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Nicht nur in Tröglitz, auch in Brandenburg werden Politiker im Rahmen der Flüchtlingsdebatte bedroht.

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Neue Strategie der Rechtsextremen: Flüchtlingsdebatte: Auch in Brandenburg Politiker bedroht

Ähnlich wie in Tröglitz werden auch in Brandenburg Politiker im Zuge einer Flüchtlingsdebatte bedroht. Fachleute erkennen eine neue Strategie der Rechtsextremen.

Auch in Brandenburg werden Kommunalpolitiker im Zuge der aktuellen Flüchtlingsdebatte bedroht: Der Lübbenauer Bürgermeister Helmut Wenzel (parteilos) und weitere Verantwortliche werden von Unbekannten unter Druck gesetzt, weil in Kittlitz, einem Ortsteil der Spreewaldtstadt, eine Asylbewerberunterkunft für 130 Menschen entstehen soll. Was genau in dem Drohbrief stand, der das Rathaus vor Ostern erreichte, wollte Wenzel nicht mitteilen. Unter Polizeischutz wie sein Tröglitzer Amtskollege steht Wenzel nicht.

Allerdings habe es vonseiten der Polizei sogenannte Gefährdetengespräche mit dem Bürgermeister und seiner Familie gegeben, sagte ein Sprecher des Innenministeriums dem Tagesspiegel. „Wir nehmen die Drohung sehr ernst, können aber nicht sagen, ob dieser Brief einen rechtsextremistischen Hintergrund hat“, sagte Polizeisprecherin Ines Filohn.

Wenzel betonte, dass der Landkreis Oberspreewald-Lausitz für die Unterbringung von Asylbewerbern zuständig ist, nicht die Stadtverwaltung. Außerdem habe sich der Kreis hinter die Kommunalpolitiker gestellt. Man verurteile „die anonymen Bedrohungen auf das Schärfste“.

"Das war in Tröglitz so und in Lübbenau scheint es mir jetzt auch so"

Der Lübbenauer Stadtverordnete Thomas Fron (Linke) vermutet, dass keine „normalen“ Stadteinwohner hinter dem Drohbrief stecken. Im März seien die Pläne der Öffentlichkeit vorgestellt worden. „Klar hat es eine harte Diskussion gegeben. In Kittlitz leben nur 100 Einwohner. Bedroht wurde auf der Infoveranstaltung aber niemand“, sagte Fron.

Extremismus-Experte Dirk Wilking vom Mobilen Beratungsteam Brandenburg, das Kommunen und Initiativen in der kritischen Auseinandersetzung mit Neonazis unterstützt, kann sich vorstellen, dass der Drohbrief aus der Feder Rechtsextremer stammt.

Unruhe im Idyll. Eine Straßenszene aus der Spreewaldstadt Lübbenau.
Unruhe im Idyll. Eine Straßenszene aus der Spreewaldstadt Lübbenau.

© picture alliance / dpa

Seit einiger Zeit versuchten Neonazis, mit dem Flüchtlingsthema zu punkten, um sich bekannter zu machen. „Sie versuchen, sich die Sorgen der Menschen zu eigen machen, wollen sich als Vertreter des Volkes gerieren. Das war in Tröglitz so und in Lübbenau scheint es mir jetzt auch so“, sagte Wilking.

In diesem Jahr kamen in den ersten drei Monaten mehr als 2800 Flüchtlinge nach Brandenburg. Das sind nach Angaben des Innenministeriums mehr als dreimal so viele wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres. „Insbesondere die NPD, aber auch andere rechtsextremistische Gruppierungen missbrauchen diese Entwicklung für ihre menschenfeindliche Propaganda unter den Überschriften ,Überfremdung‘ oder ,Asylmissbrauch‘“, sagte Ministeriumssprecherin Susann Fischer.

Ein erster Versuch, die islamfeindliche Pegida-Bewegung in Brandenburg zu kopieren, misslang. Nur ein paar Dutzend ließen sich auf die Straßen locken. „Jetzt scheinen die Rechtsextremen einen Strategiewechsel vollzogen zu haben, indem sie Kommunalpolitiker attackieren“, erklärte Wilking.

Einschüchterungsversuche in Nauen

Und Lübbenau ist kein Einzelfall. Anfang Februar versuchten Neonazis, Stadtverordnete aus dem havelländischen Nauen einzuschüchtern. Ein ganzer Mob störte eine Sondersitzung des Stadtparlaments. Auf der Tagesordnung stand ein Grundstücksverkauf. Auf dem Areal plant der Kreis eine neue Flüchtlingsunterkunft. In der Einwohnerfragestunde wurden Drohungen gegen Lokalpolitiker ausgestoßen. Die Polizei räumte den Saal. „Die Stadtverordneten ließen sich nicht beeindrucken und stimmten für den Verkauf“, sagte Stadtsprecherin Sarah Törner. Im Nachgang habe sich herausgestellt, dass die Mehrzahl der „besorgten Einwohner“ gar keine Nauener waren. Unter den Demonstranten befand sich unter anderem ein polizeibekannter Neuruppiner Rechtsextremist.

„Ich halte das für eine brandgefährliche Entwicklung“, sagt Experte Wilking. Schon jetzt weist die Brandenburger Kriminalstatistik einen Zuwachs politisch rechtsmotivierter Straftaten aus. Im vergangenen Jahr wurden in Brandenburg 14 Übergriffe auf Asylunterkünfte und Flüchtlinge registriert. Ein Jahr zuvor waren es zehn.

„Es wird nach Tröglitz viele Nachahmer geben“, befürchtet Anetta Kahane von der Amadeu-Antonio-Stiftung, die Initiativen und Projekte gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus unterstützt. Kommunalpolitiker sollten sich dadurch nicht beeindrucken lassen. Die Rechtsextremisten hätten im Land nur wenige Unterstützer. „Die Lokalpolitiker hingegen verfügen über sehr großen Rückhalt“, sagt Wilking.

Georg-Stefan Russew

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