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"Fertsch!" Sächsischer Humor auf den neuen Werbeplakaten, die ab Montag aufgehängt werden.

© André Görke

Neue Werbeplakate: Leipzigs Flughafen veräppelt den BER

Zum Start der ITB will der Betreiber der Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden den Berliner Flughäfen Kunden abjagen. Dort reagiert man verschnupft.

Diese Woche ist Berlin der Nabel der touristischen Welt. Zum Start der Tourismusmesse ITB, die am Dienstag unter dem Funkturm eröffnet wird, strömen viele Tausend Branchenvertreter und Fachbesucher aus praktisch allen Ländern in die Stadt. Viele davon werden über die überlasteten Flughäfen Tegel oder Schönefeld anreisen und womöglich selbst erfahren, wie es ist, wenn man zwei Stunden bangen muss, ob auch der Koffer wirklich in Berlin angekommen ist.

In diese Stimmung hinein wird die Mitteldeutsche Flughafen AG, Betreibergesellschaft der Regionalflughäfen Leipzig/Halle und Dresden, ab Montag eine Marketingkampagne starten. „Wir möchten den Berlinerinnen und Berlinern unsere Flughäfen als gute Alternative zu ihren beiden lokalen Flughäfen anbieten“, sagte Geschäftsführer Götz Ahmelmann dem Tagesspiegel am Sonntag. Sein Unternehmen gehört zu 77 Prozent dem Freistaat Sachsen, zu gut 18 Prozent dem Land Sachsen-Anhalt.

Ahmelmann hat die erfahrene Chemnitzer Agentur Zebra beauftragt, die Kampagne zu entwickeln. Herausgekommen sind Motive, die „mit Augenzwinkern und ein wenig Karnevalsstimmung“ auf die Defizite der Berliner Flughäfen anspielen, wie Ahmelmann meint.

So zeigt eines einen Bauarbeiter mit rotem BER-Schriftzug auf seinem gelben Helm und den Spruch: „Fliegen ohne Wenn und ABER“, wobei das BER im Wort „Aber“ farblich abgehoben wird. Einen Monat lang werden die Motive in Tageszeitungen, bei Onlineportalen und auf Plakatwänden an Berliner Verkehrsknotenpunkten zu sehen sein. Die Mitteldeutsche Flughafen AG gibt für die Kampagne einen „unteren sechsstelligen Betrag“ aus. 

Was hat die Stadt Schkeuditz, auf deren Gebiet der Airport Leipzig/Halle liegt, was Berlin nicht hat? Unter anderem wurde dort Europas erstes Autobahnkreuz fertiggestellt, 1938.

Und Schkeuditz hat einen internationalen Flughafen, der nicht chronisch überlastet ist: Der Airport Leipzig/Halle befindet sich auf dem nördlichen Gemeindegebiet der sächsischen Kreisstadt mit knapp 18.000 Einwohnern im Landkreis Nordsachsen zwischen – richtig – Halle an der Saale im Westen und Leipzig im Osten. Er nahm seinen Betrieb als „Flughafen Schkeuditz“ bereits 1927 auf – übrigens nach nur acht Monaten Bauzeit. Ein Flugfeld, ein Hangar und ein Verwaltungsgebäude: Mehr brauchte es damals nicht. Von einer Brandschutzanlage ist nichts überliefert.

Es dauerte aber noch bis in die 1960er Jahre, bis den damaligen Betreibern bewusst wurde, dass „Schkeuditz“ vielleicht ein paar zu viele Konsonanten im Namen hat, um sich international vermarkten zu lassen. Immerhin zwei Mal im Jahr wurde er zum „Messeflughafen Leipzig“ umgetauft und hieß ab 1972 dauerhaft „Flughafen Leipzig“. Nach der Wende und durch Vermittlung der Treuhandanstalt, im Jahr 1991, wanderte auch der Name der sachsen-anhaltinischen Nachbarstadt Halle in den Namen – und deren Vertreter mit in die Betreibergesellschaft.

Gerade mal 123.000 Fluggäste im Januar - allerdings sind's am BER 0 

Wären viele Berliner und Brandenburger und deren Besucher nicht so genervt von ihren lokalen Flughäfen, könnte man diese PR-Offensive des südlichen Flughafenbetreibers als karnevalistischen Scherz aus der Provinz ignorieren. Denn Leipzig/Halle und Dresden spielen in einer ganz anderen Liga, einer niedrigeren – auch wenn Leipzig/Halle von entschiedenen Gegnern des BER regelmäßig als Alternative zum Standort Schönefeld in die Debatte gebracht wird.

Gerade einmal knapp 123.000 Fluggäste wurden in Leipzig/Halle im Januar 2019 abgefertigt, heißt es im Monatsbericht des Flughafenverbandes ADV. Am Flughafen Dresden, im nördlichen Stadtteil Klotzsche gelegen, waren es sogar nur 96.000. Zum Vergleich: In Tegel bewegten sich 1,6 Millionen Fluggäste, in Schönefeld immerhin 816.000 allein im Januar. In der Summe registrierten die Berliner Flughäfen also mehr als 2,4 Millionen Fluggäste, elf mal so viele wie an beiden sächsischen Airports.

