeichnen. Etwa sechs Monate hatte vorher die Suche nach Einigungsvorschlägen gedauert. Die Verbände vertreten auch viele Besitzer von Altbauten, bei deren Mietfindung Sondermerkmale eine besonders große Rolle spielen: Ein Aufschlag von bis zu 3,50 Euro je Quadratmeter sei so möglich gewesen, sagen Experten. Diese Streichung wollten die Hauseigentümer durch eine kräftigere Anhebung der Werte im Mietspiegel ausgleichen lassen – das sei an Lompscher und dem Berliner Mieterverein gescheitert.

Ein stumpfes Schwert

Dagegen beklagen Mietervertreter, dass in den Mietspiegel 2017 auch viele Mietverträge eingerechnet wurden, bei deren Abschluss die Mietpreisbremse umgangen wurde. Demnach dürfen Hauseigentümer für eine wieder vermietete Wohnung maximal zehn Prozent mehr als die frühere ortsübliche Miete verlangen. Aber wer eine neue Wohnung findet, lässt die Zulässigkeit der Mietforderung nur in Ausnahmefällen prüfen. Und deshalb flossen auch solche eigentlich nicht rechtmäßige, weil zu hohe Mieten in die Bildung der neuen Mietwerte des Mietspiegels 2017 mit ein.

Die Mietpreisbremse ist aus Sicht der Mietervertreter ohnehin ein stumpfes Schwert, weil die Mieter so gut wie nie an Informationen über die Höhe der Miete herankommen, die ihre Vorgänger zahlten. Diesen Wert brauchen sie, um die Rechtmäßigkeit der verlangten Miete prüfen zu können. In vielen Fällen bleibt deshalb nur der Gerichtsweg, um die gebremste Miete durchzusetzen, was aber vielen Mietern zu aufwendig ist.

Kein gutes aber das beste Instrument, das da ist

Außerdem hinterließ das umstrittene Gesetz von Justizminister Heiko Maas (SPD) im neuen Mietspiegel weitere Spuren: Kurz vor Einführung des Regelwerkes schöpften viele Vermieter ihren Spielraum für Mieterhöhungen noch einmal maximal aus, sagen Mietervertreter. Das Gesetz wurde vor etwa zwei Jahren eingeführt, in den neuen Mietspiegel gingen neu abgeschlossene oder erhöhte Mieten aus den letzten vier Jahren ein.

Auch die grundsätzliche Kritik am Mietspiegel verstummt nicht. Immer wieder bringen sich Gutachter und Experten in Stellung und fordern in Berlin die Einführung eines „Regressionsmitspiegels“ wie Frankfurt am Main oder München ihn haben. Dieser sei einfacher strukturiert und auch gerechter. Der Mieterverein sieht das anders und spricht von zwei unterschiedlichen Regelwerken zum Ausgleich der Interessen von Mietern und Vermietern.

Der Berliner Mietspiegel wird alle zwei Jahre neu aufgelegt. Er dient Vermietern zur Begründung von Mieterhöhungen und Mietern zur Überprüfung derselben. Attacken auf den Mietspiegel vor Gericht scheiterten wiederholt. Ob nach wissenschaftlichen Kriterien „qualifiziert“ oder nicht, „fast alle Beteiligten“ würden den Mietspiegel anerkennen – und es sei „nicht ersichtlich, dass ein Sachverständigengutachten zu mehr oder besseren Erkenntnissen führt“, so die Richter.

Immer höher. Vertreter von Mieterverbänden kritisieren, dass beim neuen Mietspiegel, der Freitag erscheint, auch viele Verträge eingerechnet wurden, bei deren Abschluss die Bremse einfach umgangen wurde. Foto: Daniel Naupold/dpa
Immer höher. Vertreter von Mieterverbänden kritisieren, dass beim neuen Mietspiegel, der Freitag erscheint, auch viele Verträge eingerechnet wurden, bei deren Abschluss die Bremse einfach umgangen wurde. Foto: Daniel Naupold/dpa

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