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Experten halten die Quarantäne für wirksam - solange sie eingehalten wird.

© Stefan Puchner/dpa

Neue Teststrategie in Berlin: Wer die Quarantäne überwacht, bleibt umstritten

Nach der Ferienzeit sollen Reiserückkehrer selbst für Tests aufkommen. Die Quarantäne rückt in den Fokus der neuen Strategie - doch wer kontrolliert sie?

Auf einmal musste es ganz schnell gehen. In einem Kraftakt der Charité waren kurz vor dem Ende der Sommerferien die beiden Corona-Teststellen an Berlins Flughäfen entstanden. Fast über Nacht und nicht ganz störungsfrei wurde das neue Testzentrum in Betrieb genommen. Rückkehrer aus sogenannten Risikogebieten können sich hier auf das Virus testen lassen – allerdings nur, wenn sie im Besitz eines Smartphones sind. Nun, fünf Wochen und 32.000 Tests – davon 380 positiv – später, stehen die Teststellen wieder vor dem Aus.

Das folgt aus dem Beschluss der Ministerpräsidenten, die am Mittwoch mit der Bundeskanzlerin über weitere Schritte in der Pandemie beraten hatten. Demnach sollen Corona-Tests für Rückkehrer aus Risikogebieten ab dem 15. September kostenpflichtig werden, ab dem 1. Oktober sind sie frühestens nach einer fünftägigen häuslichen Quarantäne möglich. So soll die Gefahr von falschen Testergebnissen reduziert werden. Im Umkehrschluss heißt das aber auch: Die Teststellen an den Flughäfen werden dann nicht mehr gebraucht.

Ins Zentrum der neuen Teststrategie rückt damit – wie von Experten seit Monaten gefordert – die häusliche Quarantäne. Doch wer stellt sicher, dass sich Rückkehrer daran auch wirklich halten? In Bayern ist man skeptisch, dass dies möglich ist, weswegen Ministerpräsident Markus Söder (CSU) umgehend ankündigte, dass in seinem Bundesland die Tests kostenfrei blieben. Und Berlin?

Dort reagierte die Gesundheitsverwaltung am Freitag nicht auf eine entsprechende Anfrage. Erst am Donnerstag waren die Zuständigkeiten für die Teststrategie neu geordnet worden. Drei Monate hatte diese bei der Wissenschaftsverwaltung gelegen, die die Charité beauftragt hatte. Nun soll sie wieder von den Mitarbeitern der Gesundheitsverwaltung geleitet werden.

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Doch unabhängig von der Corona-Teststelle in Tegel und Schönefeld sollen auch weiterhin die Gesundheitsämter die Quarantäne überwachen. Da dort alle Daten vorliegen und auch die telefonische Betreuung der Infizierten erfolgt, sollen auch die unter Quarantäne gestellten Personen stichprobenartig kontaktiert werden.

Patrick Larscheid, Amtsarzt in Reinickendorf, kritsiert diese Regelung scharf: „Gesundheitsämter lösen keine Kontrollprobleme, das ist auch nicht unsere Kompetenz.“ Schon mit der vorgegebenen Überprüfung von 0,5 Prozent aller Fälle seien seine Mitarbeiter mehr als ausgelastet. „Die Quarantäne-Nachverfolgung ist sehr lästig und aufwendig“, sagt Larscheid.

Ordnungsämter setzen Quarantäne nicht durch

Ein einfacher Anruf reiche schließlich nicht aus, da die Person eventuell gerade unter der Dusche stünde oder im Garten das Telefon nicht höre. Deshalb müsse man oftmals mehr als einmal anrufen, ehe man das Ordnungsamt kontaktiere. Und auch dann könnten sich Quarantäne-Verweigerer rausreden. Larscheid, der die Quarantäne generell für das wirksamste Mittel im Kampf gegen das Virus hält, empfindet die Arbeit für seine Mitarbeiter als Zeitverschwendung. „Eigentlich sollten wir doch all unsere Energie darauf verwenden, in ein Infektionsgeschehen einzugreifen.“

Auch aus den Ordnungsämtern, die eine Quarantäne bei Benachrichtigung der Gesundheitsämter durchsetzen müssten, gibt es Kritik: „Ich bin sehr skeptisch, was die Überprüfung der Quarantäne angeht“, sagt Andy Hehmke (SPD), Ordnungsstadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg. Ihm zufolge hat das Ordnungsamt noch keine einzige Quarantäne durchgesetzt. Das liegt auch daran, dass man im Außendienst die Corona-Regeln in Parks und der Gastronomie überprüfen müsse und Mitarbeiter aus dem Innendienst bei der Kontaktverfolgung im Gesundheitsamt aushelfen würden.

Aus Neukölln heißt es auf Anfrage, dass das Ordnungsamt lediglich bei Corona-Hotspots in mehreren großen Wohnblöcken im Juni Kontrollen durchgeführt habe. Zuständig sei ansonsten das Gesundheitsamt. Dort teilt ein Referent mit, man versuche zwar durch regelmäßige Anrufe einen gewissen Kontrolldruck aufzubauen, aber: „Klar ist, dass wir nicht vor jede Haustür einen Polizisten oder Gesundheitsaufseher stellen können. Wie bei vielen anderen staatlichen Maßnahmen spielt hier die Eigenverantwortung der Menschen eine entscheidende Rolle.“

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