Anderes Motiv, wieder mit Humor.
Anderes Motiv, wieder mit Humor.

© André Görke

Deren Betreiber rechnet Berlin und Brandenburg zu seinem Einzugsgebiet. Aber die Geografie ist nun einmal, wie sie ist: Vom Bahnhof Zoo fahren Fluggäste nur acht Straßenkilometer oder 20 Bus-Minuten nach Tegel, beziehungsweise 16 Kilometer (oder 37 Minuten Regionalexpress) nach Schönefeld.

Zum Flughafen Leipzig/Halle sind es 169 Straßenkilometer. Mit dem Auto ist man bei normalem Verkehr eine Stunde und 45 Minuten unterwegs, mit der Deutschen Bahn braucht man ab Zoo nach Umstiegen an Hauptbahnhöfen Berlin und Halle etwa zwei volle Stunden. Zum Flughafen Dresden sind es sogar 186 Kilometer und - je nach Verbindung - sogar knapp drei oder knapp vier Stunden mit der DB. 

Kleine Parkgebühren, geringe Wartezeiten 

Sachsens Flughafenchef Götz Ahmelmann lässt diese Rechnung so nicht gelten. „An unseren Flughäfen steht man nicht in der Schlange“. Zudem seien die Langzeitparkplätze deutlich günstiger. Bei ihm könne man den PKW für zwei Wochen für nur 25 bis 30 Euro Gebühr abstellen. In Schönefeld seien fast 60 Euro, in Tegel gar mehr als 90 Euro fällig, rechnet Ahmelmann vor. „Die kurzen Wege vor Ort und die niedrigen Kosten, machen uns als Alternative attraktiv“.

Bei den Berliner Flughäfen sieht man das erwartungsgemäß anders. „In erste Linie offenbart die Aktion weitgehende Unkenntnis der Situation an den Flughäfen der Hauptstadtregion“, sagt deren Sprecher Hannes Hönemann. „Auch wenn der BER noch nicht fertig ist, starten und landen bei uns jährlich fast 35 Millionen Passagiere, während es es Dresden und Leipzig jeweils um die zwei Millionen sind. Niemand fährt von hier zwei Stunden nach Dresden oder Leipzig weil ein schlechter BER-Witz lockt.“

Beim Flughafenverband ADV, der alle deutschen Verkehrsflughäfen vertritt, will man sich nicht auf die Seite eines der Mitglieder schlagen: „Zu den Marketingmaßnahmen einzelner Flughäfen beziehen wir keine Stellung“, sagt Sprecherin Sabine Herling. Sie erklärt, dass das historisch gewachsene polyzentrische Flughafensystem in Deutschland sich zu einem eng verflochtenen Netz von internationalen und regionalen Flughäfen entwickelt habe. „Fest steht, dass die Flughäfen in Deutschland dabei in einem hart umkämpften internationalen Wettbewerb und auch im Wettbewerb untereinander stehen. Flughäfen wollen sich mit ihren Angeboten daher erfolgreich am Markt positionieren. Letztendlich entscheidet der Kunde, von welchem Flughafen er fliegen möchte.“

Laut der jüngsten ADV-Fluggastbefragung 2017 sei die Entscheidung für einen bestimmten Flughafen meist vom Preis des Fluges (49 Prozent), der Attraktivität des Flughafens (35 Prozent) oder der Abflugzeit (28 Prozent) abhängig. Wenn man sich auf die Attraktivität konzentriert, müssen sich die Sachsen nicht verstecken: So hat der Handelsverband Deutschland (HDE) den kleinen Airport immerhin mit dem Qualitätszeichen "Generationenfreundliches Einkaufen" ausgezeichnet. Womöglich bringt dieses Prädikat zum Ausdruck, dass Senioren und Kinder nicht so schnell von Kofferwagen über den Haufen gefahren werden wie in Berlin? 

"Wir haben noch Platz" 

Auch die Aussichtsterrasse ist in Schkeuditz mit 30 Metern über dem Flugfeld gefühlt etwas höher als in Tegel und Schönefeld, der Zutritt kostet mit zwei Euro auch einen Euro weniger. Allerdings ist die Plattform mit 200 Quadratmetern deutlich kleiner als in Tegel. Und weil bisher noch keine Massen an Flugreisenden aus Berlin und Brandenburg auf Schkeuditz oder Dresden fliegen, bietet der Betreiber die überdachten und freien Flächen auch für Workshops, Produktpräsentation, Messen, Kongresse, Modenschauen oder Konzerte an. „Wir haben noch jede Menge Platz“, sagt Ahmelmann. 

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